Roter November

Irgendwie hatten wir schon seit Langem kein Kooperationsspiel mehr, oder? Naja, auch die längsten 24 Stunden gehen mal vorbei...


Das experimentielle Gnom-U-Boot Roter November (Ihr wisst schon, das mit Sean Gnommery als Gnommander, auf das die Gnometunion Jagd macht *in Deckung geh*) ist in Seenot geraten. An allen Ecken und Enden kommt das Wasser rein, in anderen Teilen des U-Bootes brechen wenig erfreuliche Brände aus, und damit der Crew nicht langweilig wird, lauert auch noch ein Riesenkrake irgendwo 20.000 Meilen unter dem Meer. [Memo an mich selbst: Hör' SOFORT auf, auf irgendwas anzuspielen !!! *patsch*] Bis zur Rettung muss das U-Boot nur eine gewisse Zeit überleben, und genau das zu bewerkstelligen ist die Aufgabe der Spieler.


Was tun bei Seenot:

Die Spieler übernehmen - man glaubt es kaum - die Rolle der U-Boot-Crew. Es gilt, je nach Spielerzahl 46-60 Minuten lang nicht zu sinken, in die Luft zu fliegen, vom Kraken gefressen zu werden oder sonst irgendwie das Suppenbesteck abzugeben. Gottlob bedeutet das im Spielekontext nicht, dass die Spieler 46-60 Runden überleben müssen. Das Ganze funktioniert nach einem ausgeklügelten System:

Auf dem Spielplan befindet sich eine Kramerleiste mit 60 Feldern, die die Minuten repräsentieren. Jeder Spieler erhält für diese Leiste eine Figur, und zudem gibt es eine neutrale, in weiß gehaltene Figur, den sogenannten Geisterzeitmarker.

Es ist immer der Spieler an der Reihe, der in der Zeitleiste am weitesten hinten steht (also auf der geringsten Minutenzahl). Wenn sich nun dieser Spieler im U-Boot von einen Raum in einen anderen bewegt und/oder eine Aktion durchführt, verbraucht dies eine gewisse Anzahl an Minuten. Er zieht den Geisterzeitmarker von seinem derzeitigen Feld aus um die entsprechende Anzahl an Feldern weiter. Sobald der Zug des Spielers zu Ende ist, zieht der Zeitmarker des entsprechenden Spielers auf der Leiste so lange um je 1 Feld weiter, bis er das Feld mit dem Geisterzeitmarker erreicht hat, und danach ist der Spieler an der Reihe, der nun auf der Leiste am weitesten hinten steht.

Das Problem dabei ist, dass auf der Zeitleiste mindestens jedes drittes Feld einen roten Stern trägt, und der bedeutet nicht "1. Mai" oder "Ich muss Kapitalismus zerstören" [Ich habe gesagt, keine solchen Anspielungen mehr. Warum hör' ich nur nie auf mich... *patschpatsch*], sondern es bedeutet: Ziehe eine Ereigniskarte. Und das einzig positive Ereignis in diesem Spiel ist: "Atempause - Es passiert nichts." Alles andere sind Katastrophen wie Wassereinbrüche, Maschinenschäden, Brände oder ähnliches.

Dem können (und müssen) die Spieler offensiv begegnen: Der Spieler, der so etwas reparieren möchte, muss im entsprechenden Raum stehen und die Minutenzahl angeben, die er für diese Reparatur verwenden will, und zieht diese Zahl mit dem Geisterzeitmarker. Danach würfelt er mit dem 10-seitigen Würfel. Bleibt er unter oder gleich dem Wert der angesagten Minuten, ist der Schaden repariert, andernfalls bleibt alles beim Alten.

Um diese Reparaturen besser durchführen zu können, erhalten die Spieler auf bestimmten Feldern oder in bestimmten Räumen des U-Bootes Gegenstände, die die Würfelchance erhöhen. Einer dieser Gegenstände ist aber auch der Grog: Er erhöht zwar bei jeder Reparatur die Chancen, aber auch den Betrunkenheitsgrad des Gnomes. Bei jedem Konsum muss der Spieler einen Test machen, ob sein Gnom bei Bewusstsein bleibt oder ins Grogkoma fällt. Das kostet nicht nur 10 Minuten (und damit viele böse Ereignisse), sondern der Spieler ist bis zum Wiedererwachen auch vollkommen inaktiv.


Was kann nun alles passieren:

Feuer: Brennende Räume sind ohne Feuerlöscher oder Grog unpassierbar und bedeuten für Gnome, die das Feld nicht verlassen können, den Tod. Feuer breitet sich durch die Karten schnell aus und verzehrt zudem Sauerstoff. Für den Sauerstoff gibt es eine eigene Leiste mit Marker, der nicht am Ende ankommen darf.
Wassereinbruch: Einbrechendes Wasser löscht zwar prinzipiell Feuer in einem Raum, aber bringt eben auch verzwickte Probleme mit sich: Wasser gibt es in zwei "Wasserständen": Niedrig und Hoch. Niedriger Wasserstand verlangsamt nur Bewegungen und Aktionen um 2 Minuten, Hoher Wasserstand aber macht den Raum unpassierbar und kann Gnome, die den Raum nicht verlassen können, ertrinken lassen.
Wenn man eine Luke zu einem Raum mit Hochwasser zu einem Raum ohne Wasser öffnet, verteilt sich das Wasser am Boden der beiden Räume.
Blockierte Luken: Solange die Spieler nicht rohe Kräfte walten lassen, kann eine blockierte Luke nicht benützt werden.
Schäden am U-Boot: Der Motor oder der Reaktor können Schaden nehmen. Genau wie der Sauerstoff gibt es eine eigene Leiste mit Marker, der nicht am Ende ankommen darf.
Zerstörungen: Für diese Ereignisse (wie zum Beispiel Torpedos, die sich von selbst lösen) wird ein Marker auf einem Feld der Zeitleiste platziert. Spieler, die sich auf der Zeitleiste noch vor diesem Marker befinden, können versuchen, die Katastrophe zu verhindern. Sobald alle Spieler den Marker passiert haben, wird die Roter November zerstört.
Der Riesenkrake: Er kommt erst ins Spiel, wenn der Ereignisstapel das zweite Mal durchgespielt wird. Der Krake funktioniert wie eine Zerstörung, doch ein Spieler benötigt einen Taucheranzug, um das Boot zu verlassen, und den Kraken bekämpfen zu können.

Wenn die Roter November nach der angegebenen Minutenzahl nicht zerstört ist, wird die Besatzung gerettet, und die Spieler haben das Spiel gewonnen. Wenn man aber eine fiese Möpp ist, kann man sich in den letzten 10 Minuten mittels Taucheranzug absetzen und so hoffen, als Einziger zu überleben. In diesem Fall gewinnt dieser verräterische Schweinehu... äh, T'schuldigung, dieser Spieler, wenn die Roter November zerstört wird.



Spieletester

25.04.2009

Fazit

Wie schön, dass die fleißigen Schreiberlinge des Kooperationsgenres offenbar noch nicht am Ende Ihrer Ideen angelangt sind:

2008 explodierte das von Reiner Knizias Der Herr der Ringe ins Leben gerufene Genre förmlich. Mit Unterweltgeistern, außerirdischen Raumschiffen, bösen Monstern und verräterischen Stadtältesten bekamen es die Koopspieler zu tun, und das Genre konnte mit Der Hexer von Salem auch seinen ersten wirklich großen Flopp verzeichen. Bruno Faiduttis und Autorenneuling Jef Gontiers "Schicken wir unsere Spieler mal auf's U-Boot"-Genrebeitrag ist definitiv kein solcher: In der wahrscheinlich auf den Zentimeter ausgemessenen Minischachtel verbirgt sich - ich werf' mal die Gebetsmühle an - wieder einmal eine Genreperle des an Höhepunkten reichen Genres (Schon erwähnte Ausnahme und das meiner Meinung nach auch schwerst überschätzte Arkham Horror nicht mitgezählt).

Das "Minutensystem" schafft es, für die nötige, hektische Stimmung zu sorgen, wird dadurch unterstützt, dass sich die bösen Feuer- und Wassermarker schneller auf dem Spielplan verbreiten als die Spieler "Schiffbruch" sagen können, und hat zudem auch einen nicht unbeträchtlichen "Noch nie dagewesen"-Bonus. Dabei haben die Autoren aber auch nicht vergessen, den Spielern die nötigen strategischen und taktischen Möglichkeiten zu geben: Wird zum Beispiel eine Luke blockiert, bestimmt zwar Kommissar Zufall den betroffenen Raum, doch die Spieler wählen die blockierte Luke aus.

Was den Schwierigkeitsgrad angeht: Stress, Stress und Stress pur !!! "Roter November" ist im positiven Sinne arm an Ruhepausen (und damit bar jeden Leerlaufes). Langweilig wird es den Spielern hier nie. Und damit hat das Spiel sein Hauptziel (sowie das Hauptziel des Mediums "Spiel" an sich) erreicht. 


Die Anleitung bietet zudem noch drei interessante Varianten: So kann man sich die Schwierigkeit erhöhen, es gibt eine Regelvariante, die verhindert, dass ein Spieler endgültig aus dem Spiel ausscheidet, und eine Variante, in der sich die Spieler den Ausrüstungsgegenstand "Brecheisen" um die Ohren dreschen können, um sich Gegenstände zu stehlen. Das begünstigt natürlich die "Ich setz' mich ab" - Regel...


Die englische Fassung ist bei Fantasy Flight Games erschienen.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

jumpwalker | 04.12.2011

Die winzigen Karten und Mikroben-Gegenstandsmarker sowie das Miniminimini-Spielbrett (alles zusammen hatte in der "kleinsten Spieleschachtel ever" dennoch kaum Platz)gehören endlich der Vergangenheit an: der Heidelberger Spieleverlag hat "Roter November" dankenswerterweise im 2. Halbjahr 2011 neu aufgelegt: deutlich größerer Spielplan, deutlich größere Ereigniskarten und anstelle von Gegenstandsmarkern gibt es nun auch dafür Handkarten (die auch gleich die Funktionsweise des Gegenstandes erklären)! Uneingeschränktes Koop-Spielvergnügen garantiert - diesmal auch ohne Lesebrille!

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 3 bis 8
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: 18,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2008
Zubehör:

1 Spielplan
8 Gnomfiguren
3 Marker für die Desasterleisten
9 Zeitmarker
54 Gegenstandsmarker
10 Flut- und Feuermarker
4 Zerstörungsmarker
15 Blockierungsmarker
8 Gnomkarten
56 Ereigniskarten
1 10-seitiger Würfel
1 Spielanleitung

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