"Siedler von Catan ist zu langweilig", haben sich ein paar US-Amerikaner gedacht. "Da braucht ein noch einen Knalleffekt!" Fertig war Farms Race. Dort sammelt man Ressourcen, kauft Gebäude und Karten, wirft dazwischen aber auch Atombömbchen auf unliebsame Gegner.
Wieviel Siedler von Catan steckt in Farms Race?
Auf den ersten Blick sieht es stark danach aus, schließlich liegen hier Hex-Felder mit verschiedenen Rohstoffarten aus, die noch dazu ein Plättchen in der Mitte liegen haben. Auf den zweiten Platz fällt dann aber auf: Die Gebäude stehen nicht auf den Kanten und Kreuzungen zwischen den Feldern, sondern mitten darauf! Entsprechend entfällt die Längste Handelsstraße. Und die kleinen Plättchen tragen keine Zahlen (zumindest nicht auf der anfangs sichtbaren Seite). Die Rohstoffarten sind auch nicht dieselben, es gibt z.B. Waffen statt Erz. Die Zusammensetzung von Ressourcen ist aber ganz ähnlich wie beim Original, um Ställe (statt Dörfern), Arsenale (statt Städten) oder Spionkarten (statt Zivilisationskarten) zu kaufen.
Eine Größte Rittermacht sucht man trotzdem vergeblich; wir sind ja nicht mehr im Mittelalter, sondern in der Neuzeit! Also haben wir stattdessen den "Nukiest Player", also sowas wie den "explosivsten Spieler". Das ist der, der die meisten Atombomben gebaut (aber nicht zwangsläufig eingesetzt) hat. Etwas krud an der Sache: Die Spieler sind gar nicht menschlich, sondern Tierherden! Diese vertreiben die Menschen, um sich das Land untertan zu machen. Hinzu kommt, dass die inflationäre Nutzung von Atombomben (und -kraftwerken) gewisse Spuren hinterlässt: Die Tiere weisen Mutationen auf, weshalb für jeden Spieler leichte Abwandlungen der Standardspielregeln gelten.
Ablauf eines Spielzugs
Als Erstes bekommt unsere Herde Nachwuchs, überall dort, wo ich ein Plättchen mit einem Gebäude besetzt habe. Anschließend kann ich mir Gebäude, Spionkarten und Bomben kaufen. Natürlich gehört Handeln hier dazu, wobei die Bank jederzeit für 3:1 zu haben ist. Als Zweites kommen die Aktionen. Vornehmlich sind dies Bewegung der Tiere sowie Angriff auf Menschen und Mitspieler. Egal, wer der Gegner ist: Der Kampf wird mittels Würfeln ausgetragen. Der Gewinner macht alle Tiere und Gebäude platt (wobei Tiere auch vor dem Kampf weglaufen können) und schnappt sich das Land. Eine Ausnahme ist der Angriff mittels Atombombe, da nehmen lediglich die Lebewesen Schaden und man marschiert nicht zwangsläufig ein. In der dritten Phase folgt dann endlich der von Siedler bekannte Ressourcenwurf. Wobei - so bekannt ist er nicht. Wir haben nämlich zwei Symbolwürfel, deren sechste Seite einen Joker zeigen.
Siegpunkte sammeln; oder verlieren
Im Lauf des Spiels baut man Gebäude, welche Siegpunkte wert sind. Aber wie schon oben gesagt: Gebäude werden im Kampf unter Umständen platt gemacht. Schwupps, schon sind die Siegpunkte weg! Gleiches gilt für den Titel des Explosivsten Spielers, der einem von anderen Spielern abgeluchst werden kann. So einfach wird aus einem Familienspiel ein destruktives Spiel.
Es gibt aber auch sichere Häfen für Siegpunkte, nämlich das, was früher die Siegpunkte in den Entwicklungskarten waren. Und man erhält welche, wenn man Gebiete von Mitspielern erobert.
Die Siegbedingung kennen wir: Wer zehn Siegpunkte anhäuft, steht ganz oben auf dem Treppchen!
Spieletester
Fazit
Als Erstes hat man typischerweise die Spielanleitung in der Hand. Die deutsche Übersetzung ist leider etwas holprig geworden. Ist man sich unsicher, schlägt man zur Sicherheit online im englischen Original nach. Die Qualität des Spielmaterials ist aber durchaus ansehnlich und einem Euro-Game gerecht.
Farms Race sieht zwar ähnlich aus wie Die Siedler von Catan, spielt sich aber ganz anders. Es gibt keine Verteilung von Zahlenchips, man muss sich nicht für Kreuzungen zwischen bis zu drei Rohstoffplättchen entscheiden, Siegpunkte können auch wieder verloren gehen, man nimmt sich in Pistolenduellen gegenseitig Gebiete weg... Dass man die Baukosten von Gebäuden übernommen hat, ergibt einen starken Wiedererkennungswert. Insgesamt gesehen, hat man aber doch zwei komplett unterschiedliche Spiele vor sich. Deshalb kann ich den Werbeslogan "Catan mit Bomben" nur bedingt zustimmen.
Interessant ist, dass es vorgegebene Spielplanformen (nicht nur das Riesen-Hex), deren Größe an die jeweilige Spielerzahl angepasst ist. So ist sichergestellt, dass man sich recht bald in die Quere kommt. Das ist übrigens ein Zwiespalt, den man hat: Um viele und unterschiedliche Ressourcen zu erhalten, muss ich mich ausbreiten. Ausbreiten birgt aber das Risiko, dass meine Herde dezimiert wird. Ist man irgendwann unter ein gewisses Level gefallen, ist man auf einem sinkenden Schiff gefangen. An dieser Stelle sei der Bau von Arsenalen empfohlen. Der durch sie im Kampf zusätzlich angerichtete Schaden, ist ein massiver Bonus.
Diese Zuordnung "1 Gebäude = 1 Rohstoffart" hat das Problem, dass man erst nach mindestens vier Ausbreitungen die theoretische Chance auf Rohstoffeinkünfte aller Ressourcenarten hat. Wer einen Tauschpartner findet, ist glücklich; oft genug muss aber die Bank herhalten.
Mit den Mutationen ist eine gewisse Variabilität im Spiel integriert. Grundsätzlich begrüße ich das. Jedoch habe ich das Gefühl, dass diese unterschiedlich stark sind. Nehmen wir die nebenstehenden Bilder her:
Ein Spieler (Hühner) kann jede Rohstoffkarte als Joker einsetzen (hat also nicht das Problem der Ausbreitung auf bestimmte Gebiete und fällt als Tauschpartner aus), und der einzige Malus ist "jeder Kauf kostet eine Rohstoffkarte mehr".
Ein anderer (Schweine) ist "immun gegen Atombomben", nicht mehr und nicht weniger. Das ist natürlich eine rein passive Eigenschaft, die einen vor entsprechenden Angriffen verschont. Aber wie oft kommt das im Spiel vor? Man kann es wohl an einer Hand abzählen (wobei die Anzahl natürlich von der Kampfeslust der Mitspieler abhängt). Wenn dann auch noch eine Spionkarte gekauft wird, die sagt "mit mir kannst du dich gegen Atombombenangriffe wehren", dann ist die Spionkarte komplett wertlos und man ist angepisst.
Und der dritte Spieler (Schafe)? Der hat am Spielstart eine Ressourcenkarte mehr und wirft jedes Mal eine virtuelle Atombombe, wenn die Ressourcenwürfel ein Pasch zeigen; also durchschnittlich in jedem sechsten Spielzug. Letzteres kann Menschen aus einer Landschaft entfernen. Sind noch ein paar Spieler vorher dran, ehe die Schafe ihren Zug haben, können sich die anderen das Land schon vorher kampflos unter den Nagel gerissen haben (speziell, wenn die Ausbreitung schon vorangeschritten ist, und jedes Feld mehrere Spieler als Nachbarn hat). Wurde ein Gegner bombardiert, hat der vielleicht eine kleine Bremsung erfahren, weil er Tiere heilen musste, anstatt sie zu bewegen. Oder ein Dritter hat sich gefreut und die geschwächte Herde platt gemacht. Auf jeden Fall haben die Schafe selten was von ihrer Fähigkeit.
Wir sehen: Die Hühner haben den besten Deal gemacht, mit Vorteilen in potentiell jedem Zug. Kein Wunder, dass sie die Schafe fast ausgerottet und mit großem Vorsprung gewonnen haben. Dass anfangs vor allem Plutonium (die Startressource der Hühner) und von niemandem besetzte Ressourcenarten gewürfelt wurden, hat sicher ein Stück dazu beigetragen.
Wie erwähnt, ist Farms Race deutlich destruktiver als Die Siedler. Insofern verwundert die höhere Altersangabe überhaupt nicht, zumal man ja Kinder nicht schon frühzeitig an Waffengebrauch gewöhnen will (zumindest in Europa; die USA sind hier bekanntlich eigen). Die Zielgruppe liegt demnach beim Spielen mit Freunden, die einfach eine gute Zeit miteinander haben wollen, und für die der Ausgang des Spiels nebensächlich ist. Für Experten ist der Glücksanteil durch die vielen Würfelwürfe einfach zu hoch.
Plus
- leichter Einstieg
- Variabilität/ leichte Asymmetrie durch Mutationen
- für ein US-Spiel überraschend gute Spielausstattung
Minus
- es wird viel zu oft gewürfelt, der Glücksanteil ist hoch
- die Mutationen sind nicht balanciert
- Fehler in der Übersetzung der Spielanleitung
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Details
25 Landschaftsplättchen
100 Ressourcenkarten
48 Tierfiguren
12 Ställe
8 Arsenale
11 Mutationskarten
24 Spionkarten
1 Siegpunkttafel
28 Arbeiterplättchen
16 Bombenplättchen
16 Siegpunktplättchen
8 Aufruhrplättchen
2 Ressourcenwürfel
8 Kampfwürfel
4 Referenzkarten
1 Spielanleitung
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