Midmoon - The City of Guilds

Wir hatten ja schon diverse Kuriositäten auf dem Spieltisch. Wir denken da gerade etwa an das etwas anzügliche und reichlich, naja, „japanische" Motto Tanto Cuore, das grellbunte 1984: Animal Farm mit seinen abgefahrenen Illustrationen oder auch das erotische Erzählspiel Bacchanalia. Aber auf seine ganz unspektakuläre, aber dennoch rotzfreche Art übertrifft Midmoon – City of Guilds sie alle. Der Versuch eines Tests.
Wo bin ich? Und vor allem, was tu ich hier?

In Midmoon, der Stadt der Gilden natürlich. Die Antwort auf die zweite Frage gestaltet sich schon ein wenig schwieriger. Grundsätzlich kann man feststellen: Wir bauen/vergrößern das Dörfchen Midmoon, bis es eine blühende Metropole wird. Dabei versuchen wir, möglichst viel Einfluss in der Stadt zu erlangen. Dafür gibt es zwei wesentliche Wege, einen legalen und einen... anderen. Unser Einfluss wird direkt mittels Reichtum gemessen, und an den kommen wir entweder durch Handeln oder durch Stehlen. Außerdem können wir Wachen anheuern, um unsere Händler zu schützen und Diebe zu verhaften. Oder wir verlassen uns auf Mörder, die lästige Wachen der Gegenspieler entsorgen. Noch dazu gibt es ganz normale Zivilisten, die zwar selbst im Normalfall kein Einkommen generieren, aber das von Händlern und Dieben als leichte Opfer erhöhen.

Diese Charaktere können wir in Midmoon anheuern und durch die Stadt bewegen. Auch die Stadt selbst bauen wir, und das sogar mit den selben Karten: Auf der einen Seite der Spielkarten befinden sich Charaktere zum Anheuern, auf der anderen Gebäude, die wir bauen können. Hierbei gibt es Rathäuser und Marktplätze, die für alle Spieler zugänglich sind, und kleine und große Häuser, die direkt von einem Spieler besessen werden und die wir benötigen, um Charaktere anzuheuern. Wichtig für die großen Häuser: Der erste darin angeheuerte Charakter eröffnet eine Gilde der entsprechenden Personengruppe, die einen Bonus für alle darin befindlichen Personen dieses Typs verleiht.

Über den Lauf des Spiels geht es nun darum, dass wir unsere Charaktere möglichst gewinnbringend in der Stadt positionieren. So wirft ein Händler etwa an einem Marktplatz mehr Gewinn ab als vor dem Rathaus, ein Dieb wird von benachbarten Wachen gesperrt usw. Das läuft rundenweise ab, wobei jeder Spieler bis zu zwei Karten (egal ob als Gebäude oder als Charakter) spielen kann. Später gibt es eine Bewegungs- und eine Angriffsphase, danach muss jeder Steuern abdrücken. Übersteigen die Steuern das momentane Kapital eines Spielers, droht ein Bankrott und damit ein Ausscheiden aus dem Spiel. Sonst geht es (so ungefähr) in dieser Art weiter, bis keine Karten mehr nachgezogen werden können. Leider war das dann auch schon alles, was wir über Midmoon – City of Guilds sagen können. Etliche Fragen bleiben nicht nur für euch offen, auch wir waren mehr als nur ein paar Mal ratlos – wie genau funktioniert ein Bankrott, was passiert mit Gilden, die verlassen und neu besiedelt werden, in welcher Reihenfolge lukriert man Einkommen und zahlt steuern uvm. Warum wir auf all das keine Antwort haben? Na wegen...

...der Anlei... äh... Abl..? .. oder Um..? Ach, wegen des Sargnagels!

Wie man vielleicht schon subtil zwischen den Zeilen herauslesen konnte, ist das große Fiasko hier die Anleitung. Das ist teilweise auf „klassische" Fehler wie schlechte Strukturierung, uneindeutige Regelerklärung und lückenhafte Darstellung des Ablaufs zurückzuführen, vorherrschend ist aber ein ganz anderes Problem: die Übersetzung. Ab und zu kommt es vor, dass wir uns mit Spielen auseinandersetzen, die beim Regelstudium wirr und nebulös erscheinen, während des Spielens aber Sinn machen. Dann gibt es Anleitungen, die zwar das Spiel ausreichend erklären, dabei aber dermaßen mechanisch-monoton klingen, dass so überhaupt kein Spieltrieb entsteht. Bei Midmoon – City of Guilds scheitert es allerdings an einer ganz rudimentären Sache: dem Verständnis. Die Übersetzung aus dem Russischen ist dermaßen schlecht gelungen, dass wir uns wesentliche Teile des Spiels zusammenreimen müssen. Sprachlich irgendwo zwischen automatischer Google-Übersetzung und ganz derbem Russischer-Wodkahersteller-Englisch angesiedelt, bringt uns das Regelstudium schon sehr ins Schwitzen. Sehr, sehr schade, denn – und das ist der Punkt, warum uns dieser Test ein wenig schwer fällt – was wir verstehen und erahnen, klingt ganz gut! Aber es darf einfach nicht sein, dass ein Spiel auf den Markt kommt, das wir erst mal fertig designen müssen (was ohnehin nur mit ausgeprägtem Verständnis und Gefühl für Gesellschaftsspiele geht), bevor wir es dann wirklich spielen können.

Spieletester

04.05.2016

Fazit

Midmoon – City of Guilds ist ein Beispiel par excellence dafür, wie verheerend eine schlechte Regel ist. In diesem Fall verhunzt es ein eigentlich gutes Konzept (glauben wir zumindest) völlig. Solange keine AUSGIEBIG revidierte Fassung rauskommt, können wir nur jedem von diesem Spiel abraten, der nicht fließend Russisch (inklusive kyrillischem Alphabet) beherrscht. Schade!
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 30 bis 60 Minuten
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Taktik
Zubehör:

1 Regel (zumindest so halbwegs)
1 Einkommensleiste
1 rätselhafter und nicht weiter erklärter Spielplan
40 Marker
80 Spielkarten

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