Aventuria

Kaum ein Rollenspielsystem da draußen ist so altehrwürdig wie Das Schwarze Auge. Und nicht viele andere bedienen sich einer so reichhaltigen Lore bzw. Geschichte wie der deutschsprachige Pen & Paper-Klassiker. Abenteuer in dieser weiten Welt lassen sich ab sofort aber auch ohne viele hundert Seiten lange Regelbücher erleben – mit Aventuria!

Zwei in einem

In Aventuria schlüpfen wir in die Rolle von bis zu vier aventurischen Helden. Zur Verfügung stehen der Zwergenkämpfer Arbosch, die südländische Magierin Mirhiban, der diebische Halbelf Carolan und die (Ganz)Elfin Layariel mit ihrem Bogen. Für jeden Charakter gibt es einen Lebenspunkte-Tracker und ein eigenes Kartendeck mit Ausrüstung und Spezialaktionen.

Was wir mit diesen Helden nun anstellen, hängt vom Spielmodus ab. Denn Aventuria liefert zwei verschiedene Ansätze: Im Abenteuermodus gilt es, gemeinsam vorgefertigte Szenarien zu erfüllen. Der Duellmodus ist genau das, was man sich darunter vorstellt, nämlich ein Duell zweier Charaktere.

Spielerisch tut sich zwischen diesen beiden Ansätzen wenig. Beim Duellmodus sparen wir uns vorerst alles, was mit den Szenarien zu tun hat. Deshalb dient dieser eher dazu, sich mit den grundlegenden Mechanismen vertraut zu machen. Deshalb werden auch wir damit beginnen.

Die Handhabung eines Charakters ist recht simpel. Wer Erfahrungen mit Ressourcenmanagement in Verbindung mit Deckbuilding hat (wie es zum Beispiel bei Magic the Gathering der Fall ist), wird hier problemlos reinfinden. Die Helden und Heldinnen beginnen ein Abenteuer oder Duell immer mit ein paar vorgegebenen Ausrüstungskarten. So hat Layariel etwa zu Beginn bereits einen Bogen. Später können wir unser Arsenal verbessern, mächtige Spezialaktionen lernen oder nützliche einmalige Zauber oder Items verwenden – all das findet sich im Charakterdeck. Allerdings kostet das Ausspielen einer jeden Karte etwas. Um blechen zu können, müssen wir deshalb auch Ressourcen lukrieren. Hier bedient sich Aventuria eines shared pool-Prinzips. Von unseren Handkarten (fünf zu Spielbeginn, am Anfang unseres Zuges ziehen wir immer zwei nach) können wir pro Runde bis zu zwei als Ressource ablegen. Damit können wir ihre Fähigkeiten zwar für das gesamte Spiel nicht mehr verwenden, dafür aber andere Karten damit bezahlen. Sich zu überlegen, welche Karten wir als Ressource ablegen und welche wir als Spielkarten verwenden, ist im Duell bereits die halbe Miete. Der Rest ist dann „nur noch”, die Spielkarten auch richtig anzuwenden.

Was können die Karten? Verschiedenes. Die Ausrüstung ist meistens recht selbsterklärend; Waffen verwunden unseren Gegner, Rüstung schützt uns vor den Angriffen des Gegenübers. Darüber hinaus können wir aber etwa auch Fallen stellen, die im Zug des Gegners aktiviert werden, mit Zaubern unsere Attribute (Nahkampf, Fernkampf, Zauberei) verbessern, um besser zu treffen und vieles mehr. Mit allem was wir haben gilt es dann, die Lebenspunkte des Gegners auf 0 zu kloppen. Dafür können wir pro Runde und Angriffstyp (ebenfalls Nahkampf, Fernkampf und Zauberei) einen Angriff vom Stapel lassen. Wer als letztes noch stehen kann, gewinnt das Duell!

Geschichte schreiben

Der Sprung vom Duell ins „echte Abenteuer ist dann auch gar nicht mehr so groß. Das Handling der Charaktere funktioniert genau gleich. Allerdings kämpfen wir nicht mehr gegeneinander, sondern folgen voll kooperativ einem vom Spiel vorgegebenen Abenteuer. Ein kleines und ein großes in drei Akten sind hier schon enthalten, mehr werden separat in Erweiterungen erscheinen. Die ersten beiden Zusatzabenteuer, „Der Wald ohne Wiederkehr und „Das Schiff der verlorenen Seelen, sind bereits erschienen. Aber was ist anders in den Abenteuern?

Zum einen gibt es lange Textpassagen. Die erzählen die Geschichte des Abenteuers. Außerdem kommen während der Textpassagen immer wieder Proben auf Talente vor. In diesen Momenten würfelt dann jeder Charakter einmal auf z.B. Fährten lesen. Mehr als ein Würfelwurf ist das zwar wirklich nicht, für die Atmosphäre sind die Proben aber doch interessant, denn unser Abschneiden dort hat direkte Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des Abenteuers. Haben wir zum Beispiel dabei versagt, die Spuren richtig zu verfolgen, könnte der nächste Kampf schwieriger werden, weil wir nicht einen Teil der Gegner bereits im Vorhinein unschädlich machen konnten.

Womit wir beim anderen großen Punkt sind: Kampf. So gut wir auch würfeln, irgendwann werden wir einen Konflikt vom Zaun brechen. Im Abenteuermodus werden die Kämpfe aber natürlich nicht gegeneinander, sondern gemeinsam gegen das Spiel geführt. Jeder Kampf hat dafür eine im Abenteuer vorgegebene Siegbedingung.

Im Abenteuerkampf liegen unsere Kontrahenten in der Mitte des Tisches. Von menschlichen Soldaten über gerüstete Skelette bis hin zu Orkschamanen ist die Spannweite dabei recht groß. Das Grundprinzip ist aber immer das gleiche: Jede Gegnerkarte hat eine Liste mit verschiedenen Aktionen aufgedruckt. Jede Aktion ist dabei einem bestimmten Zahlenbereich zwischen 1 und 20 zugeteilt. Ist nun dieser Feind an der Reihe, würfeln wir einen zwanzigseitigen Würfel. Jene Zahl, die wir dabei erwürfeln, gibt die Aktion vor, die der entsprechende Gegner in dieser Kampfrunde ausführt.

Eine zweite bestimmende Größe ist die Zeit. Für jeden einzelnen Kampf liegt eine spezielle Zeitkarte bereit. Während im Kampf die Zeit vergeht, können uns diverse Nebeneffekte das Leben nochmal erschweren. So könnte etwa nach fünf Kampfrunden ein Ritual abgeschlossen sein, was mehr Gegner auf den Plan ruft. Oder ein besonders mächtiger Rivale hat es nach sieben Runden so satt, dass er zum Berserker wird und fortan deutlich härter zuschlägt.

Mit solchen Widrigkeiten kämpfend vergehen die Konfrontationen rundenweise. Erfüllen wir die Siegbedingung, ist entweder das Abenteuer beendet oder aber die Geschichte geht weiter. Verlieren tun wir Helden dann, wenn einer von uns stirbt. Die Stories sind dabei durchaus unterhaltsam geschrieben und mit Verweisen auf die Rollenspiel-Wurzeln gespickt (jeder, der einmal DSA gespielt hat, wird eine „Orknase” kennen oder den Zauber „Blitzdichfind im Kopf haben). Allerdings ist mit nur einem Tutorial und einem „echten Abenteuer recht wenig Storyinhalt geboten.

Spieletester

12.03.2017

Fazit

Einige Dinge gelingen Aventuria weniger gut. Die interaktiven Momente im Abenteuer sind auf einzelne Würfelwürfe begrenzt, was die grundsätzlich guten Storys weniger immersiv macht. Außerdem bietet das Grundspiel schlicht und einfach wenig Inhalt was die Abenteuer angeht. Der Fokus der Autoren lag hier eindeutig auf dem Kampf, der ist auch das Kernstück des Spiels geworden.

Das Kampfsystem als solches funktioniert hervorragend, der shared pool „Ressourcen – Spielkarten ist ein trickreicher Kniff. Auch die Referenzen auf den großen Rollenspiel-Vater machen Spaß. Vom Spielgefühl kann man sich in etwa ein kooperatives und deutlich abgespecktes Magic the Gathering ohne Deckbuilding, dafür mit durchgängiger Story vorstellen. Trotzdem hätte ich mir von einem Spiel, das sich einer so reichen Lore bedient und in einer so gut ausgebauten Welt wie Aventurien spielt, mehr Atmosphäre und Abwechslung gewünscht. Aventuria macht Spaß und ist vor allem für DSA-Veteranen ein lohnenswerter neuer Zugang, bleibt aber letztlich hinter dem zurück, was es hätte sein können. Ob und wie die Erweiterungen hier noch einen Trend nach oben bewirken können, bleibt abzuwarten.

Redaktionelle Wertung:

Plus

  • neuer Ansatz zu DSA
  • funktionierende, eingängige Kampfmechanik

Minus

  • wenig storytechnischer Inhalt
  • interaktive Momente im Abenteuer beschränken sich auf den Kampf

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 45 bis 180 Minuten
Preis: 40,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2016
Grafiker: Nadine Schäkel
Zubehör:

1 Regel
4 Heldenmarker
4 Lebenspunkte-Anzeiger
128 Heldenkarten
9 Schicksalsmarker
4 sechsseitige Würfel
4 zwanzigseitige Würfel
29 Abenteuerkarten
50 Schergenkarten
14 Belohnungskarten
29 Spezialkarten
56 Lebenspunkte-/Abenteuermarker
10 Zeitmarker
6 Verderbensmarker
1 Startspielermarker
1 Block mit Heldendokumenten

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