Progress: Erfindung des Fortschritts

Ich liebe Aufbau- und Entwicklungsspiele und in diese Kerbe haut auch Progress – Erfindung des Fortschritts.
In einer großen Quadratschachtel verpackt ist Progress ein Kartenspiel, das auch in eine kleinere gepasst hätte, mit geklappten Tafeln. Karten gibt es reichlich, außerdem eine zentrale Wertungstafel und fünf „gelochte“ Spielertafeln, sodass die Holzklötzchen nicht verrutschen können, wunderbar! Diese sind natürlich auch enthalten und eine überschaubare Anzahl Plättchen. Die Regel ist trotz ein, zwei kleinerer Schwachstellen gut verständlich und schnell begriffen. Schon können wir beginnen, den Fortschritt zu erfinden. Wie oft bei solchen Spielen scheint es zunächst etwas verwirrend zu sein, ist aber „eigentlich“ ganz einfach, was die Regeln betrifft, in diesem Falle besonders. Wer an der Reihe ist, kann Handkarten ausspielen, d. h., direkt entdecken, oder erforschen und/oder Karten nachziehen. So einfach, so trickreich, denn es gibt verschiedene Arten des Ziehens. Das komplette Nachziehen beendet den Spielzug sofort, deshalb sollte man sich das immer als letzte Aktion aufheben – es kann aber schon mal sinnvoll sein, auf Aktionen zu verzichten und sofort komplett nachzuziehen. Die Spielertafeln haben sieben Kategorien, Anzahl der Aktionen, Handkartenlimit, Anzahl der zu ziehenden Karten (verschiedener Arten zu ziehen – sehr clever) usw., übersichtlich und zudem noch auf einer Übersichtskarte gut dokumentiert, genau wie die Aktionen. Aber diese Übersicht braucht man schon nach zwei, drei Runden nicht mehr. Die Hauptaktionen, sozusagen, sind Entdecken und Forschen. Entdecken heißt, eine Karte ausspielen und ihre Kosten zahlen, durch andere Karten, die dann abgeworfen werden, und/oder Plättchen der geforderten Art. Diese Plättchen, einmal erhalten, sind immer wieder nutzbar, allerdings nur ein Mal pro Spielzug. Hat man eine bereits ausliegende Karte, die als Vorbedingung genannt ist, sind damit diese Kosten bezahlt. Viele Karten haben zwei Kostenkategorien. Für eine „entdeckte“ Karte gibt es sofort Belohnungen. Diese sind gut, wenn auch teilweise etwas (zu) klein symbolisiert: Fortschritt in einer der drei Kategorien der zentralen Wertungstafel, oder auch zwei, und/oder Fortschritt in einer Kategorie der eigenen Spielertafel, z. B. mehr Aktionen, mehr Karten ziehen dürfen, höheres Handlimit usw. und/oder die bereits erwähnten Plättchen, die zur Zahlung dienen. Ein Rädchen greift wunderbar ins andere und man kann schöne „Räderwerke“ aufbauen. Die riesigen (Quadratschachtelformat), beidseitig bedruckten Technologiebäume sind gut gemeint und schön anzusehen, aber weitgehend nutzlos und unhandlich außerdem. Man sieht, was man auf der Hand und auf dem Tisch hat, was auf den offenen Ablagestapeln liegt und hat damit alle nötigen Informationen. Es nutzt wenig (bis gar nichts) zu wissen, dass diese Karte die Vorbedingung für jene ist, um jene dann kostenlos entdecken zu können, da man nicht langfristig gezielt darauf hinarbeiten kann. OK, „jene“ kommt erst im nächsten Zeitalter, das ist eine brauchbare Information, in der Praxis aber nicht wirklich relevant. Ein Manko ist eher überflüssiges Spielmaterial aber nicht. „Erforschen“ ist grundsätzlich kostenlos, dauert aber … eine Anzahl Holzklötzchen wird auf die Karte gelegt, zu Beginn des eigenen Spielzuges wird eins davon entfernt, bis diese Technologie vollständig erforscht ist, ihre Belohnungen gibt und als Grundlage für andere Technologien dienen kann, wie jede direkt „entdeckte“ Karte. Die Anzahl dieser „Forschungsklötzchen“ lässt sich durch Fortschritte in dieser Kategorie, als Belohnung, verringern. Auch Siegpunkte durch Karten gibt es als Belohnung, aber erst zum Spielschluss. Die entdeckten bzw. erforschten Karten bestimmen durch Symbole auch, wann ein neues Zeitalter eintritt, d. h., der nächste Kartenstapel freigeschaltet wird und, auf gleiche Weise, wann das Spielende eintritt. Das hört sich alles prima an und ist es auch … aber es gibt auch leider eine Kehrseite. Unser erstes Spiel mit 5 Spielern gefiel im Prinzip allen gut, außer dass es elend lange dauerte. Lange Spiele mögen wir auch alle gerne, aber dann solche, in denen man zusammen bzw. gegeneinander spielt. Das heißt, es gibt Interaktion, mal mehr, mal weniger, aber es gibt sie. Progress ist ein Solitärspiel, ausdrücklich mit leicht geänderten Regeln auch für nur einen Spieler. Zu fünft ist es ein Solitärspiel für fünf Spieler, zu viert für vier Spieler usw., mit Interaktionsfaktor von höchstens nullkommanulleins. Da man auch von den offen liegenden Ablagestapeln ziehen darf, ist es nicht ganz unwichtig, was der Vorgänger abwirft, falls überhaupt. Wenn nicht das Ziehen der Karten geregelt sein müsste, könnten alle gleichzeitig spielen, denn jeder spielt sowieso alleine vor sich hin und murmelt „ich habe dies, dann kann ich das entdecken, muss noch dieses zahlen, ziehe jetzt mal „schnell“ (anders als komplett) zwei Karten und …“. Interessiert niemanden, die anderen unterhalten sich über Gott und die Welt sobald alle wissen, dass alle wissen was sie tun und zu tun haben, und wenigstens das geht schnell. Da mit zunehmendem Fortschritt auch die Dauer der Spielzüge steigt – mehr Aktionen, mehr Karten ziehen usw. – wartet man immer länger, bis man wieder an der Reihe ist, auch wenn das Spiel kaum Anlass zu Grübelorgien gibt. Man hat, bei fünf Spielern, zuviel Zeit, seinen eigenen Spielzug zu überlegen. Zwischendurch kann man mal Kaffe kochen gehen, sich unterhalten, sagte ich schon, oder auch ein paar Seiten in seinem Lieblingsroman lesen. Zusammen bzw. gegeneinander geht’s erst zum Spielschluss. Siegpunkte gibt es durch Fortschritt auf der zentralen Wertungstafel, durch ausgelegte Karten und Fortschritte auf der eigenen Spielertafel. Ein schönes Element, dass hier nicht nur Vorteile im Spielverlauf erlangt werden können. Man muss schon gut aufpassen, welche Technologien (Karten) man entdeckt und erforscht. Der Zufall beeinflusst dabei in richtigem Maße, welche man überhaupt entdecken und erforschen kann.

Spieletester

14.10.2015

Fazit

Das Spielprinzip gefällt (nicht nur mir) sehr, die Ausstattung lässt keine Wünsche offen. Es sind sogar schon drei Erweiterungen enthalten (mit noch mehr Karten!) und Varianten. Für zwei oder drei Spieler ist das normale Grundspiel völlig in Ordnung, bei vier oder fünf Spielern sollte man aber unbedingt die Variante „Rasantes Mehrspielerspiel“ wählen. Da wird dann das nächste Zeitalter (und das Spielende) schon mit nur einem (statt mehreren) entsprechenden Symbol freigeschaltet und die Spielzeit schnurrt auf angenehme Länge zusammen. Die Erweiterungen müssen erst noch gespielt werden. Sie hören sich interessant an und werden mit Sicherheit noch gewürdigt werden. Wer Aufbau- und Entwicklungsspiele der etwas einfacheren, aber durchaus nicht simplen Art mag und der Spieleranzahl entsprechend die „passende“ Variante wählt, sollte mit Progress viel Freude haben.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten
Preis: 40,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2015
Grafiker: Kristi Harmon
Genre: Strategie
Zubehör:

184 Technologiekarten, 5 Spielertableaus, 1 Machtableau, 100 Holzwürfel, 56 Wissensplättchen, 11 Zeitlatermarker, 5 Übersichtskarten, 5 Technologiebaum-Übersichten, 1 Spielregel

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