Zombicide

Dafür gibt’s hundertprozentig eine rhetorische Figur, die ich vor hundert Jahren mal gelernt habe, fällt mir aber nicht mehr ein. Jedenfalls ist's in sich schlüssig: Zombie-Apokalypse beschreibt ein Szenario, bei dem unsere heile Welt durch widrige Umstände von untoten Unholden überrannt wird. Unsere heile Spielewelt wird von Spielen überrannt, die die Zombie-Apokalypse thematisieren. Zombiception quasi. Mir persönlich gefällt das gut, weil ich mich in dem Genre wohl fühle. Dass dabei aber nicht nur hochkarätiges Gold herausgegeben wird, ist mir natürlich auch klar. Ein Grund mehr, in meiner Eigenschaft als Tester diese Spiele unter die Lupe zu nehmen!

Welches Szenario hätten'S denn gern?

Ist ein Virus ausgebrochen? Eine Pilz-Infektion vielleicht? Oder hat wieder mal eine Weltmacht böse in ihren supermega-geheimen Untergrundlaboren rumgepfuscht? Vielleicht haben wir es aber auch mit einem dieser ständig auftretenden Flüche zu tun?
Tatsächlich wissen wir es nicht. Zombicide macht sehr, sehr schnell klar, dass die Story hier nicht das Maßgebliche ist. Es gibt auch keine. In der Einleitung des Regelbuchs steht lediglich: „Zombicide ist ein kooperatives Spiel, in dem sich Spieler gegen Horden von Zombies stellen [...]“ Als hätten wir das nicht gewusst. Weiters lesen wir: „Die gute Nachricht: Zombies sind langsam, dumm und berechenbar. Die schlechte Nachricht: Es gibt eine Menge Zombies!“
Liebes Regelbuch, wir hoffen, du belügst uns nicht!

Die Struktur des Weltuntergangs

Bevor das Spiel losgeht, müssen sich die Überlebenden (also wir) auf eines der zehn (oder elf, wenn man die Übung mitzählt) Weltuntergangsszenarien einigen, die im Grundregelwerk mitgeliefert sind. Diese Szenarien definieren, welche Spielplanteile wir brauchen und wie wir sie zusammenbauen müssen, was unser Ziel, also die Siegbedingung ist, und welche Sonderregeln uns das Leben versüßen oder -sauen. Außerdem ist ein Schwierigkeitsgrad und eine Mindest-Überlebenden-Zahl angegeben. Bei all dem hat man viel Wert auf Abwechslung gelegt und es kommt wirklich jede Mission mit einem eigenen Feeling daher. Super!

Der fertige Spielplan ist in Zonen unterteilt. Die sind leicht erkennbar: In Gebäuden ist jeder Raum eine Zone. Auf der Straße ist eine Zone immer der Bereich zwischen zwei Zebrastreifen, unabhängig davon, ob er über einen oder mehrere Spielplanteil reicht.
Ganz blank ist unser Spielplatz natürlich auch nicht. In einigen Zonen liegen Ziel-Marker, es gibt verrammelte oder offene Türen, Zombie-Brut-Plättchen, möglicherweise fahrtüchtige Autos... Auch diese Dinge bauen wir nach Angaben des Szenarios auf, dann ist das Spielfeld fertig.

Ein ganz normaler Tag

Inmitten dieses Scherbenhaufens befinden sich unsere Charaktere. Die haben zwar am Anfang nicht viel mehr als eine Pistole und einen Haufen Pfannen, aber dafür ein klares Ziel. Also raus in die Lebensfeindlichkeit unserer Welt und auf die vergammelnden Zombies eingedroschen!

Jeder Zug ist in drei Phasen eingeteilt: Spieler-, Zombie- und End-Phase. In der Spielerphase machen die Überlebenden das, was man eben so für's Überleben machen muss: Zombies killen, Zeugs suchen, Zeugs einsetzen, Türen zu Orten aufmachen, an denen man potentiell gutes Zeugs finden kann, Nahrung beschaffen und und und... Dabei hat jeder Überlebende zu Beginn drei Aktionen zur Verfügung. Im Laufe des Spiels sammeln die Charaktere allerdings Erfahrung, können so neue Level erreichen und dadurch mehr Aktionen und stärkere Spezialfähigkeiten erlangen. Diese Dinge werden, genauso wie die Ausrüstung, auf den Ausweisen der Charaktere festgehalten. Die wichtigste Aktion ist natürlich der Kampf, der nach einem einfachen, aber ausbalancierten Würfel-gegen-einen-Schwellenwert-System ausgeführt wird.

Die Zombies tun genau das Gegenteil: Sie versuchen die Überlebenden vom weiteren Überleben abzuhalten. Vier Typen gibt’s die uns begegnen können: Schlurfer sind die Standardzombies: dumm, schwach, langsam. Läufer sind schon wesentlich gefährlicher, weil sie, man erahnt es schon, laufen. Fettbrocken machen uns das Leben schon richtig schwer, weil sie nur mit bestimmten Waffen kleinzukriegen sind. Und die ultimative Evolutionsstufe ist das Monstrum, von dem es gottlob nur eines gibt. Kaum zu besiegen, zwar langsam, aber dafür sehr hartnäckig sitzt es uns im Nacken.
Die Zombies betreten das Spielfeld über die Zombie-Brut-Plättchen. Je nachdem, welches das höchste Level von all unseren Charakteren ist, kommen mehr oder weniger. Von dort aus gehen sie dann „Gehirne!“-stöhnend auf dem schnellsten Weg zur potentiellen Nahrungsquelle. Wenn gerade keine in Sicht ist, geht die Reise dahin, wo am meisten Lärm gemacht wird. Und sollte sich mal einer in der gleichen Zone wie ein oder mehrere Überlebende/r befinden, wütet er dort und macht Schaden. Eine Wunde hält man aus, beim zweiten ist Sense.

In der End-Phase machen wir nichts weiter, als uns auf den nächsten Zug vorzubereiten. Lärm-Marker vom Spielfeld nehmen, Startspieler-Plättchen weitergeben und los – ein weiterer Tag in der comic-haften schrillen Hölle beginnt .

Ein Spiel ist vorbei, wenn alle Überlebenden auf schreckliche Weise ihr Ende gefunden oder wenn wir unser Missionsziel erreicht haben. Es gibt keinen Mittelweg: Get out or die trying!

Spieletester

14.12.2014

Fazit

Zombicide überzeugt mit fast schon verboten stylischem Comic-Design, wahnsinnig hochwertigem Material und einer (mit Genre-Kollegen verglichen!) schlanken und leicht eingängigen Regel. Auch atmosphärisch braucht sich der Zombie-Shooter nicht verstecken, obwohl es da packendere Spiele wie zum Beispiel Zpocalypse gibt. Es ist quasi das Dead Nation der Brettspielewelt. Der einzige wirkliche Minuspunkt, den ich entdeckt habe, ist der Kompromiss, den man zum Wohle der Spielbarkeit eingehen musste: Das Regelwerk ist stellenweise komplett unlogisch. Und damit meine ich nicht in sich oder spielmechanisch, sondern in Bezug auf den Hintergrund. Warum treffe ich immer erst mal meine Mitspieler, wenn ich in eine Zone baller', und wieso zum Henker schicke ich auch beim Überfahren oder mit einer Granate zuerst meine unverseuchten Freunde über den Jordan, bevor der Schaden auf das Zombie-Gesindel geht? Warum um alles in der Welt werden aus einem Zombie plötzlich zwei, wenn es von ihm aus zwei gleich lange Wege zum nächsten Überlebenden gibt? Ein anderer Punkt, der uns etwas gestört hat, ist der Schwierigkeitsgrad, allerdings auf ungewohnte Weise: Zombicide ist uns zu leicht. Einer meiner Freunde hat es recht gut beschrieben, nachdem wir die fünfte Mission hintereinander ohne Kratzer überstanden haben: „Wir haben das Spiel wohl gebrochen.“ Wenn man den Bogen einmal raus hat, ist die Zombie-Apokalypse tatsächlich ziemlich harmlos. Das fällt aber aus mehreren Gründen nicht arg ins Gewicht: Erstens sind wir einfach sehr trainiert von etlichen anderen Spielen dieses Formats, zweitens bleibt diese Einschätzung sowieso jedem selbst überlassen, und drittens, und das ist das wichtigste, hatten wir trotzdem immer Spaß bei der Metzelei. Alles in Allem eine absolut runde Sache, auf die jeder Freizeit-Zombiejäger, Freund der gepflegten Endzeit und Brettrollenspiel-Liebhaber auf jeden Fall einen Blick werfen sollte!
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

Marco | 15.12.2014

Sorry aber wo ist dieses Spiel zu leicht? Wir haben kein Szenario in "schwer" bislang biegen können. Allein die Tatsache, dass beim Öffnen eines Raumes das ganze Haus voll mit Zombies ist oder dass Suchaktionen auf 1x/Runde eingeschränkt sind, machen doch einen einzigen Höllenritt aus dem Spiel!
Und dem Regelwerk einen Logikfehler vorzuwerfen, weil man mit Fernkampfwaffen eben zuerst eigene Spieler trifft, ist in etwa so sinnvoll, wie bei Herr der Ringe zu hinterfragen, wieso die verdammten Adler Frodo nicht einfach zum Schicksalsberg geflogen haben. Es ist - ein Spiel. Nicht das echte Leben ;) Man versucht ein funktionales und balanciertes Regelwerk auf die Beine zu stellen und bastelt dann eben ein Szenario rundherum.

ich finds lediglich schade, dass zB Phil nicht als Fähigkeit "scharfschütze" hat, da er als ausgebildeter Polizist den anderen ja dahingehend überlegen sein müsste. er könnte imho die fähigkeit haben, besser zu zielen und zB nur bei einer 1 einen eigenen Spieler zu treffen.

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 6
Alter: ab 13 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: 70,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2013
Verlag: Asmodee
Grafiker: Nicolas Fructus
Zubehör:

Endgeile Miniaturen: 6 Überlebende 40 Schlurfer 16 Läufer 8 Fettbrocken 1 Monstrum Marker: 4 Auto-Plättchen 6 Zombie-Brut-Plättchen 1 Ausgangsplättchen 1 Startspieler-Plättchen 10 Ziel-Marker 18 Lärm-Marker 12 Tür-Marker 24 Fertigkeitsmarker Karten: 42 Zombie-Karten 62 Ausrüstungskarten 6 Wunden-Karten Weiteres: 6 Ausweise 6 Erfahrungszähler 6 Würfel 9 Doppelseitige Kartenteile

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