Twilight Struggle - Gleichgewicht des Schreckens

Dieses Spiel ist prinzipiell nur auf Englisch erhältlich. Es gibt eine kleine Auflage einer Deutschen Fassung mit dem Titel „Gleichgewicht des Schreckens“, doch dazu gleich mehr im Eröffnungstext:


Abt. eBay, ich liebe Dich !!!


Regelmäßigen Boardgamegeek.com-Lesern könnte (wenn wir jetzt mal davon ausgehen, dass man den Titel Twilight Struggle nicht mit Christian T. Petersens Monumentalepos Twilight Imperium verwechselt) unser heutiges Objekt der Begierde etwas sagen. Für Non-BGG-Leser (was - das sag' ich jetzt mal so - nur durch mangelnde Englischkenntnisse entschuldigt wird) hier eine kurze Einführung: 
Auf BGG kann jeder User einem Spiel eine Wertung von 1-10 vergeben. Aus diesen Wertungen errechnet BGG einen Durchschnitt, und diese Durchschnittswerte bilden eine Rangliste, woraus sich das derzeit beste und schlechteste Spiel ergibt. In diesem Ranking hatte es sich Twilight Struggle bereits längst unter den ersten 5 gemütlich gemacht, und seit einiger Zeit führt dieses Spiel diese Rangliste nun sogar an [Stand April 2012].

Nun besteht die Userschaft auf BGG zu 80% aus US-Amerikanern (wodurch es umso verwunderlicher ist, dass die Top 5 mit AgricolaPuerto RicoIm Wandel der Zeiten und Funkenschlag fest in europäischer, genauer gesagt in deutscher und tschechischer Hand ist), und das bedeutet, dass so mancher Top-Titel in Europa schwer bis gar nicht habbar ist. Dieser Umstand hat sich durch die Existenz von Amazon und ebay zwar zu unseren Gunsten verschoben, aber (um mal einen Vergleich von Douglas Adams anzupassen) es bedeutet auch nur, die USA ein bisschen erreichbarer zu machen. Um wirkliche US-Kultspiele zu ergattern, muss man schon bereit sein, € 50,- aufwärts zu investieren.

Und damit wären wir bei Twilight Struggle: Dieses Erstlingswerk von 1960: The Making of the President-Miterdenker Jason Matthews sowie Ananda Gupta, dessen Vita bislang [Mai 2009] kein weiterer Spieltitel schmückt, bewegt sich im Genre des Historienstrategers. Doch anstatt wie andere Autoren längst zähflüssige Tümpel wie "Mittelalter", "Römerzeit" oder "Zweiter Weltkrieg" noch mehr zu überfüttern, dürfen die Spieler dieses Titels einen reschen kalten Krieg zwischen der kommunistischen UdSSR und den kapitalistischen USA austragen.

2005 erblickte dieses Spiel das Licht der Welt, und zwar in einem – man muss es leider so sagen – materialmäßig katastrophalen Zustand. Allen voran das Material des Spielplanes hatte das Potential, einem den ganzen Tag zu verhageln: GMT Games mutete uns keinen Papierplan zu, wie es Verlage tun, deren Werke im Geschäft fast doppelt so teuer sind (Ja, ich rede mit Dir, 7 Ages), aber ohne Beschwerern mit dem Gewicht eines mittelschweren Lexikons war es schlicht unmöglich, den verwendeten Karton flach auf den Tisch zu legen. 2009 schließlich, nachdem Twilight Struggle bereits zum Kulttitel avanciert war, griff GMT Games in die Vollen und brachte eine materialmäßig überarbeitete Fassung unters Volk. Und da brach sich ungeahnter Luxus in Form von doppelseitig bedruckten Plättchen oder einem stabilen Spielplan mit fetzigeren Illustrationen Bahn.

2012 machten sich die Enthusiasten von UGG (Udo Grebe Gamedesign) daran, unter dem Titel Gleichgewicht des Schreckens eine deutsche Fassung des Spieles in kleiner Auflage herauszubringen. Dabei begnügte man sich aber rein an der Übersetzung der Kartentexte und der Anleitung, der Spielplan und die Marker sind weiterhin in Englisch gehalten.
Ob man dabei wirklich von einer „Deutschen Fassung“ sprechen kann, darüber mögen sich größere Geister als ich den Kopf zerbrechen, ich möchte jetzt endlich mal zum Spiel an und für sich kommen:


Das Spielprinzip:

Wie zu erwarten verkörpert ein Spieler die USA und einer die UdSSR. Der Hauptmotor des Spieles sind Karten, deren Ereignisse zum Teil auf jeweils eine Großmacht zugeschnitten sind, zum anderen Teil aber auch von beiden Seiten genützt werden können.

Der Spielplan zeigt, wie schon erwähnt, eine Weltkarte, unterteilt in durch Linien verbundene Felder, die die Länder der Erde (bzw. Kombinationen daraus wie etwa "Gulf States") darstellen. Die Aufgabe der Spieler besteht darin, in diesen Ländern Mehrheiten an Einflussmarkern aufzubauen. Einige der Länder sind "Battleground"-Länder und damit wertvoller.

Für die Übernahme eines Landes ist der Widerstands-Wert eines Landes von Bedeutung: Die Spieler operieren mit Einflussmarkern mit Zahlenwerten, und um ein Land zu übernehmen, muss der Vorsprung zum Gegner mindestens diesen Widerstandswert betragen. Um das zu erreichen werden die schon erwähnten Karten ausgespielt.

Diese Karten bieten drei Möglichkeiten:

1. Events: Man kann selbsterklärende Events ausspielen. Diese Events können speziell den USA oder der UdSSR zugeteilt sein, manche können von beiden Seiten gespielt sein.

2. Operation Points: Auf jeder Karte sind Operation Points, kurz OPs genannt, angegeben, die die Spieler für Aktionen auf dem Spielplan nützen können. Ist aber der Event dieser Karte auf den Gegner zugeschnitten, so tritt es automatisch in Kraft.

3. Zwischenwertungen: Einige dieser Karten geben an, dass auf einem Kontinent bzw. in der Region Südostasien gewertet werden muss. Hält ein Spieler eine solche Karte in der Hand, muss er sie bis zum Ende des Zuges spielen.
Es gibt Punkte für Präsenz (simple Anwesenheit), Dominanz (Mehrheit an Ländern und mindestens eine Battlegroundnation und ein Non-Battlegroundnation) oder totale Kontrolle (Mehrheit an Ländern und Kontrolle über alle Battlegroundnationen).


Die Möglichkeiten durch die OPs:

Mit den schon erwähnten OPs haben die Spieler folgende Möglichkeiten:

Einfluss: Man erhöht den eigenen Einfluss in diversen Ländern, wobei Einfluss in Ländern, die im Moment der Gegner kontrolliert, teurer ist.

Alignement: Man kann versuchen, gegnerischen Einfluss in einem Land abzubauen. Jeder OP erlaubt einen Versuch, dessen Erfolg oder Misserfolg via Würfelwurf entschieden wird. Der Würfelwurf wird für beide Seiten durch benachbarte Verbündete modifiziert.

Coup: Man kann versuchen, in einem Land gegnerischen Einfluss zu senken und gegebenenfalls den eigenen Einfluss zu erhöhen. Hierzu würfelt der Angreifer, zählt die OPs der Karte hinzu und muss damit den doppelten Widerstandswert des Landes übertreffen. Bei Erfolg entscheidet die Differenz zum doppelten Landeswiderstand über die verlorenen Einflusspunkte des Gegners. Sinkt dieser Wert unter 0, steigt der Einfluss des Siegers um die Anzahl der übrigen Punkte.

Space Race: Das Spielfeld enthält eine spezielle Leiste für das Wettrennen in der Raumfahrt. Jeder Spieler kann pro Spielrunde eine Karte einsetzen, um in diesem Wettrennen zu punkten. Je nach zu erreichendem Feld muss man eine bestimmte Anzahl an OPs ausspielen und danach mit einem Würfelwurf einen auf dem Feld angegebenen Würfelwert erreichen. Bei Erfolg zieht der Spieler auf der Leiste weiter, was auch Siegpunkte oder spezielle Vorteile im Spiel bringen kann. Ein reines Glücksspiel, aber mit einem entscheidenden Vorteil: Das Event auf einer für Space Race eingesetzten Karte wird auf keinen Fall ausgeführt.


Der DEFCON-Status:

Wir, die wir Wargames - Kriegsspiele gesehen haben, wissen, dass es in der Zeit des Kalten Krieges den DEFCON-Status gab, der anzeigte, wie prekär die Lage war. Defcon 5 hieß "Love and Peace", Defcon 1 hieß "stop worrying and love the bomb." Dieser Status ist auch in dieses Spiel eingeflossen:

Durch bestimmte Events oder durch Coup-Aktionen in Battleground-Ländern steigt die DEFCON, zu Beginn jeder Runde bewegt er sich um 1 zurück in Richtung DEFCON 5. Je nach DEFCON-Status sind Alignement- und Coupaktionen in Europa (DEFCON 4-2), Asien (DEFCON 2,3) und dem Mittleren Osten (DEFCON 2) verboten.

Ebenso steigt durch militärische Events oder durch Coups der sog. Military Operations-Wert der Spieler. Am Ende des Zuges muss dieser Wert zumindest der DEFCON-Phase entsprechen. Ein Nichterreichen dieses Wertes kostet Siegpunkte.


Das Spielende:

Das Spiel endet bei einem der 4 Ereignisse:

20 Siegpunkte: Auf dem Spiel gibt es eine Siegpunktleiste. Zu Spielbeginn wird ein Marker auf Feld "0" gelegt. Wenn die USA Siegpunkte erhält, zieht der Marker in Richtung "+20", punktet die UdSSR, zieht der Marker in Richtung "-20". (Die Amerikaner müssen Propaganda lieben, sie machen so viel davon...).
Sobald der Marker "+20" oder "-20" erreicht, endet das Spiel und die entsprechende Macht gewinnt.

DEFCON 1: Erreicht der DEFCON-Status DEFCON 1 (Atomkrieg), verliert der Spieler, der gerade am Zug ist.

Kontrolle über Europa: Zu dem Zeitpunkt, an dem Europa gewertet wird, hat eine Macht die totale Kontrolle über Europa. Diese Macht gewinnt das Spiel.

10 Runden: Nach 10 Runden wird jeder Kontinent gewertet. Die Macht mit den meisten Siegpunkten gewinnt.

Spieletester

26.09.2009

Fazit

Wenn man historisch interessiert ist, gerne mit Historienstrategern, die nicht in Kosim-Plättchenkriege ausarten, die Menschheitsgeschichte ein bisschen durcheinander wirbelt und am Themenkreis "Kalter Krieg" besonderes Interesse zeigt, wird man zumindest in unseren Breiten mehr als stiefmütterlich behandelt: Der einzige habbare Titel lautet Kalter Krieg - CIA vs. KGB, und den würde ich bestenfalls als dürftig bezeichnen. Kein Wunder, dass bei Interessierten ein Spiel wie Twilight Struggle runtergeht wie das sprichwörtliche Öl.

Hobbyhistoriker dürften an diesem Spiel ihre Freude haben. Es ergeben sich schöne Konstellationen (muss ja nicht immer eine NATO oder einen Warschauer Pakt geben...), und auch spielerisch lässt das Spiel kaum Wünsche offen: Die hier von Jason Matthews erstmals verwendete (und wegen des großen Erfolges in 1960: The Making of the President unverblümt recycelte) Idee, die Ereignisse auf vom Gegner gespielten Karten nützen zu können, erweist sich schnell als interessanteste, spielerisch spannendste und somit beste Idee von Twilight Struggle, das ohne diesem Element nur ein Mehrheitenspiel der klassischen Schule wäre, dass wohl kaum Aufmerksamkeit erregt hätte. Jetzt aber halte ich die 5 OP-Punktekarte in der Hand, würde damit gerne den Schah von Persien stürzen... aber ist es das wirklich wert, dass der Gegner damit Punkte für jeden Süd- und Mittelamerikanischen Staat erhält? Grübel grübel... (Wo sind die Politexperten, wenn man sie einmal braucht.) [Soll ich Hugo Portisch anrufen und fragen? Der Le-G-tor]

Legen wir alle diese Punkte zusammen, ergibt Twilight Struggle ein spaßiges Zwei-Spieler-Spiel um ein in Europa sträflich unterbehandeltes Thema, das uns einmal mehr die Möglichkeit gibt, die Historie ein wenig umzugestalten. Wer so etwas gerne mag (und wem History of the World gerade dort aufhört, wo es eigentlich erst interessant wird), wird seine Freude haben. Wenn auch leider nur mittels ebay oder einiger weniger Spezialgamestores...
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

David aka Methos | 01.10.2009

tolles thema, tolles spiel, leider sehr sehr schlechtes material
ein spiel das in keiner sammlung fehlen darf

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 180 Minuten
Erscheinungsjahr: 2005
Verlag: GMT Games
Grafiker: Rodger MacGowan
Genre: Strategie
Zubehör:

1 Spielplan
110 Karten
228 Marker
2 Würfel
2 Übersichten
1 Spielanleitung

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