The King's Dilemma

Vor einigen Jahren hatte sich ein neues Spiele-Genre etabliert: das Legacy-Spiel. Die Besonderheit daran ist, dass ein Spiel nicht mehr automatisch mit einer Partie abgeschlossen und ein Sieger gekrönt wird, sondern, dass sich solch ein Spiel über mehrere Partien hinweg weiterentwickelt und sich dabei durchaus z. B. Regeln oder Anforderungen verändern können.

Leider konnten die meisten Vertreter dieses Genres bisher nicht mit den vollmundigen PR-Ankündigungen und Versprechungen Schritt halten und so waren viele Spieler nach den ersten Partien dieser Spiele auf die eine oder andere Art ernüchtert.

The Kings Dilemma möchte einen neuen Weg gehen und ganz explizit den Aspekt der sich entwickelnden Story noch stärker in den Focus des Spiels stellen. Natürlich spielt die Story auch in vielen anderen Legacy-Spielen eine gewichtige Rolle, in Kings Dilemma dreht sich aber fast alles um sie.

Die Spieler sind Vertreter einflussreicher Familien, der so genannten Häuser, die am Königshof in dieser Funktion den König, bei schwierigen Entscheidungen das Königreich betreffend, beraten sollen. Jedes dieser Häuser hat aber eine eigene Geschichte und verfolgt zudem seine eigenen Ziele und Vorstellungen, um das Reich in eine ihm genehme Richtung zu entwickeln und zu lenken. Beste Vorraussetzungen also für lebhafte Auseinandersetzungen am Spieletisch. Und natürlich drängt sich in diesem Zusammenhang sofort ein Vergleich zu den Häusern aus dem Game of Thrones-Universum auf.

Kings Dilemma wird über einzelne Partien gespielt, die durch mehrere sich aufbauende Storylines miteinander verbunden sind. Eine solche Partie kann bis zu einer Stunde dauern, aber um ein gesamtes Spiel und die sich dabei entwickelnde Geschichte bis zu einem der möglichen Enden zu erleben, werden insgesamt cirka 15 Partien benötigt.

Eine Partie endet, wenn der König auf natürlichem Weg stirbt, weil einfach viel Zeit vergangen ist oder aber die Stabilität des Reiches gesichert wurde bzw. nicht mehr gegeben ist und der König als Konsequenz abdankt. Nach jeder Partie wird das erreichte Ergebnis in den Chroniken des Königreiches festgehalten und die Spieler werden in Abhängigkeit ihrer Platzierung mit Ansehens- bzw. Ambitionspunkten belohnt, was wiederum Auswirkungen auf die nächste Partie und das Spielende hat.

Karten als Antrieb

Motor von Kings Dilemma sind die Karten, die sich in insgesamt 75 Umschlägen befinden. Es gibt dabei vier verschiedene Kartenarten, die sich durch ihre Symbolik und Spielmechanik voneinander unterscheiden: Geschichtenkarten, Dilemmakarten, Ereigniskarten und Auslösekarten.

Vor Beginn einer jeden Partie werden durch das Startsetup die Ressourcenmarker für Einfluss, Vermögen, Moral, Wohlergehen und Wissen sowie der allgemeine Stabilitätsmarker auf dem Spielbrett platziert. Diese Ressourcenmarker können sich sowohl in positiver, als auch negativer Richtung auf der Skala bewegen und dadurch den allgemeinen Stabilitätsmarker beeinflussen.

Jedes Haus, die Reihenfolge wird durch das aktuelle Ansehen bestimmt, wählt sich nun noch geheim eine Ausrichtung für die jeweilige Partie aus, die zusammen mit den grundsätzliche Zielen das Hauses, das jeweilige Abstimmungsverhalten für die aktuelle Partie vorgibt. Zusätzlich steht jedem Haus noch eine von verschiedenen Faktoren abhängige Menge an Machtmarkern und Geld zur Verfügung.

Eine Partie beginnt, indem vom so genannten Dilemma-Stapel die unterste Karte gezogen und vorgelesen wird. Mit diesen Dilemmakarten wird jeweils ein Problem, mit welchem sich der König herumschlagen muss, zur Debatte gestellt. Rudimentär sind auf der Vorderseite der Karte auch schon mögliche Auswirkungen verzeichnet, je nachdem wie die Spieler abstimmen. In der folgenden Abstimmungsphase können die Spieler nun mit Ja bzw. Nein stimmen oder aber passen. Aber Vorsicht, eine einmal getroffene Entscheidung während der Abstimmung kann in deren Verlauf nicht mehr geändert werden. Allerdings ist es möglich, den eigenen Einsatz während aufeinander folgender Bietrunden mit Machtpunkte zu erhöhen oder zu versuchen, andere Häuser mittels Geldgeschenken ins eigene Boot zu holen. Die Abstimmung gewinnen am Ende diejenigen Häuser, die für ihre Entscheidung die meisten Machtpunkte vorweisen können. Anschließend wird die Dilemmakarte umgedreht, die Story weitererzählt und die Auswirkungen der Abstimmung abgehandelt.

In den meisten Fällen wirkt sich das Abstimmungsergebnis vor allem auf die Wertung der fünf oben genannten Ressourcen und damit direkt auf die Stabilität des Königreiches aus. Es kann aber auch sein, dass Langzeitereignisse eintreten oder aber bestimmte Geschehnisse getriggert werden. Auf diese Weise kommen z. B. neue Umschläge mit Karten ins Spiel. Diese werden geöffnet, die Geschichtenkarte vorgelesen und die Dilemmakarten in den Dilemmastapel eingemischt, von dem in der nächsten Runde wieder eine neue Karte gezogen wird. Wurde das Ende der Partie ausgelöst, werden die Punktestände der einzelnen Spieler berechnet und in die Chroniken des Königreiches eingetragen.

Manchmal initiieren bestimmte Karten vom Dilemmastapel das Aufkleben von Mysteriumsstickern.  Sobald der sechste dieser Sticker aktiviert wurde, endet die Kampagne und die abschließenden Ereignisse werden offenbart.

Spieletester

17.11.2020

Fazit

Kings Dilemma ist ein Story-getriebenes Legacy Spiel mit einigen Rollenspiel-Elementen. Aber was für eines! Die Dilemmas sind wahrliche Mördergruben, denn egal für welche Antwort und welchen Weg sich die Spieler entscheiden, wird dadurch meist eine zukünftige Möglichkeit verbaut. Zudem werden die Spieler permanent vor hammerharte moralische Entscheidungen gestellt, die man ohne Probleme aus dem Mittelalter-Setting heraus in die heutige Zeit transportieren könnte. Es geht um Religionsfreiheit, Migration, Kunstraub und viele, viele andere Probleme, bei denen es infolge der Story meistens kein Schwarz und Weiß, sondern nur Grau gibt und bei welchen man auch immer die zweite Seite der Medaille beachten sollte. Zudem sollen und dürfen die Spieler natürlich nicht ihren persönlichen moralischen Werten folgen, sondern sind nur denen ihres jeweiligen Hauses verpflichtet.

Dieser Grundgedanke von Kings Dilemma muss jedem Spieler von Anfang an klar sein klar sein und sie müssen ihn akzeptieren, um den vollständigen Spielgenuss erleben zu können. Das bedeutet aber auch im Umkehrschluss, dass die richtige Zusammensetzung der Spielgruppe sehr wichtig ist. Und noch ein Punkt sollte beachtet werden: Um den Fortgang der Story bestmöglich verfolgen zu können, sollte es zwischen den einzelnen Partien keine extrem großen Pausen geben.

Bei Kings Dilemma fällt ein Nachteil der meisten Legacy-Spiel nicht so stark ins Gewicht. Hier können Spieler durchaus für eine Partie aussetzen oder durch neue Spieler ersetzt werden, die damit wiederum neue Häuser und Facetten ins Spiel bringen. Ein zu häufiger Wechsel der Mitspieler macht die Geschichte in ihrer Gesamtheit allerdings deutlich schwerer erlebbar. Es liegt also an der jeweiligen Gruppe, hier den goldenen Mittelweg zu finden.

Jede Kampagne ist durch die Entscheidungen der Spieler in den einzelnen Partien einzigartig. Allerdings werden die Spieler in ihr immer nur einen Teil der möglichen Storypfade erleben. Zudem wird das Spielmaterial während der Kampagne verbraucht und ist aktuell nicht zurücksetzbar.

Experiment gelungen! Kings Dilemma ist eine definitive Empfehlung für alle diejenigen, die Spaß und Interesse an einem atmosphärischen Legacy-Spiel mit einer nicht festgelegten, sich permanent entwickelnden und jederzeit spannenden Story haben, die diskutieren, Entscheidungen treffen und Ränke schmieden wollen, sich aber der weiter oben angesprochenen Einschränkungen bewusst sind.

Geniales Spiel!
Redaktionelle Wertung:

Plus

  • erleben einer epischen Geschichte möglich
  • spannende, vielschichtige und weit verzweigte Storystränge
  • viele Rückschlüsse und Parallelen zu aktuellem Zeitgeschehen

Minus

  • Intensität des Spielerlebnisses hängt von der Gruppenzusammensetzung ab
  • teilweise müssen moralisch schwierige Entscheidungen getroffen werden
  • die einzelnen Partien sollten möglichst rasch hintereinander gespielt werden, um den Fortgang der Geschichte erleben zu können
  • nur ein Teil der möglichen Storywege ist erlebbar
  • Material wird verbraucht, nicht zurücksetzbar
  • Spielregel trotz Bebilderung und Beispielen insgesamt unübersichtlich

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 3 bis 5
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: 65,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2019
Zubehör:

1 Spielregel
1 Spielbrett
75 Umschläge mit jeweils cirka fünf Karten
15 Stimmkarten (fünf x Ja, fünf x Passe, fünf x Nein)
6 Agenda-Karten
1 Stabilitätsmarker
5 Schwung-Marker
5 positive Agenda-Marker
5 negative Agenda-Marker
72 Münz-Marker (in drei verschiedenen Stückelungen)
65 Macht-Marker (in drei verschiedenen Stückelungen)
5 Ressourcen-Marker
12 Ergebnis-Marker
1 Anführer-Marker (Faust)
1 Moderator-Marker (Hammer)
12 Sichtschirme (mit detaillierten Informationen zum jeweiligen Haus)
1 Landkarte (beidseitig bedruckt)
3 Mysterien-Stickerbögen (jeweils mit vier Mysterien-Stickern)
1 Abdeckkarte für Kartenstapel
1 Sticker-Block (mit 177 Chronik-Stickern)

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