7 Ages

Wie die Tragödie begann...

Vom Regal des Spielegeschäftes leuchtet sie herab: Eine relativ kleine Schachtel, rot, mit stolzem Segelschiff und dem martialischen Schriftzug "7 Ages - 6000 Years of Human History". Kann man als jahrelanger History of the World-Spieler daran vorbeigehen? Eben. Doch dann: Der Preis !!! 89 Euro !!! NEUNUNDACHZIG EURO !!! Was ist da drinnen? Karten aus Gold? Figuren aus Platin? Ist das Ding mit Sauna und Solarium ausgestattet? Warum ich "7 Ages" trotz des horrenden Preises dann doch ins Blaue hinein gekauft habe, habe ich bis heute nicht wirklich verstanden... 89 Euro für ein unbekanntes Spiel. Das war's dann wohl mit dem Traum vom Zweitwagen.

Öffnet man daheim die Schachtel, kommt bereits das böse Erwachen: Dem stolzen Käufer fliegen zusammen mit gefühlten huntertausend Miniplättchen ein Papierplan entgegen. Ein PAPIERPLAN !!! Okay, ich korrigiere: ZWEI PAPIERPLÄNE, die man aneinanderlegen muss. Bei einem Spiel um 89 Euro ist "indiskutabel" dafür ein zu schwacher Ausdruck. Man muss es als ernsthafter Rezensent zugeben: Unterbewusst hatte das Spiel ab diesem Zeitpunkt eigentlich keine Chance mehr. Nur bei DEM Preis (ich reite darauf herum !!!) WILL man das Spiel einmal mögen. Naja, die Haltung "Das Spiel MUSS gut sein, das MUSS mir gefallen." hat sich nicht mal bei Betrayal at House on the Hill sehr lange halten können, und das ist ein Spiel, das genau in meinen Themenbereich fällt.

Gut, nachdem man mal die Plättchenflut eingedämmt (eine genaue Anzahl an Plättchen der Größe 5x5mm - zumindest gefühlt, ich hab nicht nachgemessen - verschweigt der Verlag wohlweislich, daher auch die Materialangabe "Unzählige"... ich werd' sicher nicht nachzählen, keine Chance !!!), die Anleitung durchgelesen und sich durch eine Sonderregelflut geackert hat, die Der Herr der Ringe - Der Ringkrieg wie ein mittelschweres Kinderspiel aussehen lässt, hat man eine ungefähre Vorstellung davon, wie sich der Autor vorgestellt hat, wie's gehen soll:



Das Spiel:

Der Aufbau mutet prinzipiell von der Idee her extrem simpel an: Jeder Spieler kann mehrere Völker mit speziellen Siegbedingungen führen, und somit versuchen, Siegpunkte zu machen, indem man die Stärken der Völker nützt. Dargestellt sind diese Völker durch Karten, auf denen die speziellen Fähigkeiten und historisch richtigen Startplätze angegeben sind. Die Karten können aber auch noch als Zahlenwertkarten bei Handelsduellen oder als Ereigniskarten eingesetzt werden.

Auf dem Plan gibt’s einen Progress-Track, der zeigt, wie weit die Völker entwickelt sind, welche Einheiten demnach bereits gebaut werden dürfen, und in welchem Zeitalter sich die Völker gerade befinden. Der Track zieht durch 7 Zeitalter und endet in der Gegenwart. Jeder Spieler verfügt über eine begrenzte Anzahl von Völkern, die er gleichzeitig steuern kann, und die jeweils unterschiedliche Aktionen durchführen. Diese Aktionen können Glorypunkte bringen, die am Ende über den Sieg entscheiden.

Eine Runde zieht sich über mehrere Phasen. In diesen Phasen kann der Spieler Karten ausspielen, um damit neue Reiche zu errichten. Man kann Einheiten produzieren, kann mit einer anderen Zivilisation ein "Handelsduell" ausrufen, dessen Sieger Fortschrittspunkte kassiert, seine Einheiten bewegen und damit diverse Feldzüge starten, Städte, Monumente und Weltwunder errichten oder eine Zivilisation verschwinden lassen. Zu Beginn jedes Spielzuges verteilt der Spieler diese Aktionen in Form von Aktionsmarkern auf seinen diversen Völkern. Es muss nicht jedes Volk eine Aktion setzen und es muss nicht jede Aktion genützt werden (wär’ auch grausam, jede Runde ein Volk ablegen zu müssen). Ein Marker erlaubt es, eine Aktion doppelt auszuführen, doch das behindert den Fortschritt.

Wie sich's gehört bringen alle Monumente natürlich Vorteile im Spiel. Zudem hat "7 Ages" auch noch das Element der gesellschaftlichen und politischen Aufwertungen z.B. als Regierungsformen oder Religionen eingebaut (über den Faschismus hat man sich aber auch in diesem Spiel nicht drübergetraut; dafür gibt "Just Rule"). Zudem gibt es Vorteile, wenn ein eigenes Volk den Papst stellt, zum Mond fliegt, erfinderische Durchbrüche schafft usw..

Für seine Völker kann jeder Spieler außerdem noch "Leader" aktivieren: Frauen und Männer, die dem Volk, dem sie angehören, gewisse Vorteile bringen. Das beschränkt sich nicht auf Feldherrn und Könige, es gibt Künstler, Wissenschaftler, religiöse Führer und noch ein paar Sparten mehr.

Das Spiel endet, wenn ein Volk 50 Progress-Punkte erreicht oder das Internet entwickeln.




Spieletester

27.12.2008

Fazit

Bevor wir uns den Problemen dieses Spieles zuwenden, möchte ich auf das eingehen, was ich für die prinzipiell gute Idee dieses Spieles halte, und das sind die unterschiedlichen Siegesbedingungen der einzelnen Völker. Dieses Element sorgt nicht nur für historischen Realismus (auch wenn ich mich nach wie vor frage, warum zumindest laut "7 Ages" das Auftreten von Jesus Christus nichts mit der Entstehung des Christentums zu tun hat), sondern für vielfältige Möglichkeiten, Punkte zu machen.

Leider aber ertrinkt dieses Spiel förmlich in Problemen, und denen wollen wir uns jetzt einmal widmen:

Ein Spiel wie dieses könnte mit einem Minimum an Regeln auskommen, böte dann mit Sicherheit interessante Partien und wäre damit eine sehr brauchbare Alternative zu "History of the World". Könnte, böte, wäre... Harry Rowland überfrachtet sein Spiel hoffnungslos. Es klingt wie ein Hohn, wenn er in seinen persönlichen Anmerkungen meint, dass er das Grundgerüst von "7 Ages" auf einem Zettel der Größe einer Kreditkarte notiert hat. Was ist daraus geworden: Ein Spiel, das SIEBEN Sonderregeln alleine für die Bewegung von Schiffen braucht. Und wozu brauche ich in so einem Spiel bei Schlachten eine Regel für erste und zweite Kampfreihe? Das geht einfacher... und besser. 

Dass die Anleitung von "7 Ages" dennoch nur 12 Seiten umfasst (Markererklärung exklusive), liegt schlicht daran, dass wichtige Dinge des Spieles einfach nicht erklärt werden. Ein Beispiel: Stirbt ein Leader, wenn seine Zivilisation ins nächste Zeitalter geht? Die Logik sagt "Ja", die Anleitung sagt GAR NICHTS und die (inzwischen von der Seite genommene und seinerzeit sehr... ähm... umfangreiche) FAQ der Australian Design Group sagte "Guess". Das nenn' ich mal eine kundenorientierte Auskunft.

Gut, verlassen wir nun aber mal den Bereich der Regeln. Als jemand, der vor einigen Jahren die große Freude hatte, sich durch Rise and Decline of the Third Reich ackern zu dürfen (Ihr setzt Euch die Ironie-Tags bitte selbst, okay?), wage ich beurteilen zu können, dass für Historical Gamers "7 Ages" als mittelschweres Familienspiel durchgeht. Wenden wir uns also dem größten Hammer des Spieles zu, und das ist die Ausstattung:

Die Weltkarte von 7 Ages ist auf einem Papierplan gedruckt, was bei dem Preis schon mal einer Käuferverhöhnung gleichkommt, mit der man aber mit viel Toleranz noch leben kann. Die goldene Gurke aber verdient die Australian Design Group mit den Plättchen, die Leader, Gebäude, Erfindungen und Systeme zeigen: Die sind nämlich beidseitig bedruckt. Sie dienen als entsprechende Person, Gebäude oder Entwicklung, aber auch als Festung, Elite- und Disorder-Marker. Diese sind "Allgemeine" Marker, die das ganze Spiel über von jedem Spieler gebraucht werden. Netterweise hat man zwar auf der Seite mit Fort, Elite und Disorder draufgeschrieben, in welchem Zeitalter die Rückseite verwendet wird, aber Fluchen während einer vergeblichen Suche nach einer Marker, den man verwenden kann, feiert Urstände. Daneben kann es passieren, dass man verzweifelt nach Königin Cleopatra sucht, und nicht ahnt, dass die Dame als Fortress in China liegt. Wenn dann noch Empires über mehrere Zeitalter hinweg existieren und dabei Fortresses und Elitemarker halten, geht der Spaß so richtig los. 

Warum, liebe Australian Design Group, konnte man keinen eigenen Satz mit Forts, Eliteorden und Disorders machen? Und für jeden Spieler eine Übersicht gleich dazu, denn alle Weltwunder, Gebäude, Leader etc. etc. sind haarklein in der Anleitung erklärt… aber davon gibt’s eben nur eine, und so wandert das Ding im Minutentakt um den Tisch. Fehler wie diese dürfen bei einem Spiel dieser Preisklasse (89 Euro !!! … „Zahlen Sie bar, in Raten oder in Immobilien…“) einfach nicht passieren. 

Somit kommen wir zu den berühmten Letzten Worten, und die überlasse ich diesmal einem User von Boargamegeek.com. Dazu muss man wissen, dass die Schachtel einen fulminanten Druckfehler aufweist: Sie gibt als Spiellänge nämlich "7 Minuten" an. Als darauf hingewiesen wird, dass das ein Fehler sein dürfte, meinte ein User:

"Open the box. Take out and scan the abortion of a rulebook. Put rulebook back in box. Close box. Create eBay auction for 7 Ages. 7 minutes. Tops." 

(Schachtel öffnen. Den Missgriff von Anleitung nehmen und durchlesen. Anleitung in die Schachtel zurücklegen. Schachtel schließen. e-bay-Auktion für "7 Ages" eröffnen. 7 Minuten. Passt.)
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 7
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 270 Minuten
Preis: 89,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2004
Genre: Strategie
Zubehör:

2teiliger Spielplan
6 Sets an Markern
110 Karten
Unzählige Spielplanmarker
1 Spielanleitung

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