Tiwanaku

Pachamama oder Tiwanaku?
Das Spiel wurde eigentlich als PACHAMAMA (Mutter Erde) angekündigt,
erschienen ist es nun als TIWANAKU (Tiahuanaco, Bolivien).
Warum, das wissen nur die Quechua.

Das Wort Quechua an sich (je nach Dialekt und Schreibweise: Qhichwa, Qichwa, Qicwa, Kichwa oder Qheswa) bezeichnet im Quechua „Tal“ oder eine Höhenlage inklusive ihrer Bewohner, die sich deshalb auch Qhichwa runa, „Menschen der Höhenzone Quechua“, nennen, woher sich auch die Sprachbezeichnung Qhichwa simi bzw. Kichwa shimi, „Sprache der Höhenzone Quechua“, ableitet. Die Quechua-Sprecher selbst nennen ihre Sprache aber traditionell in der Regel Runa Simi oder Runa Shimi. In modernen Quechua-Texten wird dagegen meist die Bezeichnung Qhichwa simi („Quechua-Sprache“ also „Tal-Sprache“) verwendet.

Quechua ist also vielmehr Sprache als Volksstamm.
Sei's drum.
Im Spiel werden wir als Quechua von Pachamama zu fruchtbaren Gebieten geführt.
Wir ehren unsere Göttin, indem wir die Regeln der Vielfalt und der Trennung achten.
Wir lassen uns von der Natur belohnen.
Auch wenn sie uns manchmal zürnt.

Pachamama weiß Rat mit dem Rad

Kernstück des Spiels ist das Pachamama-Rad.
Nachdem das Spielfeld mit Boden- und Pflanzenplättchen entsprechend der Rückseite der gewählten Szenarioscheibe bestückt wurde, wird die Scheibe in das Rad geschoben und bleibt dort bis zum Spielende. Sie wird während des Spiels immer wieder gedreht und damit unterschiedliche Spielplankoordinaten eingestellt.
Für die zweite Koordinate sorgt ein Schieber am Rad.
Mit Scheibe und Schieber wird der geheime Inhalt zweier grundsätzlich geschlossener Sichtfenster für

  • Entdeckungen
  • Weissagungen

eingestellt.
Je nach Spielsituation wird das eine oder das andere Fenster geöffnet. Das funktioniert recht gut, sowohl die Information über die Bodenbeschaffenheit als auch jene über die Bepflanzung ist einfach erkennbar.

Wie entdecken wir Bodenplättchen?

Unsere Quechua-Figuren wandern nach gewissen Regeln über den Spielplan. Landet eine auf einem Feld ohne Plättchen, wird das Rad befragt und gibt an, welche Bodenart dort anzutreffen ist.
Zu endecken sind:
- braune Erdeplättchen
- gelbe Sandplättchen
- grüne Grasplättchen
- grau Felsplättchen
Eine der neun roten Koordinaten wird mit der drehenden Szenarioscheibe eingestellt.
Eine der fünf Tierkoordinaten mit dem Schieber am Rad.
Flamme - Lama oder Sonne - Gecko heißt es dann.
Das ermittelte Plättchen wird auf dem Plan unter die Quechua-Figur gelegt und der entsprechende Bodenmarker des Spielers auf der Vielfalttafel wird eine Position nach oben geschoben. Das bringt zumindest einen Punkt, maximal sind es vier. Das hängt davon ab, wie viele eigene Marker auf gleichem Level sind.
Je mehr desto besser.
Ziel sollte daher sein, die vier Bodenmarker gleichmäßig zu entwickeln.
Aber wie soll das gehen?

Wie gehen wir planvoll vor?

Es gibt zwei wichtige Grundregeln:

  • Regionen können nur bestimmte Größen haben
  • Innerhalb einer Region darf jede Pflanze nur einmal vorkommen

Diese beiden Regeln erwähnt die Spielanleitung bereits bei der Spielübersicht. Sie reichen aber nicht aus um voranzukommen. Daher möchte ich gleich noch drei hinzufügen, die in der Anleitung auch beschrieben sind:

  • Gleiche Gebiete stoßen - auch diagonal - nie aneinander
  • Gleiche Pflanzen wachsen - auch diagonal - nie nebenaneinander
  • Wertvolle Pflanzen kommen nur in großen Gebieten vor

Das heißt, in einem Gebiet aus drei Sandplättchen kommen nur die Pflanzen
Süßkartoffel (Wert 1)
Koka (Wert 2)
Chili (Wert 3)
vor.
Quinoa mit Wert 5 kann also nur in einem Gebiet aus genau fünf Plättchen vorkommen.
Größere Gebiete als fünf orthogonal zusammenhängende Plättchen gibt es nicht.

Damit kann man arbeiten

Mit obigen Regeln ergibt sich letztlich - abhängig vom gewählten Szenario - dass für jedes Feld des Spielplans nur eine spezielle Bodenart und eine spezielle Pflanzenart möglich ist. Das Pachamama-Rad kennt die Lösungen, dient aber nur zur Überprüfung. Unsere Aufgabe ist es, die Pflanzenart auf den Plättchen mit eigenen Quechua-Figuren deduktiv zu folgern.
Weissagen nennt sich das im Spiel.
Nach Sudoku-Regeln ermitteln nenne ich es.

Leider kommt dieser deduktive Teil des Spiels sehr spät daher.
Erst wenn ziemlich klar ist, welche Pflanze sich auf dem Standort meiner Figuren befinden wird, versucht man sich an der Weissagung. Man nennt die Pflanze oder deren Nummer, ein Mitspieler stellt die Koordinaten des Felds auf dem Rad ein und kontrolliert den Inhalt des Weissagungsfensters.
Stimmt die Weissagung mit dem Pachamama-Rad überein, bekommt der Spieler Punkte im Wert der Pflanze und darf bei seinem nächsten Quechua weitermachen.
Stimmt sie nicht, bringt das Minuspunkte in der Höhe der tatsächlich dort kultivierten Pflanzen.
Zudem ist weiteres Weissagen untersagt.
Die Minuspunkte sind ärgerlich, noch ärgerlicher ist jedoch, dass die Gegenspieler durch meine Weissagung - egal ob richtig oder falsch - ebenso Erkenntnisgewinne haben und dadurch besser folgern können. Das hat zur Folge, dass man so spät als möglich Weissagungen macht und damit der spannende Teil der Geschichte lange auf sich warten lässt.
Die blutige Nase und Minuspunkte sollen sich die anderen holen.
Davor ist das Spiel von Positionsverbesserungen der eigenen Quechua-Figuren und dem gleichmäßigen Fortschritt auf der Vielfalttafel geprägt. Es heißt geduldig sein und den Gegnern durch Weissagungen nicht zu stark in die Hände zu spielen.

Aus ist TIWANAKU wenn das letzte Bodenplättchen auf dem Spielplan liegt.
Dann folgt noch die ultimative Weissagungszeremonie.
Hinten liegende Spieler können eventuell mit Risiko und Glück noch viele Punkte gutmachen.
Das kann für vorne liegende Spieler frustrierend sein.
Natürlich gewinnt jener mit den meisten Punkten!

Die kooperative Variante

Obwohl wir kooperativ spielen treten die Sichtschirme in Aktion und verdecken die uns zugeteilten Bodenplättchen. Das stört nicht wirklich, ja es regt sogar die Kommunikation über sinnvolle und weniger günstige Zugmöglichkeiten an.
Wir spielen gemeinsam gegen das Volk der Otoma. Die Otoma sind unglaublich gut im Ermitteln der Bodenbeschaffenheit und der dort wachsenden Pflanze.
Kunststück!
Das Pachamama-Rad macht die ganze Arbeit für sie.
Wann immer eine Spielfigur von uns ihre Bewegung in einer Spalte oder Zeile mit einer oder mehreren Otomas beendet, wandern die Otomas von uns weg bis sie ein leeres Feld erreichen und dort durch Pachamama und ihr Bike (=Rad) Punkte bekommen.
Die Otoma machen keine Fehler.
Das müssen wir auch beherzigen.
Besonderes Augenmerk müssen wir darauf legen, die Otoma möglichst wenig zu bewegen. Das gelingt idealerweise wenn man sie in einer oder zwei Reihen versammelt und in den anderen Reihen entdeckt und weissagt. Mehr will ich nicht verraten, aber einfach zu besiegen sind die Otoma nicht.

Spieletester

19.07.2023

Fazit

TIWANAKU ist ein gutes Spiel für clevere Vegetarier.
Also eigentlich ideal für meine Frau.
Vegetarier bin ich zumindest auch.
Das hätten wir besprochen.

Das Spiel wirbt auf der Schachtelrückseite mit
DEDUKTION
ERKUNDUNG
OPTIMIERUNG
und demnach mit der Deduktion an oberster Stelle.
Das ist ein wenig irreführend, erst im letzten Viertel der Spielzeit greift die Deduktion, mit Sudoku-Basiskönnen ist sie zu schaffen, ein.
Davor liegt die Erkundung mit ein wenig Optimierung.
Das ist schade.
Irgendwie hätte ich mir vom Prinzip insgesamt mehr versprochen.
Da reißt auch die Pachamama-Scheibe, ein tolles Gimmick mit kluger Funktion, das Spiel nicht wirklich heraus. Zudem ist sie doch immer wieder ein zeitraubendes und beinahe ein wenig störendes Element.
Die Freude an dem Pachamama-Rad flaut durch dauerhafte Nutzung bald ab.

Schade ist auch der Umstand, dass die Szenarioscheiben eigentlich nur unterschiedliche Ausgangslagen definieren und damit unter Umständen etwas andere Herangehensweisen erfordern. Wirklich anders spielen sich unterschiedliche Scheiben nicht. Es sei denn man verwendet die vier Scheiben für ein kurzes Spiel. Sie sind mit A bis D bezeichnet, in der Spielanleitung wird das nicht extra erwähnt und man könnte meinen, jedes Szenario kann auch kurz gespielt werden.
Kurze Spiele auf kleiner Fläche (25 statt 45 Felder) fanden wir für 2 Personen durchaus empfehlenswert.

Die koopertive Variante ist recht klug gemacht, die sich entwickelnden Zwänge kann man wirklich nur mit guter Kommunikation in den Griff bekommen. Das macht durchaus ein paar Partien lang Spaß, langfristig ist das Pachamama-Rad aber doch zu hinderlich und das Spiel zu statisch. Empfehlen kann ich es aber trotzdem.
Redaktionelle Wertung:

Plus

  • Tolles Thema für ein eigentlich abstraktes Spiel
  • Cool illustriert
  • Kompetitiv, kooperativ und solo spielbar
  • Kooperativ und solo gut skalierbar
  • Passende Hintergrundgeschichte
  • Hochwertiges Material, das Pachamama-Rad ist ein Hingucker

Minus

  • Szenarien ohne nennenswerte Unterschiede
  • Deduktion kommt viel zu spät ins Spiel
  • Mitspieler profitieren durch Misserfolg der anderen
  • Das Handling des Rads bremst
  • Das Ende kann für Führende frustrierend sein
  • Die Spielanleitung hat kleine Lücken

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 60 bis 90 Minuten
Preis: 45,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2022
Grafiker: Raphael Samakh
Zubehör:

1 beidseitig bedruckter Spielplan, 1 Vielfalttafel, 16 Vielfaltscheiben (je 4x Erde, Sand, Gras, Fels), 62 Bodenplättchen (15xErde, 17xSand, 15xGras, 15xFels), 4 Punktescheiben, 57 Pflanzplättchen (10xQuinoa, 10x Mais, 12xChili, 12xKoka, 15xSüßkartoffel) und je 4 Marker pro Frucht, 20 Quechua-Figuren (je 5x Erde, Sand, Gras, Fels), 2 Otoma-Figuren, 4 Sichtschirme, 20 Szenarioscheiben, 64 Aufkleber, 1 Pachamama-Rad und 1 Achse aus Kunststoff,
Spielanleitung

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