Ein neues Kapitel unserer Dorfchronik wird aufgeschlagen. So wie der Jäger nur den schwersten Keiler schießt und der Angler nur von den größten Fischen schwärmt, wollen auch wir den Werdegang unseres Dorfes nur mit den tollsten Ruhmesgeschichten preisen.
Jeder Spieler lenkt die Geschicke seines Dorfes ganz für sich. Dazu erhalten alle Mitspieler (fast) identische Dorftableaus. Zu Beginn beherbergt unser kleines Heim schon sechs Dorfbewohner besonderer Stände: Einen Abt, einen Ratsherren, einen Reisenden, einen Handwerker und einen Krämer - angeleitet von einem Oberhaupt. Die Personen stehen für die verschiedenen Spielbereiche, in denen wir unsere ruhmreichen Geschichten verfassen können.
Ruhm, was bedeutet das eigentlich bei my Village? Im Grunde wurden die brettspielüblichen Siegespunkte hier in Ruhmespunkte umgetauft. Unspektakulär? Ja vielleicht, aber zum Spiel passend und deswegen sehr angenehm einfach mal etwas anderem hinterher zu jagen.
Ruhm erlangt unser Dorf unter anderem durch die Aktivitäten der verschiedenen Dorfmitglieder. Beispielsweise kann der Abt den Grundstein für eine neue Kirche legen und einige Mönche um sich scharen, der Krämer hingegen versucht Kunden zu bedienen, die fortan nur in den höchsten Tönen von der Versorgung in unserem Dörfchen sprechen werden.
Ehre meinem Stande
Mittel zum Zweck sind dabei die Ständebanner – eins von zwei Kernelementen der Spielmechanik von my Village. Zu Beginn jedes Zuges würfelt der Startspieler den kompletten Satz Würfel, der abhängig von der Spielerzahl bereitgelegt wird. Reihum muss jeder Spieler mit zwei der geworfenen Würfel einen Bannerwert bestimmen (Summe der Augenzahl). Der errechnete Bannerwert erlaubt schwarze oder beliebig viele weiße Banner mit dem gleichen Wert zu aktivieren.
Schwarze Banner sind meist auf Karten in der allgemeinen Auslage zu finden. Ihre Bezahlung/Aktivierung durch das Banner „baut“ sie für das Dorf aus. Dabei werden sie umgedreht. Auf ihrer Rückseite befindet sich oftmals ein weißes Banner, mit dem sich im folgenden Spielverlauf ihre erworbene Eigenschaft im Dorf aktivieren lässt.
Zum Beispiel die Brauerei: Eine Ausbaukarte die zu unserem Handwerker gelegt wird und zu Beginn des Spiels für einen schwarzen Bannerwert von „5“ oder „8“ aus dem allgemeinen Vorrat erworben werden kann. Nach dem Erwerb wird die Karte umgedreht. Das weiße Banner wird sichtbar und darf jetzt in den folgenden Runden als solches aktiviert werden, um ein Bier zu produzieren.
Am Ende der Zeit steht für jeden der Tod…
Somit sei über die Banner genug gesagt. Das andere entscheidende Mechanikelement für my Village ist die Zeit. Die Zeit sitzt jedem im Nacken, auch unseren Dorfbewohnern. Wenn wir fahrlässig mit ihr umgehen, holt sie alle der Tod.
Viele der Karten verbrauchen bei ihrer Banneraktivierung zusätzlich Zeit (gekennzeichnet durch kleine Sanduhren unterhalb der Bannerwerte). Wann immer wir eine oder mehrere Karten mit Zeitkomponenten aktivieren, müssen wir die verbrauchte Zeit in der Mitte unseres Dorftableaus mit einem Marker Schritt für Schritt abgehen. Wenn der Marker eine Runde vollzogen hat und damit den „Gevatter Tod“ passiert, rafft dieser einen unserer Dorfbewohner dahin.
Wen wir hinübergleiten lassen, ist unsere Entscheidung. Ein wenig totalitär, aber diese Wahl ist eben auch nicht ohne Folgen. Der jüngst verstorbene Dorfbewohner kann fortan seinen Bereich nicht mehr pflegen. Heißt, ohne Ständevertreter kein Fortschritt in diesem Spielbereich.
Um dem Tod entschlossen entgegenzutreten und das Dorf einigermaßen intakt zu halten, können wir Nachwuchs heranziehen. Die Schule ist für jeden Spieler zugänglich. Für eine „3“ oder „11“ können wir eine neue Fachkraft heranziehen. So können wir den zeitlichen Verfall unserer Einwohner halbwegs kompensieren.
Unsere Verstorbenen werden auf dem örtlichen Friedhof beigesetzt. Aber Vorsicht, der Geruch des Todes lockt Ratten an. Wann immer ein Dorfbewohner das Zeitliche segnet, rückt eine Rattenplage allen Spielern näher. Bei einer Rattenplage verliert jeder Spieler die Hälfte seiner bis dato gesammelten ungesicherten Ruhmespunkte. Ist eine gewisse Anzahl (Spielerzahlabhängig) an Ständevertretern gestorben, endet das Spiel.
Ausstattung
Das Regelwerk wirkt komplex und umfangreich, gehört aber zu denen, die nach dem ersten Mal Lesen sehr verständlich werden. Auch in den ersten Partien sind kaum Folgefragen aufgetaucht – top.
my Village ist durchweg sehr gut verarbeitet. Auch die einzelnen Bestandteile sind weitestgehend gut durchdacht. Insbesondere Haptik und Beständigkeit überzeugen. Allerdings hätte man das ganze Spiel platzsparender gestallten müssen. Der übliche Spieletisch bietet kaum genug Platz für den allgemeinen Vorrat, geschweige denn für den persönlichen Spielbereich der einzelnen Spieler – zu viel und zu groß.
Bei einem Spiel mit zahlreichen identischen Bestandteilen wäre eine sinnvoll konstruierte Plastikeinlage sehr entgegenkommend gewesen. Die klassische Leerschachtel zum Reinwerfen wirkt ein wenig überholt und lieblos.