Die Kiewer Rus ist leider nur entsprechend Interessierten bekannt und wird auch im aktuellen Geschichtsunterricht so gut wie gar nicht behandelt. Dabei handelte es sich um ein Großfürstentum auf dem Gebiet der heutigen Ukraine, Weißrusslands und Teilen von Russland, das gemeinhin als der Vorläuferstaat des heutigen Russlands angesehen wird.
Ursprünglich über eine Kickstarter Kampagne von PieceKeeper Games ins Leben gerufen, sorgte kurze Zeit später Giant Roc für die deutsche Lokalisierung und übernahm bei der Ausstattung der deutschen Exemplare dankenswerterweise auch gleich das zusätzliche exklusive Kickstarter-Material.
Wie wird gespielt?
Jeder der Spieler verkörpert in Rurik einen von acht historisch verbürgten Anführern, die aufgrund ihrer familiären Beziehungen zum verstorbenen Großfürsten Wladimir des Großen Anspruch auf den Thron gehabt hätten. Zudem besitzen diese im Spiel einzigartige Spezialfähigkeiten, welche sie deutlich voneinander unterscheiden. Mit Hilfe der eigenen Truppen und Ratgeber wollen die Spieler während der Partie durch eine ideale Kombination des Beherrschens von Regionen, Errichtens von Gebäuden, Sammelns von Gütern, militärischer Siege in Gefechten und Erfüllens geheimer Pläne und Taten eine Vormachtstellung erreichen, um so die meisten Siegpunkte ansammeln und das Spiel schlussendlich damit zu gewinnen.
Jeder Spieler startet mit seinem Anführer, einem eigenen Handelstablau, ein paar Münzen sowie einem identischen Satz an Ratgebern, Truppen und Gebäuden ins Spiel. Eine Partie läuft über lediglich vier Runden, die wiederum jeweils in drei Phasen gegliedert sind.
In der Strategiephase setzen die Spieler reihum Ihre Ratgeber auf dem allgemeinen Strategietableau ein und bieten damit um die sechs möglichen Aktionen: Mustern, Ziehen, Angreifen, Besteuern, Bauen und Intrigieren. Jede dieser Aktionen kann in einer von vier verschiedenen Stärken ausgewählt werden. So hat man bei der Aktion Bewegen später z.B. vier, drei, zwei oder auch nur einen Bewegungspunkt zur Verfügung. Die Anzahl der Ratgeber, die eingesetzt werden können, hängt von der Anzahl der Mitspieler und der jeweiligen Spielrunde ab. Die Ratgeber sind jeweils mit Zahlen zwischen 1 und 5 gekennzeichnet. Damit wird die Mächtigkeit ihres Einflusses und ihre jeweilige Initiative ausgedrückt. Der Einsetzmechanismus wirkt zwar auf den ersten Blick recht simpel, offenbart sich aber schon auf den zweiten Blick als überaus tricky und damit wirklich reizvoll.
Durch höhere Nummern mit mehr Macht ausgestattete Ratgeber verdrängen Schwächere auf den jeweiligen Aktionsspalten nach unten und damit auf die weniger lukrativen Aktionsplätze. Allerdings kann durch das gleichzeitige Einsetzen von Geld jeder Ratgeber aufgewertet und mit zusätzlicher Macht ausgestattet werden. So ist er schwerer zu verdrängen oder kann dies sogar mit andere Ratgeber tun. Ist eine der Aktionsspalten gefüllt, so kann dort kein Ratgeber mehr eingesetzt werden.
Sind die Ratgeber aller Spieler eingesetzt, kommt es zur Aktionsphase und damit verbunden, zu einem wichtigen Twist. Die Zahlen auf den eingesetzten Figuren ändern jetzt ihre Bedeutung und werden nunmehr als Initiative angesehen. Dabei gilt, je niedriger eine Zahl, um so eher kann die entsprechende Aktion ausgeführt werden. Dadurch ist es durchaus möglich, dass eine Aktion die mit einem mächtigen Ratgeber besetzt wurde, gar nicht mehr in dem geplanten Umfang ausgeführt werden kann, da einem zuvor schon die lieben Mitspieler mit ihren schwächeren Ratgebern kräftig in die Suppe gespuckt haben. Die Aktionen selbst werden wieder reihum auf dem eigentlichen Spielbrett ausgeführt, das die 15 Regionen der Kiever Rus zeigt. Wie viele und welche dieser Regionen im Spiel aktiv sind, hängt von der Anzahl der Mitspieler ab. Hier kommt nun auch das Area-Control-System zum Tragen, denn vielfach werden Aktionen stärker, billiger oder gar erst möglich, wenn man selbst eine Region beherrscht, sprich in ihr die militärische Mehrheit besitzt.
Ein paar Sätze zu den einzelnen Aktionen. Beim Mustern kann man zusätzliche Truppen in seine Regionen entsenden, für Bewegungspunkte seine Truppen verschieben oder mit Angriffspunkten die Truppen anderer Mitspieler oder neutrale Aufständische angreifen. Eine weitere Aktionsmöglichkeit ist das Intrigieren. Hierbei zieht man die entsprechende Anzahl an Intrigenkarten und wählt sich eine davon aus. Durch diese Karten erhalten die Spieler vorwiegend zusätzliche Boni. Sehr wichtig ist in jedem Fall die Aktionen Besteuern, durch welche man in den Provinzen vorhandene Güter erhält und anschließend auf dem eigenen Haushaltstableau positioniert. Beim Bauen kann man eines von drei möglichen Gebäuden Kirche, Markt oder Festung in einer Region errichten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass in jeder Region nur ein Gebäude derselben Art stehen darf. Gut platzierte eigene Gebäude können dabei sowohl in militärischer, als auch in ökonomischer Hinsicht für die eigene Planung äußerst förderlich sein.
In der dritten, der Anspruchsphase, wird überprüft, inwieweit die Spieler den geforderten Bedingungen auf dem Anspruchstableau genügen, um sich in den drei Spalten Herrschen, Bauen und Handeln nach oben zu arbeiten. Je höher man dort am Spielende steht, um so mehr Punkte bekommt man. Aber Vorsicht, prescht man zu früh vor und besetzt zeitig die einzelnen Spalten, so erhält man in der anschließenden Einkommensausschüttung weniger Geld. Dieses bekommt man zusätzlich auch für mit Gütern gefüllte Bereiche auf dem eigenen Handelstableau. Nach vier Runden ist eine Partie Rurik - Kampf um Kiev vorbei und der Spieler, der die meisten Siegpunkte sammeln konnte gewinnt das Spiel.
Spieletester
Fazit
Rurik: Kampf um Kiew kommt anfangs ein bisschen bieder, fast wie ein Wolf im Schafspelz daher. Das Spiel wirkt auf den ersten Blick und auch wegen der gerade mal vier Seiten umfassenden Spielregeln recht einfach und wird schnell als Area-Control-Spiel abgetan. Seine wirkliche Spieltiefe und die spannenden Entscheidungen die es bietet, offenbart es allerdings schon in der ersten Probepartie.
Welche Aktion ist im Augenblick am wichtigsten, welcher Ratgeber soll wo positioniert, soll ein Gegner ganz offen angegriffen und dessen Truppen dezimiert werden oder sammelt man lieber still im Hintergrund die Güter ein, errichtet Gebäude und lässt die Spieler aufeinander einprügeln? Auf dem Anspruchstableau von Beginn an klare Verhältnisse schaffen und dafür auf Geld verzichten oder lieber Runde für Runde Ressourcen sammeln um dann in einem Finale Furioso so richtig aufzudrehen und alle Mitspieler zu überrumpeln?
Ständig gibt es Wichtiges zu bedenken und Entscheidungen zu treffen. Jede Partie läuft anders, der Wiederspielwert ist dadurch extrem hoch. Durch die moderate Spieldauer ist es aber in den meisten Fällen möglich eine zweite Partie zu spielen und diesmal alles anders und natürlich besser zu machen. Dazu kommt eine sehr gute Ausstattung, die in der deutschen Version komplett identisch mit der exklusiven Kickstarter-Edition ist. Eine hohe Interaktion rundet zusammen mit der einfachen und schnell verinnerlichten Spielregel das Gesamtpaket ab.
Rurik: Kampf um Kiew ist mit seinem spannenden Auktionsmechanismus ein tolles Worker-Placement-Spiel, welches sich zusätzlich eines Area-Control-Mechanismus bedient, dabei aber mit deutlich weniger Kampf und den damit eigentlich verbundenen, speziellen Spielregeln auskommt, als vermutet. Hier kann ich problemlos meine uneingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen!
Plus
- sehr gute Ausstattung in der deutschen Ausgabe
- in deutscher Ausgabe ist das zusätzliche exklusive Kickstarter-Material enthalten
- unverbrauchtes Thema
- spannender Auktionsmechanismus
- hohe Interaktion
- angenehme Spieldauer
- Solomodus
- durch große Varianz hoher Wiederspielwert
Minus
- sehr konfrontativ
- nicht übermäßig thematisch
- keine Spielhilfe für den Solomodus
- weniger Kampf als vermutet
- das exklusive Kickstartermaterial wird in der Spielregel nicht erwähnt
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Details
1 Spielplan
1 Anspruchstableau
1 Strategietableau
4 Haushaltstableaus
8 Anführerfiguren (detaillierte Kunststoffminiaturen)
4 Anführerstandringe (Kunststoff, jeweils einer pro Spielerfarbe)
8 Anführerkarten
24 Ratgeber (Holz, jeweils 6 in den vier Spielerfarben)
12 Anspruchsmarker (Holz, jeweils 3 in den vier Spielerfarben)
36 Gebäude (Holz, jeweils drei verschiedene Modelle in den vier Spielerfarben)
48 Truppenfiguren (Kunststoff, jeweils 12 pro Spielerfarbe)
4 Kriegsmarker
8 Umtauschmarker
66 Güter
1 Startspielermarker
1 Rundenmarker
36 Münzen (Pappe)
27 Intrigenkarten
26 Tatenkarten
11 Plankarten
15 Aufständische-Figuren
15 Gütermarker
15 Aufstands-/Belohnungsmarker
1 A4-Bogen mit Aufklebern
4 Spielerhilfen
19 Solokarten
1 Spielregel
Modul Verschwörungen (exklusiv):
11 Karten
1 Regel
Hundekarte Promo (exklusiv)
4 Aufbewahrungsschachteln (Kunststoff –exklusiv)
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