Die Abenteuer des Robin Hood

Robin Hood war der Held meiner Kindheit, heute kennen ihn aber wahrscheinlich nur noch wenige Kinder. Ich hoffe allerdings, dass das vorliegende Spiel an diese Situation etwas ändern kann.

Er hat es wieder getan! Der Grafiker Michael Menzel hatte sich, nachdem er jahrelang als Autor für die überaus erfolgreiche Andor-Reihe im Rampenlicht stand, zurückgezogen  und wollte als Autor eigentlich nicht mehr in Erscheinung treten. Man sollte jedoch niemals nie sagen, denn nun hat er erneut ein Spiel bzw. sogar ein Spielsystem entworfen, welches die Herzen von Familienspielern höherschlagen lassen dürfte.

Kleine Vorgeschichte

Das englische Kernland im Jahr 1193. König Richard Löwenherz ist auf einem Kreuzzug im Heiligen Land unterwegs. An seiner Stelle herrscht sein jüngerer Bruder Prinz John und presst die Bevölkerung gnadenlos aus, um seinen Lebensstil finanzieren zu können. Gleichzeitig intrigiert er aber auch gegen seinen Bruder, um sich selbst dauerhaft auf dem Königsthron niederlassen zu können. Robin Hood versucht ihm, nur mit Hilfe einer Handvoll von Getreuen, die Stirn zu bieten, doch leider stehen die Dinge aktuell nicht zum Besten. Little John ist gefangen und soll in der Burg hingerichtet werden. Robin Hood, Will Scarlett und Maid Marian müssen sich in den Wäldern des Sherwood Forrest vor den Schergen des Sheriffs von Nottingham verbergen. An dieser Stelle setzt die Storyline des Spiels mit dem ersten von den insgesamt neun Szenarios des Spiels ein.

Die Verpackung von Die Abenteuer des Robin Hood verspricht einen direkten Spielbeginn, ohne dass im Vorfeld eine Spielregel gewälzt werden muss. Lediglich das Spielmaterial soll entsprechend der Vorgaben aufgebaut und alles Weitere dann entsprechend des Geschichtenbuchs gehandhabt werden. Meistens sind solche Versprechungen ja zu schön, um wahr zu sein. Wie funktioniert das Ganze denn nun aber im vorliegenden Fall?

Aus den acht Geländeplatten wird vor Spielbeginn das Spielbrett zusammengesetzt, wobei die einzelnen Platten eine feste Verbindung untereinander haben und somit nicht verrutschen können. Zudem werden alle Holzteile neben dem Spielplan ausgebreitet und schon kann man sich mitten ins Geschehen begeben. Selbst der weitere Aufbau ist in die Story eingebunden und wird nach den Vorgaben des Geschichtenbuches abgehandelt.

Das Spiel an sich läuft rundenbasiert ab, wobei die Zugreihenfolge für die einzelnen Spieler und NPCs mittels verdeckt aus einem Beutel gezogener Holzscheiben festgelegt wird. Im jeweiligen Zug bewegt sich der Spieler zuerst und führt anschließend eine von drei möglichen Aktionen aus: Plättchen erkunden, Gegner überwältigen oder Gegenstände an Mitspieler übergeben.

Zur Darstellung der Bewegungen stehen jedem Spieler fünf Holzfiguren zur Verfügung, die beliebig aneinandergereiht werden können. So kommt man auf dem sehr ansprechend illustrierten Spielplan von Punkt A zu Punkt B und auch Kurven können gelaufen werden, um z.B. Hindernisse zu umgehen. Wird bei einer Bewegung die Größte der Holzfiguren nicht genutzt, so spart der jeweilige Charakter Kräfte und die Gemeinschaft erhält dadurch einen kleinen Bonus. Auf dem Spielplan kann man sich zwar komplett frei bewegen, aufgedruckte Hindernisse wie Mauern, Häuser oder aber Bäume gelten aber auch als solche.

Ähnlich einem Adventskalender sind überall auf dem Spielplan nummerierte Plättchen eingelassen. Diese können erkundet werden. Dazu muss der jeweilige Spieler am Ort des Geschehens sein und kann dann im Abenteuerbuch auf der dem Szenario zugehörigen Seite nachschlagen und die entsprechende Begegnung abhandeln. Vielfach muss das Plättchen dann herausgenommen und gewendet werden und zeigt dann auf seiner Rückseite eine veränderte Situation.

Auf den Plättchen sind aber nicht nur Gegenstände, sondern auch so genannte NPCs (Nichtspielercharaktere) abgebildet, darunter Wachen, Adlige auf Pferden oder aber für die erfolgreiche Beendigung des Szenarios wichtige Gesprächspartner.

Gegner wie die vorgenannten Wachen oder Adlige können bekämpft und überwältigt werden. Dazu muss die Figur des Gruppenmitglieds das gegnerische Plättchen berühren und anschließend muss der Spieler eine vorgeschriebene Anzahl farbiger Würfel aus einem Beutel ziehen, um den Gegner überwältigen und die Belohnung einstreichen zu können.

Eine feste Spieldauer gibt es nicht, denn das Spielelement, welches schlussendlich über die Anzahl der den Spielern zur Verfügung stehenden Spielrunden entscheidet, ist im Spiel die Hoffnung. Jedes Szenario startet mit einer individuellen Menge. Nach jeder Spielrunde sinkt allerdings die Hoffnung im Land und bestimmte Ereignisse oder die Gefangennahme eines der Gefährten beschleunigen die Talfahrt zusätzlich. Fällt sie auf Null, ist das Szenario verloren. Zum Glück gibt es aber auch ein paar Möglichkeiten, dem entgegen zu wirken. Vor allem das Überwältigen von Wachen und die Gefangennahme bzw. das Ausplündern reisender Adliger kann die Stimmung im Land ordentlich aufhellen.

Spieletester

12.12.2021

Fazit

Die Abenteuer des Robin Hood werden durch innovative und überaus spannende Spielmechanismen geprägt. Vom ersten Moment des Tutorials an geschehen, getrieben durch die Storyline, Dinge, die den Spielern kleinere und größere taktische Entscheidungen abverlangen. Ein Quäntchen Glück ist dabei natürlich niemals verkehrt, etwa den richtigen Würfel zum passenden Zeitpunkt aus dem Beutel zu ziehen.

Michael Menzel ist mit seinen Illustrationen wieder einmal zur Hochform aufgelaufen und auch die Gestaltung des restlichen Spielmaterials steht dem in keiner Weise nach. Was es auf dem Spielplan nicht alles zu entdecken gibt. Ein im aktuellen Szenario nicht beachtetes Detail kann im nächsten Szenario schon über Wohl oder Wehe der Gefährten entscheiden.

Dabei ist Die Abenteuer des Robin Hood jedoch beileibe kein freies Sandbox-Spiel. Die Zeit sitzt den Spielern zu sehr im Nacken, als dass sie alle möglichen Wege ausprobieren könnten. Und damit ist klar, Scheitern gehört bei diesem Spiel in jedem Fall dazu, die eigene Frusttoleranz sollte recht hoch sein und auch mächtige negative Ereignisse oder Auswirkungen müssen alle Spieler aushalten können. Dafür ist jedoch die Möglichkeit weiterer Durchläufe desselben Szenarios vorgesehen, die sich dann durchaus in Details verändern.

Natürlich gibt es aber auch ein paar Schattenseiten, wenn ein Verlag so ein innovatives, neues Spielkonzept auf den Markt bringt. So wellen sich manche der mehrlagigen Spielplanteile trotz der ihnen angediehenen Spezialproduktion und auch die dauerhaften Beschädigungen des Spielplans oder der eingelassenen Plättchen, die beim Herauspöppeln und Umdrehen passieren, muss man so akzeptieren können.

Letztendlich werden die Spieler aber bei jeder Partie und jedem Szenario mit einem grandiosen Spielerlebnis belohnt. Die Möglichkeiten des neuen Spielkonzepts und der -mechaniken sind so vielfältig, dass der Kosmos-Verlag aktuell schon drei weitere Szenarien angekündigt hat und es mich nicht wundern würde, wenn Die Abenteuer des Robin Hood, abgesehen von neuen Szenarien, nicht in der einen oder anderen Weise fortgesetzt werden würden. Fortgeschrittenen Familienspielern mit älteren Kindern kann das vorliegende Spiel nur wärmstens ans Herz gelegt werden, für die ganz Kleinen ist es aber trotz des vielleicht niedlichen Themas dann doch noch nichts.
Redaktionelle Wertung:

Plus

  • stimmiger Material- und Grafik-Mix
  • quasi sofort spielbar
  • gelungener Mix innovativer Spielmechanismen
  • spannende Storyline
  • weitere Szenarios in Planung

Minus

  • begrenzte Wiederspielbarkeit
  • Beschädigung des Spielmaterials beim Umdrehen der Plättchen unvermeidlich
  • teilweise wölben sich einzelne Spielplan-Elemente
  • Reaktionen der NPC Charaktere sind nicht immer logisch
  • Sackgassen möglich, deshalb Frusttoleranz notwendig
  • forderndes Zeitlimit
  • kein Sandbox-Spiel

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: 49,95 Euro
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: Kosmos
Grafiker: Michael Menzel
Zubehör:

Spielplan, bestehend aus 8 Teilen im Schuber
Geschichtenbuch
25 Holzfiguren (5x Robin Hood, 5x Maid Marian, 5x Little John, 5x Will Scarlet, 3x Guy von Gisbourne, Rabe, besondere Figur)
130 Marker (Holz in sieben Farben)
10 Scheiben (Holz in neun Farben)
12 Sanduhren-Marker (Holz)
Figur Minnesänger (Holz)
Pfeil (Holz)
Leinenbeutel
Schnellstartanleitung
Begleitheft

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