Das Schachtelbild des Spiels Elysium passt so gar nicht zum Titel oder zum Spielinhalt. Der gewaltige Zyklop, die kämpfenden Krieger, die blinde, pupillenlose Seherin und die riesige Kriegsgaleere sind absolut kein Sinnbild des Elysiums, der „Insel der Seligen“ laut griechischer Mythologie. Dorthin, am äußersten Rand des Ozeans gelegen, wurden die Helden geschickt, die von den Göttern zur Unsterblichkeit auserkoren wurden, umgeben von ewig blühenden Wiesen und Nektar-ähnlichen Quellen. Die düstere, fast einfarbige Gestaltung trägt dazu bei, hier eher ein Kriegsspiel zu vermuten.
Das ist weit gefehlt, der bunte Inhalt, fast nur aus Karten und Plättchen bestehend, sieht schon viel fröhlicher aus. Tatsächlich agieren die Spieler als Götter, um die vielen Helden, Gestalten und anderen Dinge ins Elysium zu überführen. Ja, auch Dinge oder Vorkommnisse wie Erdbeben z. B. … seltsam. Auch der kurze Einleitungstext geht etwas am „realen“ Hintergrund vorbei, das wollen wir mal der überschäumenden Glückseligkeit über dieses Spiel zu Gute halten.
Das Prinzip ist einfach. Aus einer allgemeinen Auslage nimmt man jeweils eine Karte pro Spielzug und legt sie in seine Sphäre, das ist der Bereich oberhalb der schmalen Verwaltungsspieltafel jedes Spielers. Zum Ende jeder der nur fünf Spielrunden schließlich werden die Karten in den Bereich unterhalb dieser Tafel gelegt („überführt“), der das Elysium darstellt – oder vielmehr können (und sollten) sie dorthin gelegt werden.
Soweit so einfach, aber wie das, bestens geregelt, geschieht, ist beeindruckend. Ohne nun alle der gar nicht sehr vielen Details zu nennen, wollen wir uns das mal etwas genauer anschauen, was mit der sehr guten Regel kein Problem darstellt. Den vier verschiedenfarbigen, schachturmähnlichen Figuren („Säulen“) jedes Spielers entsprechen die jeweils ein oder zwei Farbsymbole jeder Karte (wobei schwarz als Jokerfarbe dient). Um eine Karte nehmen zu können, muss ein Spieler genau die Figur der geforderten Farbe noch auf seiner Tafel haben. Anschließend muss er eine beliebige Figur entfernen, also nicht unbedingt die oder eine der Figuren, deren Farbe(n) gerade benutzt wurde(n). Ein toller, mir so bisher nicht bekannter Mechanismus! Da muss man gut im Auge behalten, welche Karten man noch nehmen möchte – falls die lieben Mitspieler sie einem nicht vor der Nase wegschnappen. Trotz knalliger Farben der Türmchen wurde übrigens auch an Farbenblinde gedacht – die Figuren können mit je einem griechischen Buchstaben versehen werden; diese Buchstaben sind natürlich auch in den Farbsymbolen der Karten zu sehen.
Die Karten, hübsch von vielen verschiedenen Grafikern illustriert (einer pro Familie), müssen wir uns etwas genauer anschauen. Es gibt diese von insgesamt acht Familien, die alle den Namen eines griechischen Gottes tragen, auch etwas seltsam, aber egal. Fünf Familien sind in jedem Spiel beteiligt, was für große, grundsätzliche Spielvariabilität sorgt. Unterschieden sind sie durch Familienfarbe und -symbol, außerdem durch einen Rang von eins bis drei, dabei gibt es jede Karte drei Mal. Darüber hinaus hat jede Karte eine bestimmte Wirkung, wie z. B. Geld erhalten, andere Spieler verlieren Geld, usw. und sehr viel weitreichendere Effekte – sehr übersichtlich und mit jeweils kurzem Text dargestellt. Gute Übersicht ist trotz der relativ vielen jeweils zur Wahl stehenden Karten Programm. Manche Effekte treten sofort ein, manche müssen aktiviert werden, andere sind einmalig – auch das ist sehr vielfältig und übersichtlich. Drei Karten nimmt jeder Spieler pro Spielrunde und genau eine sogenannte Aufgabenkarte. Dieser Begriff ist leider völlig falsch (übersetzt) und zunächst irritierend, denn es ist eine … Zielkarte, sage ich mal. Der englische Begriff „quest“ (= Suche) trifft auch nicht direkt ins Schwarze. Es muss nämlich weder eine Aufgabe erfüllt noch etwas gesucht werden, sondern diese Karte legt die nicht unwichtige Reihenfolge fest, bringt Geld und/oder Siegpunkte und bestimmt, sehr wichtig, wie viele Karten der Spieler zum Ende der Runde in sein Elysium maximal „überführen“ darf. Das kostet jeweils Geld entsprechend des Ranges der Karte.
Und dann? Liegen unsere Helden und andere Wunderdinge im Elysium einfach nur herum und freuen sich des ewigen Lebensabends (zumindest bis zum nächsten Spiel)? Nein, denn obwohl sie nun ihre Effekte nicht mehr anwenden können, außer einigen zum Spielende, müssen bestimmte Folgen gebildet werden, entweder gleiche Ränge oder gleiche Familien. Das bringt, je nachdem, die meisten Siegpunkte zum Spielende, wobei die während des Spiel zu erhaltenden nicht zu vernachlässigen sind, vor allem nicht die Bonuspunkte für die jeweils erste komplette Familie oder den ersten bestimmten Rang.
Die Spielelemente greifen hervorragend ineinander, die „Türmchenwahl“ ist innovativ und für alle Eventualitäten ist gesorgt, auch dafür, dass man keine Karte nehmen kann, weil man nur noch den bzw. die falschen Türmchen hat. Aber das und andere kleine Details wollen wir der Regel überlassen. Diese, das sagte ich schon, ist ausgezeichnet gelungen, übersichtlich, klar und deutlich (trotz falscher Wortwahl für die Zielkarten). Elysium bietet trotz einfacher Regeln ein erstaunlich komplexes Spielgeschehen, das aber auch Anfänger schnell verinnerlichen – und zu Recht begeistert sind. Noch nicht einmal Kurzspielregeln braucht man, die ich ja sonst gerne bei etwas komplexeren Spielen erstelle, so einfach sind die Regeln und so hervorragend die Ikonographie und kurzen Kartentexte. So hervorragend, dass das relativ opulente, schöne Beiheft mit Erklärungen zu allen (!) Karten völlig überflüssig ist, das erlebt man selten. Oft ist es andersherum – ein solches Beiheft wäre erwünscht, gibt es aber nicht. Wie immer ist die offizielle Spieldauerangabe ein absoluter Mindestwert, wenn alle das Spiel in- und auswendig kennen und es drei Mal täglich spielen … aber wir wollen ja nicht spielen, um möglichst schnell damit fertig zu werden. Nach etwa zwei Stunden endet dieses Spielvergnügen und mancher wird sagen „Wie, schon zu Ende? Schade!“.