Vintage

Portwein ist nicht jedermanns Sache. Rotwein, noch dazu qualitativ guter wie er im portugiesischen Douro-Tal gekeltert wird, wird durch Weinbrandzugaben während der Fermentation veredelt. Dabei steht die Bezeichnung Vintage Port für die bestmögliche Qualität und repräsentiert ein exzellentes Produkt. Entgegen der weitläufigen Meinung bedeutet die Bezeichnung Vintage nicht, dass der Wein 20 Jahre alt ist, sondern dass der Wein aus einem Jahr mit hervorragender Erntequalität stammt.
Wird mir der Vintage Port (der Firma Niepoort) von MesaBoardGames munden?

Die Spielregel ist zweigeteilt. Von vorne gelesen lernt man die einfache Version, von hinten gelesen danach die normale Version. Wenn schon eine Einstiegsversion vorhanden ist, nutzen wir diese Möglichkeit auch und starten – wie so oft - mit der 2-Personen-Variante. Wir trennen das Material, einerseits entfernen wir die Zutaten für Spieler 3 und 4, andererseits auch alles, was für die einfache Version nicht nötig ist. Dazu gehören 3 Traubensorten, das alte Weingut, je 3 Aktionsmarker und die Aufseher, die Weinbrandfässer und 3 Erntebonus-Marker. Zudem verwendet man die Aktionskarten mit braunem Rand und die einfache Seite des Spielplans.
Es fehlt also ganz schön viel…
Der Spielplan zeigt das Tal des Douro mit den 3 Regionen Baixo Corgo, Cima Corgo und Douro Superior. Jede Region hat Platz für 4 Weingüter und hat einen kleinen Hafen am Douro, in dem gekelterte Fässer auf Schiffe geladen und dann flussabwärts zum großen Hafen nach Vila Nova de Gaia transportiert werden. Dort angekommen werden die Fässer im Keller verstaut, altern vor sich hin und werden dann gegen Siegpunkte (VP steht hier für Vintage Points und nicht für Victory Points) verkauft. Vor dem Keltern steht allerdings der Weinanbau, noch davor der Kauf von Weingütern. Eines bekommt man am Spielbeginn gratis, 2 weitere kann man um erworbene VPs kaufen. Mit drei VPs startet man, hat also schon in der ersten von 6 Runden die Möglichkeit, ein weiteres Weingut zu kaufen. Dafür setzt man einen seiner Aktionsmarker – wir haben es also wieder einmal mit einem Aktionsmarker=Worker Placement Spiel zu tun – auf die Aktionsleiste und führt die Aktion aus. Ebenso baut man Wein an, erntet, transportiert den Wein mit dem Schiff und lässt den Wein altern. Auch Aktionskarten erwirbt man auf diese Art und Weise vom verdeckten Stapel. Mehr als drei darf man nicht haben, es ist aber erlaubt, in einem Zug beliebig viele zu spielen. Alle Aktionen kosten in der Einsteigerversion genau einen Aktionsmarker, das Schiff zieht pro Marker würfelgesteuert 1 bis 3 Etappen. Dabei bedeutet eine Etappe flussaufwärts bis zum nächsten Hafen, flussabwärts soweit man will. Die Aktionskarte mit 4 Etappen bringt Sicherheit, wenn man ausgehend vom Hafen in Vila Nova de Gaia alle drei kleinen Häfen abklappern und voll beladen wieder zurück nach Vila Nova will.
Die Aktionskarten sind generell sehr mächtig und in der Einsteigerversion ist es ratsam, stets das Handkartenlimit aufzufüllen. Das ist billig - es kostet nur einen Marker - und rentiert sich ziemlich sicher, alle Aktionskarten sind sehr positiv!
Der Startspieler muss die erste Runde mit einem Aktionsmarker weniger beginnen. Die Notwendigkeit, einen Startspielervorteil in der Einsteigerversion auszugleichen, haben wir nicht gesehen und kann getrost weggelassen werden. Alles kostet gleich viel und es gibt speziell in den ersten Runden so gut wie kein Gedränge auf den Aktionsleisten.
So einfach sich Vintage in dieser Version präsentiert, so sehr erschwert die Regel den Zugang. Zusätzlich hemmen ein paar Übersetzungsfehler die Lernkurve. Aber nicht nur das. Die Endwertung kippt das ganze Spiel.
Eine kleine Kosten-Nutzen-Rechnung:
Für die Produktion von Wein braucht man 2 verschiedene Rebsorten in einem Weingut. Das kostete 2 Aktionen. Man muss ernten (1 Aktion), die Fässer zum Hafen bringen (mindestens 1 Aktion), die Fässer altern (1 Aktion) und bekommt dann (vielleicht) gleich auch VPs. In einem Weingut in der mittleren Region Cima Corgo (der Kauf kostete 1 Aktion und 4 VPs) bekommt man pro Ernte 3 Fässer Portwein. Die beiden Traubensorten sind, ungeerntet, bei der Schlusswertung 4 VPs wert, weil das Weingut 4 VPs kostete. Kaum geerntet, bringen die 3 Fässer für sich keine Punkte. Lediglich bei der Schlusswertung bringen 4 Fässer, egal wo sie sich befinden, einen VP. Nach dem Transport und der Alterung (1 Aktion) bringen 3 Fässer etwa 3 VPs.
Zusammenfassung:
Durch Ernte, Transport und Alterung sinkt der Wert von der Traube zum Portwein von 4 auf 3 VPs.
Wozu also das alles?
Die Endwertung lässt das Ziel, die Portweinproduktion, sinnlos werden.
Ebenso sinnlos ist auch die einfache Variante.
Sie führt nicht wirklich in das Spiel ein, sondern nährt nur das Gefühl, das Spiel wird auch in der Standardversion nicht "vintage" sein.

In der Standardversion hat jeder Spieler 6 Aktionsmarker und den Aufseher zur Verfügung. Der Aufseher ersetzt dabei bis zu 4 Aktionsmarker, was immer wieder sehr brauchbar ist. Die Kosten einer gewünschten Aktion steigen nämlich mit jedem Spieler, der diese Aktion vorher schon nutzte, von einem Aktionsmarker bis zu vier Markern. Daher ist der Ausgleich des Startspieler-Vorteils durch einen Marker weniger in der ersten Runde – bei vier Spielern trifft es auch den zweiten Spieler - hier durchaus gerechtfertigt.
Die Weingüter sind gleich angeordnet wie auf dem einfachen Spielplan, sie ermöglichen jedoch den Anbau von bis zu 5 verschiedenen Rebsorten. Ab drei Sorten darf geerntet werden. Jede Ernte in einem Weingut erfordert jedoch den Besitz von einem Fass Weinbrand im Lager. Sonst wird Wein daraus und kein Portwein. Man kann jedoch aus einer Ernte auch teilweise Weinbrand und zum anderen Teil Port erzeugen. Erntet man ein Weingut mit 5 verschiedenen Rebsorten gibt es einen Qualitätsbonus, der sich vielleicht in mehr Siegpunkten niederschlägt. Dieser Bonus schlägt sich aber auch in der Endwertung mit einem VP mehr nieder, wenn das Weingut nicht geerntet, sondern voll bepflanzt ist. Das lässt den Sinn der Portweinproduktion, auch in dieser Version, wieder sehr zweifelhaft werden... Damit leidet auch die ganze Spielidee.
Wenn Portwein weniger Wert hat, als die ungeernteten Reben, dann stimmt was nicht im Hause Niepoort.
Verglichen mit der Einsteigerversion spielt man nun 7 Spielrunden, die 4 Aktionskarten pro Runde liegen offen zum Kauf bereit und auch das Spielen einer Aktionskarte kostet einen Marker. Es können pro Runde nur so viele gekauft und gespielt werden, wie Spieler mit dabei sind. Die Spielreihenfolge kann durch Änderung des Startspielers gekippt werden und der Onologe – eine Aktionskarte – hilft den Portwein bis zur Klasse Vintage zu veredeln.
Das Spiel wird insgesamt ein wenig schwieriger und dauert länger, der erhoffte Spielreiz stellt sich aber nicht ein.

Etwas Gutes muss man dem Spiel aber lassen. Mit ein wenig Hintergrundinformationen und auch ins Spiel eingebaute Spezialausdrücke wird dem interessierten Spieler die Welt des Portweins - auch geografisch in Form des Spielplans mit dem Douro-Tal - näher gebracht. Die Qualitätsstufen Vintage und Colheita, die Sorten Ruby und Tawny und auch die Firma Niepoort – das Spiel wurde wohl von Niepoort gesponsert - sagten mir nichts.

Spieletester

24.12.2011

Fazit

Vintage präsentiert sich optisch und vom Spielmaterial her als Spitzenprodukt. Leider kann die deutsche Übersetzung der Spielanleitung nicht mithalten und es bedarf geduldigen Querlesens der englischen und französischen Anleitung, um hinter den Sinn mancher Sätze zu kommen. Auch manche Sonderfälle – darf eine Ernte mehr als 6 Fässer haben? – sind nicht abgehandelt. Die Einsteigerversion tut dem Spiel nichts Gutes. Sie lässt Zweifel an der Sinnhaftigkeit mancher Aktionen aufkommen. Leider bestätigt das Standardspiel diese Befürchtungen. Zu wenige Aktionsmarker zu Beginn, später weiß man nicht mehr, was man mit den Markern tun soll. Es ist schade, aber dem Spiel wird kaum viel Erfolg in der Spieleszene beschieden sein. Zu wertlos (in Vintage Punkten gemessen) ist der schwierig zu erzeugende Portwein verglichen mit den angebauten Trauben! Aber was soll's. Auch mir ist ein guter Blauburgunder oder auch ein Merlot lieber als Portwein, sogar wenn er das Prädikat Vintage trägt.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 100 Minuten
Preis: 35,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2011
Verlag: MESAboardgames
Autor: Gil D'Orey
Genre: Strategie
Zubehör:

Doppelseitiger Spielplan (einfaches Spiel und normales Spiel), 4 Spielertableaus, 36 Aktionskarten für das Einsteigerspiel, 36 Aktionskarten für das Standardspiel, 4 Rabeloboote mit Plastikständern, 4 Wertungsmarker, 4 Sets aus 6 Aktionsmarkern und einer Aufseherfigur, 4 Sets aus je 3 Weingutplättchen, 5 Sets aus je 12 Weingut-Spielsteinen (jede Farbe stellt eine Rebsorte dar), 3 Spielsteine "altes Weingut", 9 grüne Erntebonusmarker, 1 Würfel mit den Werten 1-3, 1 Startspielermarker, 64 Erntequalitätsmarker, 80 Portweinfässer, 12 Weinbrandfässer, Spielanleitung in 6 Sprachen in 6 eigenen Heften (deutsch, englisch, spanisch, italienisch, portugiesisch, französisch)

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