XANADU

Xanadu - dieser Name wird bei vielen sicher musikalische Erinnerungen erwecken, entweder an Electric Light Orchestra, Olivia Newton-John oder für jemanden, der so viele Jahre auf dem Buckel hat wie ich, an Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich („The Legend of Xanadu“). Und ganz sicher wissen sehr viele weniger, dass dies der Name für die Sommerresidenz des Kublai Khan in der fernen Mongolei war. Ich gestehe, auch ich habe diese Information erst durch das Kartenspiel Xanadu gewonnen – und durch weitere Nachforschung erfahren, dass Kublai Khan ein Enkel Dschingis Khans war. Aber ich will hier keine Geschichtsforschung betreiben, obwohl das nicht nur in diesem Falle sehr interessant ist. Auf jeden Fall haben wir außer den Songs nun auch noch ein Kartenspiel mit diesem exotisch-geheimnisvoll klingenden Namen.

Von der Regel nicht abschrecken lassen

Die kompakte Schachtel enthält einen dicken Stapel Karten, Plättchen unterschiedlicher Farbe als Münzen und ein umfangreiches Regelbüchlein. Davon sollte sich niemand abschrecken lassen, denn die Regeln gibt es in vielen Sprachen, jeweils recht kurz … und beim ersten Lesen einigermaßen verwirrend, ich will nicht sagen „unverständlich“. Das ist nicht der Übersetzung geschuldet, soweit ich das beurteilen kann (Englisch und Deutsch), sondern der schlechten Regel an sich. Dabei ist das Spiel so einfach … und gut.

Halbwegs begriffen, einfach mal spielen, ach, sieh an - so geht das, steht in drei kurzen Sätzen fast vollständig auf der für jeden der bis zu sechs Spieler enthaltenen Übersichtskarte.

Spielmaterial

Alle Karten zeigen in der oberen Hälfte ein Gebäude, in der unteren eine zweispaltige Tabelle mit vier Reihen; da wäre etwas mehr Variabilität nicht verkehrt gewesen, die Anzahl der Reihen betreffend. Außerdem weisen alle Karten links oben ein bis vier Symbole als Baukosten auf – Holz, Jade, Gold, Stein usw., 10 verschiedene insgesamt! Manche Karten haben ebenfalls oben rechts eins dieser Symbole, was bedeutet, dass dieser Rohstoff dem Spieler immer zur Verfügung steht, nachdem er dieses Gebäude gebaut hat. Schauen wir uns die Tabellen einmal genauer an, denn sie sind das Herzstück des Spiels.

In der linken Spalte jeder Reihe sind null bis drei Rohstoffe zu sehen, unten beginnend und je ein Rohstoff pro Reihe, falls vorhanden; diese Rohstoffe sind die „Gunst des Khans“, die nur dem Besitzer des Gebäudes zur Verfügung stehen, falls der rechte Teil der Reihe durch eine Karte abgedeckt ist. In der rechten Spalte sind je Reihe null bis drei Rohstoffe zu sehen, ebenfalls unten beginnend, und in den beiden untersten Reihe sind auf jeden Fall immer Rohstoffe zu finden. Wenn mehrere Rohstoffe in einer Reihe sind, können dies die gleichen sein, auch teilweise, oder verschiedene, beispielsweise Holz und Seide, oder zwei Mal Bronze, oder nur ein Mal Jade usw. Außerdem ist links in jeder Reihe ein Geldwert angegeben, ebenso oberhalb der obersten Reihe auf dem Gebäude. Ich bin sicher und hoffe, dass diese Beschreibung das Vorstellungsvermögen der Leser nicht übersteigt.

Der Clou des Spiels

Mit diesem Wissen lässt sich der Spielablauf leicht und schnell erklären. Wer an der Reihe ist, kann beliebig viele seiner Gebäude zu jeweils dem Preis verkaufen, der als unterster offen, d. h., der nicht von einer Karte verdeckt ist. Dann kann der aktive Spieler ein Gebäude bauen, wofür er die Rohstoffe benötigt, die links oben auf der Karte aufgeführt sind, wir erinnern uns. Und wie bekommt er diese Rohstoffe? Das ist der Clou des Spiels, und ganz schon pfiffig. Die Karten gelten außer als Gebäude auch als Arbeiter, wenn sie mit der Arbeiterseite, sprich „Rückseite“, so gelegt werden, dass sie die Rohstoffe der rechten Spalte einer Reihe abdecken und damit auch den Geldbetrag dieser Reihe. Und zwar, jetzt kommt der Clou, kann der aktive Spieler seine Arbeiter zu jedem Gebäude auf dem Tisch schicken, egal, wem es gehört!

Das hat folgende Wirkung: Die abgedeckten Rohstoffe der rechten Spalte sind verbraucht, die der linken Spalte, die „Gunst des Khans“ dadurch für den Besitzer der Karte „freigeschaltet“, und der Verkaufspreis ändert sich, mal zum Besseren, mal zum Schlechteren. Die Details, wann man wie viele Karten nachzieht, überlasse ich gerne der Regel. Bevor man das tut, kann man aber noch beliebig weitere Rohstoffe überall (!) durch Arbeiter abdecken - pure Verschwendung, aber mit dem Effekt, dadurch die Verkaufspreise zu ändern und diese Rohstoffe dem „Markt“ zu entziehen. Diese ändert man bei den Mitspielern möglichst zum Schlechteren, bei sich selbst zum Besseren – aber das machen alle oder versuchen es zumindest, und bis man dann wieder an der Reihe ist, um zu verkaufen, sieht meist alles wieder ganz anders aus …

Trotz locker-luftiger Sommerresidenz sind die Zwänge in Xanadu enorm. Man darf pro Spielzug nur ein Gebäude bauen, man darf maximal fünf fertige Gebäude haben und maximal sieben Handkarten. Seine Handkarten benötigt jeder Spieler überwiegend, um die für den Bau benötigten Rohstoffe zu bekommen, ändert damit den Verkaufspreis der eigenen Gebäude und der Gebäude der anderen Spieler. Da bleiben meist nicht mehr viele Karten, um andere zu ärgern, indem man deren Verkaufspreise nach unten treibt oder sich selbst einen Gefallen zu tun, um die eigenen Preise nach oben zu bringen. Dabei ist die Preisleiter nicht immer gleich, sie kann aufsteigend oder absteigend sein oder auch erst aufsteigend dann absteigend, oder umgekehrt.
Dieses „Ärgern“ oder „sich selbst einen Gefallen tun“ wird in der Regel als Sabotage, Erhöhung oder Handel bezeichnet, auch noch farbig markiert, wobei man erst während des Spiels realisiert, dass diese Farben auf der Preisleiter auftauchen, wobei das Gelb kaum vom Grün zu unterscheiden ist.

Wertung

Nachträglich geben dann auch diese Bezeichnungen einen Sinn, beim Lesen der Regel stiften sie zunächst nur Verwirrung. Falsche Beispiele machen die Regel im Übrigen auch nicht besser. Fast hätte ich’s vergessen: Wer schließlich das meiste Geld hat, hat gewonnen. Und gute Augen sollte man haben, um die zwar schönen, aber doch ziemlich kleinen Rohstoffsymbole erkennen zu können, vor allem bei den Gebäuden der anderen Spieler. Auch das hätte man besser machen können/sollen.

Spieletester

07.08.2016

Fazit

Summa summarum und etwas übertrieben gesagt: Schlechte Regel, gutes Spiel – definitiv besser als anders herum. Der Mechanismus, von anderen Spielern Rohstoffe zu „kaufen“ und damit deren Verkaufspreise für ihre Gebäude zu beeinflussen ist sehr clever, vielleicht sogar innovativ und mir aus keinem anderen Spiel bekannt. Da lässt sich kurzfristig taktieren, aber es soll auch nicht verschwiegen werden, dass der Zufall eine große Rolle spielt, wie besonders oft gerade bei Kartenspielen. Wer ständig nur „schlechte“ Karten zieht, hat die A…karte, so ist das nun mal. Wen das nicht stört, der hat mit Xanadu ein sehr kurzweiliges, pfiffiges Kartenspiel mit taktischen Möglichkeiten, die es immer schnell beim Schopfe zu greifen gilt, bevor sie schon wieder vergangen sind.

Die Regel bietet einige Varianten an, auch abhängig von der Spieleranzahl, z. B. zwei Gebäude pro Spielzug bauen zu dürfen oder den Stapel drei Mal statt zwei Mal durchzuspielen, bevor das Spiel zu Ende ist. Außerdem ist Platz für eigene Experimente – man könnte beispielsweise die Handkartenanzahl leicht erhöhen, dafür den Stapel noch öfter durchspielen, da mag sich jeder selbst seine Gedanken machen, falls er möchte. Auf in die Sommerresidenz Xanadu, dort erwartet uns trotz etwas beschwerlicher Anreise ein höchst vergnüglicher Spielgenuss als gelungener Auftakt oder Ausklang einer Spielerunde.

Redaktionelle Wertung:

Plus

  • Pfiffiger, innovativer Mechanismus

Minus

  • Wenig geglückte Regel

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 6
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 40 bis 70 Minuten
Preis: 20,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2015
Verlag: Quined Games
Genre: Taktik
Zubehör:

70 Spielkarten
6 Übersichtskarten
1 Spielendekarte
60 Tong Bao Chips (Geld)
1 Regelheft

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