Caral

Der Preis ist nicht nur heiß,
er liegt mit 90 Euro auch deutlich jenseits der verspielten Schmerzgrenze.
Natürlich überzeugt das Spielmaterial der vorliegenden DeLuxe-Edition.
Überzeugt auch das Spiel rund um den Pyramidenbau in Caral?

1.Partie: Der Architekt gibt das Tempo vor

Der Spielplan zeigt eine spiralförmige Laufstrecke. Im Zentrum der Spirale befindet sich die große Pyramide, den Weg säumen folgende Aktionsfelder: drei Dörfer, zwei Steinbrüche, zwei Kartenfelder sowie zwei Lamafelder. Dazwischen liegen viele Pyramidenbauplätze, auf denen wir Spieler - wir verkörpern Stammesmitglieder der Carali - Pyramiden mit drei oder fünf Ebenen errichten. Dafür braucht es Steine aus dem Steinbruch, die wir mit unserem Transportschlitten zu den Bauplätzen bringen. Der Schlitten wird von Lamas, Alpakas oder Vicunjas gezogen. Die Reichweite kann von vier Schritten ausgehend mit weiteren Zugtieren - Lamas statt Esel - auf bis zu acht Felder erhöht werden.
Den Takt gibt der Architekt - fast hätte ich Architakt geschrieben - vor.
Er wird durch Würfelwurf des Startspielers gesteuert und zieht Null bis zwei Felder weit.
Unser Schlitten muss zumindest gleichziehen oder den Architekten überholen, denn nur dann ist eine Aktion möglich.
Wer hintennach ziehen muss, wird vom Spiel ausgebremst.

Während der Architekt immer nur von Aktionsfeld zu Aktionsfeld zieht, verbrauchen wir auch auf Baustellen mit begonnener oder fertiger Pyramide einen kostbaren Bewegungspunkt. Anfangs ist das kein Problem weil alle Bauplätze leer sind, später jedoch bremsen die Pyramidenbaustellen.

Was können die Aktionsfelder?

Im Dorf:
Landet man mit der Spielfigur auf dem Dorf, darf man einen Carali in einen Steinbruch oder auf einen freien Bauplatz setzen. Später darf man auch Priester auf eigene, fertige Pyramiden mit fünf Ebenen einsetzen.
Im Steinbruch:
Landet man im Steinbruch, darf man so viele Steine auf den Schlitten laden wie man dort Steinbrucharbeiter deponiert hat. Der Schlitten kann aber nicht mehr als vier Steine laden.
Am Kultplatz:
Hier zieht man zwei Ressourcenkarten. Wozu man die braucht? Bitte etwas Geduld.
Am Tiermarkt:
Hier erwirbt man ein weiteres Alpaka (auch in der Spielanleitung redet man von Lamas und Alpakas) zur Vergrößerung der Schrittweite.

Was kann man an eigenen Bauplätzen?

Eigene Bauplätze markiert man mit einem Carali, der im Dorf angeworben wird. Erreicht man dann so einen Bauplatz mit seinem Materialschlitten und hat zumindest einen Stein geladen, kann man diesen vor Ort gegen eine Pyramidenebene eintauschen. Weil sich damit der Bauplatz zu einer begonnenen Baustelle gewandelt hat, kostet dieses Feld ab sofort auch einen Bewegungspunkt - für alle Spieler. 
Nur den Architekten kümmert das weiterhin nicht.
Der Pyramidenbau kann durch Verwendung von Ressourcenkarten beschleunigt werden.
Durch Abgabe von zwei Steinkarten oder zwei Lehmkarten darf - in Kombination mit einem Stein - eine weitere Ebene gebaut werden.
So ist es möglich, in einem Spielzug bis zu drei Stufen bauen zu dürfen.
Mehr geht nicht, jede Kartenart darf pro Zug nur einmal verwendet werden.

Fertige Pyramiden bringen Punkte.
Der frühe Pyramidenbauer fängt den fetteren Wurm.
Die erste und zweite fertige Pyramide bringen je drei Punkte, die nächsten drei bringen zwei Punkte und die letzen beiden je einen Punkt.
Wie oben erwähnt darf der Pyramidenbesitzer einen Priester auf eine fertige Pyramide mit fünf Stufen setzen. Auch das bringt Punkte.

Die anderen Ressourcenkarten und ihre Spezialfähigkeiten sind...

Fischkarten: 
Man darf die Aktion des Aktionsfelds, das man eben nutzte, durch Abgabe von zwei Fischkarten erneut nutzen. Das heißt, man setzt zwei Carali ein (Dorfaktion), nimmt erneut Steine (Steinbruch), nimmt weitere zwei Karten oder ein weiteres Lama.
Alpakakarten:
Nach einer Bewegung und der nachfolgenden Aktion gibt man zwei Alpakakarten ab, darf ein bis drei Felder ziehen - egal ob vor oder zurück - und dort die entsprechende Aktion ausführen. Das kann viel bringen.

Und so nebenbei bringt die Abgabe von beliebigen Karten einen zusätzlichen Bewegungspunkt pro Karte, einmalig und nur für diesen Zug.

Ressourcenkarten für die Jahreszeremonie

Sobald eine Figur - meistens ein Carali, es kann aber auch der Architekt sein - die große Zentralpyramide erreicht, ist das Jahr zu Ende. Der schnellste wird Oberpriester. Jeder Spieler macht seinen Zug und danach werden in der Jahreszeremonie Punkte verteilt oder sogar weggenommen. Ermittelt werden die Punkte durch Überprüfung der Spendenwilligkeit und Spendenfähigkeit der Spieler. Der aktuelle Oberpriester legt vor und beliebig viele Ressourcenkarte einer Art offen vor sich ab. Alle weiteren Spieler im Uhrzeigersinn müssen jeweils andere Ressourcenkarten ablegen. Der Spieler mit den meisten geopferten Karten bekommt Punkte je nach aktueller Höhe der Zentralpyramide. Alle anderen bekommen einen Punkt. Konnte oder wollte ein Spieler nicht opfern, wird ihm ein Ruhmpunkt abgezogen. 
Am Ende der Zeremonie starten alle Figuren wieder wie bei Spielbeginn - mit einem Bonuspunkt pro Priester auf einer Pyramide und einer Bonuskarte pro begonnener oder fertiger Pyramide - in die nächste Runde.

Wann immer eine Pyramide fertig gebaut wird bekommt der Bauherr Punkte wie oben erwähnt. 
Ist die ingesamt siebente Spielerpyramide fertig, ist es auch die Zentralpyramide und bald das Spiel.
Es wird noch bis zur finalen Jahreszeremonie weitergeführt und dann wird abgerechnet.
Punkte gibt es für fertige eigene Pyramiden (zehn bzw. fünf Punkte) und jede begonnene Stufe bringt einen Punkt.
Zudem werden Priester auf fertigen, fünfstufigen Pyramiden mit zwei Punkten honoriert.
Gleichstände werden durch die Anzahl verbliebener Ressourcen aufgelöst.

Fazit 1. Partie, Grundspiel
Gleich vorweg, die Spielregel ist wirklich nicht gut.
Es gibt keine brauchbaren Beispiele, viele Fragen bleiben offen.
Das Spiel läuft extrem langsam an und oft sind die ersten Züge nur Kopien des Startspielerzugs.
Man fragt sich: Wird das noch was?
Der extrem unübersichtliche Spielplan trägt zur eher ablehnenden Haltung den Mechanismen und auch der Handlung gegenüber bei. Transportschlitten waren wohl in Südamerika gebräuchlich, aber vor jeder Runde den Architekten voran marschieren lassen und ihn dann ein- oder überholen müssen, das klingt deutlich stärker nach europäischer Bürokratie als nach südamerikanischer Gelassenheit.

Erste Erkenntnis: Startspieler sein und bleiben macht Sinn!
Zweite Erkenntnis: Mitspieler für weitere Partien zu motivieren ist schwierig!
Dritte Erkenntnis: Manche Basisstufen für 5er-Pyramiden sind verbogen und liegen schlecht!

2.Partie mit den Modulen "Laune der Götter"-Karten, Jahresplättchen und Statuskarten

Mit diesen drei Modulen konnte ich die Laune meiner Frau heben und sie für weitere Tests motivieren.

Die "Laune der Götter" bringen einen kleinen, kooperativen touch bei der Jahreszeremonie in die Partie.
Die Spieler müssen dabei gemeinsam eine je nach Spieleranzahl vorgegebene Zahl an Karten opfern. 
Gelingt das ist das gut, gelingt es nicht, trifft eine Strafe den oder die Spieler mit der kleinsten Opfergabe.
Die Strafen können empfindlich sein.
 
Die sieben Jahresplättchen machen die Bestimmung des Startspielers für das nächste Jahr steuerbarer und nachvollziehbarer. Sie belohnen den Spieler mit dem höchsten Wert der aktuellen Vorgabe (z.B. Anzahl der Handkarten) mit drei Ruhmpunkten, der Spieler mit den wenigsten (nach der Jahreszeremonie) wird Startspieler im nächsten Jahr. Speziell diese Jahresplättchen machen Sinn, sie korrigierer die deutlich gefühlte Ungerechtigkeit der Startspielerermittlung im Grundspiel.

Die Statuskarten - fünf von neun werden zufällig gewählt - belohnen den Spieler, der zuerst eine Vorgabe erfüllt, mit ein paar durchaus relevanten Siegpunkten. Beispiele dafür sind etwa der Besitz von elf oder mehr Ressourcenkarten, ein voll beladener Schlitten oder ein Schlitten komplett mit Lamas bestückt.

Fazit 2. Partie
Die "Laune der Götter"-Karten machten uns wenig Laune.
Erneut wird der Startspieler bevorzugt, speziell im Spiel zu Zweit. 
Die Karten fordern teilweise sehr viele Opfer, um den Strafen zu entgehen.
Das kooperative Element wirkt eher destruktiv.

Die Jahresplättchen hingegen gefallen uns. Man hat ein konstruktives Spielziel und bekommt Punkte dafür, man kann sich aber dafür entscheiden, die Siegpunkte links liegen zu lassen und dafür Startspieler werden. Das macht Sinn und ist schön integriert.

Die Statuskarten sind ein weiteres planbares Spielziel. First come, first serve - der frühe Vogel bekommt die Punkte. 

Erste Erkenntnis: Startspieler sein und bleiben macht weiterhin Sinn!
Zweite Erkenntnis: Zwei Module gefallen uns, eines nicht.
Dritte Erkenntnis: Der Spielplan wird noch immer als verwirrend gesehen.

3.Partie mit den Modulen Fortschrittsplättchen, Anakonda, Jahresplättchen und Statuskarten

Drei von acht Fortschrittsplättchen werden zufällig den Pyramiden eins, drei und fünf auf dem Fortschrittstableau zugeordnet. Wer die entsprechende Pyramide baut, darf mit dem Plättchen ein passendes Aktionsfeld überdecken und damit die Funktion verändern. Auf dem Kultplatz zieht man dann drei Karten und legt eine davon ab, im Steinbruch nimmt man Steine ODER darf eine Pyramidenstufe bauen, wenn man ein Alpaka nimmt bekommt man zusätzlich einen Stein.

Die Anakonda blockiert ein Aktionsfeld. Die Bewegung dorthin ist erlaubt, die Verwendung der Aktion nicht. Es sei denn, man opfert der Anakonda ein Lama. Dann bewegt man die Anakonda auf ein beliebiges anderes Aktionsfeld und darf agieren. Statt eines Lamas darf man auch einen Stein opfern - man wirft ihn quasi nach der Schlange. Der Effekt ist gleich, man verliert wegen des unrühmlichen Verhaltens der Anakonda gegenüber aber einen Ruhmpunkt.
Der Startspieler eines Jahres versetzt die Anakonda bei Jahresbeginn auf ein anderes Aktionsfeld.

Die Jahresplättchen und die Statuskarten waren auch wieder mit dabei.
Die "Laune der Götter"-Karten blieben in die Schachtel verbannt.

Fazit 3. Partie
Die Fortschrittsplättchen verbessern die überdeckte Aktion, damit kann man konstruktiv spielen.
Die Anakonda tut nicht wirlich weh. Sie beißt nicht, sie zischt bestenfalls ein wenig.
Beide Erweiterungen kann man gut und ohne viel zusätzlichen administrativen Aufwand integrieren.

Erste Erkenntnis: Startspieler sein und bleiben macht weiterhin Sinn!
Zweite Erkenntnis: Beide Module sind OK, verändern das Spiel aber kaum.
Dritte Erkenntnis: Die Spielplantopologie bleibt verwirrend.

4.Partie mit den Modulen Abgesandte, Fortschrittsplättchen, Anakonda, Jahresplättchen und Statuskarten

Die größte Erweiterung sind die Abgesandten.
Damit werden die guten Beziehungen der Bewohner zu den Nachbardörfern thematisiert. Abgesandte sind natürlich mit Lamas unterwegs, dazu passend legt man Lamas und Carali auf dem Abgesandtentableau ab und bekommt dafür Abgesandten-Plättchen. Diese fünf Plättchen - man kann immer nur eines besitzen - werden mit steigendem Fortschritt immer etwas besser und erlauben zuerst die Verwendung von Stein für Lehm und umgekehrt, danach Fisch als Lama und das teuerste Plättchen bringt bei der Jahreszeremonie eine imaginäre zusätzlich geopferte Ressourcenkarte.
Falls man soweit fortschreiten kann und will.
Zudem bekommt der Spieler stets eine Belohnung von einem Ruhmpunkt plus einem Stein bis zu zwei Ruhmpunkten und einer Karte bei weiterer Entwicklung. Für den Spieler, der zuerst eine höhere Stufe als alle Mitspieler erreicht, gibt es zudem das Abgesandtenplättchen mit vier Ruhmpunkten. Das ist ein typischer Wanderpokal.

Fazit 4. Partie
Für die Platzierung eines Abgesandten dient das Dorf, für ein Alpaka natürlich der Tiermarkt.
Das bedeutet, dass die Stufen drei bis fünf auf dem Abgesandtentableau - man braucht dort einen Carali und ein Lama - nicht in einem Schritt erledigt werden können. Natürlich sind die Plättchen brauchbar und der Bonus für den schnellsten Spieler, der hier agiert, verlockend, doch das Abgesandtentableau bindet Lamas und Carali. 
Ich habe nicht den Eindruck, dass sich mit viel Augenmerk auf die Abgesandten die Partie gewinnen lässt. Zu wenig bringen die Optionen. Unser Gefühl sagt uns, dass diese Erweiterung - sofern sie im Spiel ist - ein wenig als eine Art "Notnagel" fungiert. 
Was soll ich mit dem Lama tun? OK, ab auf das Abgesandtentableau.
Restlverwertung, sozusagen!

Erste Erkenntnis: Jeder will Startspieler sein!
Zweite Erkenntnis: Die Abgesandten sind ein Abstellgleis für Carali und Lamas.
Dritte Erkenntnis: Auch mit allen Erweiterungen bleibt Caral hinter den Erwartungen.

Spieletester

12.08.2023

Fazit

Das Spiel lässt hohe Erwartungen leider unerfüllt.
Die Regel passt aber dazu und viele Fragen bleiben unbeantwortet.
Vieles ist gut gemeint, aber nicht so toll gemacht.
Das Grundspiel und die sechs Zusatzmodule sollten als 7-Gänge-Menu munden, schmeckt nur teilweise.

Die erste Partie sollte tunlichst gleich mit Erweiterungen gespielt werden. Die Jahresplättchen bieten sich an. Ohne Zusätze bleibt ein sehr fader Eindruck zurück. Reduzierte Einstiegshürde durch das abgespeckte Grundspiel hin oder her, alleine ist als Anheizer nicht geeignet.

Doch auch mit Erweiterungen punktet Caral nicht wirklich.
Das Grundprinzip - der Architekt läuft voran und die Spieler hintennach - ist spätestens, wenn die Transportschlitten ordentlich mit Lamas bestückt sind, 
ausgehebelt und der Architekt läuft häufig eher hintennach.

Das Material der verwendeten DeLuxe - Version mit vielen Kunststoffpyramiden ist OK, leider liegen manche 5er-Grundstufen nicht plan auf dem Bauplatz. 
Ein Marker für die Entwicklungsleiste ist gar nicht dabei, das X auf dem Architektwürfel ist nicht erklärt, manche Aktionen - speziell jene der Fortschrittsplättchen - sind nur unzureichend beschrieben.

Die Eingangs gestellte Frage nach dem Preis-Leistungsverhältnis muss leider negativ beantwortet werden.
Die Luxusedition kann nicht mehr als die nach Standard gefertigte.
Aber auch das ist weniger als erwartet.

Redaktionelle Wertung:

Plus

  • Tolles Thema
  • Prinzipiell netter, nicht ganz ausgereifter Architekt-Mechanismus
  • Auch die Standard-Kartonpyramiden sind dabei

Minus

  • Lückenhafte Spielregel
  • Schlechtes Spielplandesign
  • Aufgeblähtes Kunststoffmaterial
  • Grundspiel ohne Spielreiz
  • Deluxe-Version viel zu teuer

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 60 bis 120 Minuten
Preis: 90,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2022
Verlag: Funtails
Grafiker: Hendrik Noack
Zubehör:

48 Pyramidenstufen in 5 Größen, 5 Zentralpyramidenstufen, 1 Architekturwürfel, 1 Spielbrett, 4 Transportschlitten, 48 Ressourcenkarten, 1 Fortschrittstableau, 1 Ruhmtableau, 1 Übersichtskarte, je 11 Caralifiguren in 4 Farben, je 1 Spielerfigur in 4 Farben, je 2 Ruhmzählen in 4 Farben, je 7 Alpakafiguren in 4 Farben, 1 Architektfigur, 16 Steine
Optionale Module: 12 Abgesandtenplättchen, 1 Abgesandtentableau, 1 Diplomatiemarker, 1 Anakondafigur, 1 Anakondaplättchen, 8 Fortschrittsplättchen, 7 Jahresplättchen, 7 "Laune der Götter"-Karten, 9 Statuskarten, Spielanleitung (deutsch, englisch)

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