Freie Fahrt

Ich fahre mit dem Auto,
alles geht so schnell.
(Minisex, 1982)

Ich fahre mit dem Zug,
alles geht so träg.
(Friedemann Friese (?), möglicherweise 2021)

Reiserouten planen.
Schienen verlegen.
Zug fahren lassen.
Geld kassieren und vorallem Punkte sammeln.
Das soll neu sein?

Die neuen Ideen...

...in Freie Fahrt werden uns gleich am Beginn der Spielregel vorgestellt.
Gute Idee, das mache ich auch.
Eisenbahnstrecken werden zwischen Städten gebaut und gehören mir, dir oder der Allgemeinheit. Auf meinen Strecken fahre ich gratis. Auf den allgemeinen ebenso. Nur auf fremden Strecken muss ich den Besitzer für die Nutzung entlohnen, die Strecke wird damit aber sofort zur frei befahrbaren Strecke. Für alle.
Reiserouten stehen in großer Anzahl zur Verfügung. Frei wählbar sind Start- und Zielstadt allerdings nicht. Von den jeweils drei Karten einer Reiseroutenkombi wähle ich Stadt 1 als Start und Stadt 2 als Ziel oder Stadt 2 als Start und Stadt 3 als Ziel. Eine Änderung der Reihenfolge ist nicht erlaubt.
Das sind die neuen Ideen.
Jeder entscheide selbst, wie neu das ist.

Europa ist groß...

...und damit ist es auch der Spielplan. Lange Arme sind nötig wenn ich nahe Lissabon (Portugal) sitze und nach Moskau (Russland) Schienen bauen will. Die Größe dient aber auch der Übersichtlichkeit. Dass diese notwendig ist, zeigt sich auf jeden Fall bei vier und fünf Spielern. Um den Spielplan und die grundlegende Mechanik kennenzulernen bietet sich eine Solo-Partie an.
Dabei hat man stets sechs Reiseroutenkombis zur Auswahl und neben der Lok zwei Waggons, die je eine Route aufnehmen können. Ziel der Solo-Partie ist es, 30 Reiserouten abzufahren. Dazu stehen Münzen zur Verfügung, die pro Spielzug weniger werden.
Für das Bauen von bis zu fünf Schienen oder das Ziehen der Lok bis zu fünf Städte weit ist immer genau eine Münze zu bezahlen. Entlegene Städte wie Moskau, Helsinki oder Rostow warten mit jeweils zwei Bonusmünzen auf. Es lohnt sich, diese zu holen, schließlich zählt jede Münze am Ende der Partie zum Gesamtscore. Weil Solo jede Stadt doppelt als Reiseziel vorkommt kann und wird es passieren - geplant oder nicht - dass ein Reiseziel auch doppelt angepeilt wird. Dann zählt nur eine der beiden Karten bei der Wertung fünf Punkte. Hohe Punktwerte erzielt man demnach, wenn möglichst viele verschiedene der 45 Städte besucht werden.
Schafft man das primäre Spielziel durch das Abfahren aller Reiserouten, wird jede verbliebene Münze mit drei Punkten honoriert.
Weniger als 226 Solo-Punkte charakterisieren den Lehrling, größer 250 ist man Generaldirektor.
Dazwischen bilanziert man in 5-Punkte-Schritten als Assistent, Lokomotivheizer, Zugschaffner, Lokomotivführer und Bahndirektor. Weil man hin und wieder vergisst, eine Münze für die Aktion zu bezahlen, kann es durchaus zu geschönten Ergebnissen kommen. Aber egal. Genaugenommen ist die Solo-Variante nur Mittel zum Zweck, nämlich sich mit Spielmaterial und -prinzip vertraut zu machen. Die in Landessprache bezeichneten Städte sind nicht auf Anhieb zu finden.

Konkurrenz belebt das Eisenbahnwesen

Es konkurrieren nicht nur ÖBB und Westbahn sondern es können bis zu fünf Eisenbahnbetreiber ihre Schienen durch Europa verlegen, um die gerne besuchten Städte mit ihren Bauwerken aus Historismus und Jugendstil zu verbinden. Das Prinzip der Reiserouten ist gleich zu dem der Solo-Variante. Drei Stadtkarten bilden zusammen eine Reiseroutenkombi.
Die Stadtkarten sind in drei Stapel getrennt. In Jedem Stapel befindet sich jede Stadt einmal. Als Grundausstattung beginnt jeder Spieler mit sechs Münzen und acht bis 15 Schienen. Je mehr Spieler desto weniger Schienen. Die Lok ist zu Beginn langsam und zieht nur einen Waggon.
Ein Schienenstrang wird, wenn er in Bau ist, mit einem "Strecke in Bau"-Marker kenntlich gemacht, fertige Verbindungen zwischen zwei Nachbarstädten mit einem Besitzmarker. Weil jeder nur einen "Strecke in Bau"-Marker besitzt muss auch eine einmal begonnene Stadtverbindung vollendet werden, bevor die nächste begonnen wird. Strecken dürfen aber von Mitbewerbern fertig gebaut werden. Das ändert allerdings nichts an den Besitzverhältnissen der Strecke, aber der Bauherr bedankt sich artig. Eine Strecke zwischen zwei Städten geht erst dann in Allgemeinbesitz durch Verstaatlichung über, wenn ein Spieler sie kostenpflichtig - eine Münze zahlbar an den Erbauer - befahren hat. Der Besitzer entfernt seinen Marker und ab sofort darf diese Stadtverbindung kostenlos genutzt werden.
Von jedem Mitspieler.
Beliebig oft.
Wie eigene Strecken immer.
Die Verstaatlichung hilft durch die Entfernung von Besitzmarkern, das Schienenchaos - welche Strecke gehört wem - zu reduzieren.

Andere Kostenstruktur als Solo

Pro Spielzug dürfen zwei (virtuelle) Kontruktionspunkte für den Gleisbau verwendet werden. Ein Gleisstück ist ein KP, in Tunnels oder über Fähren kostet ein Gleisstück gleich beide Punkte. Mit nur mehr einem verfügbaren Punkt legt man die Schiene quer über Tunnel oder Fähre, ganz im Sinne von Robert Lembke: "Legen wir die Münze auf das Sparschwein!"
Um den Zug fahren zu lassen zahlt man eine Münze und darf die eigene Lok bis zu zwei Städte ziehen. Eventuell kostenpflichtig mit Verstaatlichungsauftrag.
Hat man nur mehr eine oder keine Schiene mehr darf gratis nachgefasst werden. So wandern fünf neue Schienenstücke in den persönlichen Vorrat. Hat man genug Geld ist der Kauf von fünf Schienen auch als Zusatzoption beim Schienenbau erlaubt.

Reiserouten erfüllen

Erreicht man den Zielort der geplanten Route, wird der Waggon geleert und eine neue Route darf aus der Auslage genommen werden. Voraussetzung dafür ist, die Lok befindet sich in einer Startstadt. Es sind stets zwölf Reiserouten verfügbar, kluge Planung hilft, die Mitspieler nicht...
Wenn der Stapel I der Stadtkarten aus ist, bekommt jeder Spieler einen zweiten Waggon und damit die Möglichkeit, die nächste Reiseroute früher zu wählen und damit besser planen zu können.
Ist auch der Stapel II aus, werden die Loks mit dem Turbo ausgerüstet, um eine Münze darf sie ab dann drei Städte weit ziehen.
Beide Optionen - zweiter Waggon, schnellere Lok - beschleunigen das Spiel.
Was es auch nötig hat.

Betrieb einstellen

Wenn der Stapel III der Stadtkarten aus ist, werden weiterhin Aktionen ausgeführt wie bisher.
Schienen dürfen gebaut und Reiserouten dürfen erfüllt werden (die letzte vom Waggon bringt eine Münze als Bonus).
Wenn man es für richtig hält, stellt man den Betrieb der eigenen Eisenbahngesellschaft ein.
Der Clou: Die anderen dürfen noch weiterspielen, selbst bekommt man, wenn man an der Reihe ist, eine Münze.
Stellt auch der letzte Spieler den Betrieb ein, wird die Runde mit Bonusmünzen bis zum Eisenbahnchef rechts vom Startspieler fertig gespielt.
Bei der Wertung bringt jede Stadtkarte Punkte.
Hat man beispielsweise Wien einmal besucht, bringt diese Karte fünf Punkte.
Jede weitere Wien-Karte bringt zwei Punkte.
Das ist ein klares Zeichen dafür, dass wirklich Kulturinteressierte nicht mehrfach eine Stadt besuchen sollen sondern lieber statt ein weiteres Mal nach Wien, lieber nach Helsinki reisen sollen.
Jede Münze bringt drei Punkte.
Die Summe aus Karten und Münzen kürt den Sieger.

Spieletester

04.04.2022

Fazit

Wenn neue Ideen gleich per Spielregelhammer eingetrichtert werden sollen, dann macht mich das skeptisch.
Das ist irgendwie ähnlich wie Menschen, die sich das Rauchen abgewöhnt haben und immer wieder intensiv betonen, die Zigarette fehle ihnen nicht.
Seltsam, das will man dann nicht so wirklich glauben.

Die Reiseroutenauswahl finde ich wirklich pfiffig, der Rest ist nett aber eben nicht mehr.
Reiserouten planen.
Schienen verlegen.
Zug fahren lassen.
Geld und vorallem Punkte in Form von Stadtkarten sammeln.
Mehr ist es nicht.
Und dafür dauert es mir auch zu lange.

Redaktionelle Wertung:

Plus

  • Einfache Regeln
  • Schönes Material
  • Riesiger Spielplan
  • Spielbeschleunigung im zweiten und dritten Drittel
  • Traditionelles Eisenbahnspiel

Minus

  • Teilweise unübersichtliche Streckenbesitzverhältnisse
  • Etwas langatmig
  • Wenig Innovation
  • Spieldauer überschreitet jene auf der Schachtel um mehr als 100%

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 55 bis 120 Minuten
Preis: 44,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: 2F-Spiele
Grafiker: Harald Lieske
Zubehör:

1 großer Spielplan, 135 Stadtkarten (3 Stapel mit je 45 Karten, markiert mit I bis III), 140 Schienen, 5 Eisenbahnen (je 1 in 5 Spielerfarben), 16 Spielertableaus (je 1 Lokomotive und 2 Waggons in 5 Spielerfarben sowie 1 Lokomotive für das Solospiel), 125 Besitzmarker (je 25 in den Spielerfarben), 5 "Strecke im Bau" - Marker (je 1 in 5 Spielerfarben), 54 Mübnzen, 1 Startspieler-Signalmarker, 2 Spielanleitungen (deutsch, englisch)

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