Was war hier passiert? Nun, es kursiert so manche Geschichte, aber die wahrscheinlichste Version, die mir untergekommen ist, sieht so aus: Ähnlich wie seinerzeit auch Star Trek in den 60ern lief Firefly am Freitag Abend. Das ist in den USA der mit Abstand schlechteste Sendeplatz, denn da ist die Zielgruppe entweder nicht daheim oder schaut High School Football. Ergebnis: Firefly hatte eine unterirdische Quote.
Was niemand ahnte: Die Video- und DVD-Recorder der US-Nation liefen zu diesem Zeitpunkt heiß. Und ratet mal, was die aufgezeichnet haben…
(Immerhin durfte Whedon nach dieser Erkenntnis sein Werk mit dem kongenialen Kinofilm Serenity beenden.)
Und damit heiße ich Euch herzlich willkommen in der wunderbaren Welt der Lizenzspiele: Wie wir alle wissen dürften bedeutet das entweder, dass man tief in die Welt seines Begehrens eintauchen darf (Battlestar Galactica - Das Brettspiel) oder man einer Cashcow beiwohnt, die so spektakulär katastrophal ist, dass man gleich wieder vergisst, sie jemals gespielt zu haben (und wenn Euch jetzt klar ist, warum in diesen Klammern kein Titel steht, dann habt Ihr den letzten Satz richtig verstanden). Als Faustregel darf hier gelten: Ist das Franchise bekannt, beliebt, aber gerade nicht aktuell, bestehen gute Chancen, dass das Spiel aus der Feder eines Fans stammt (im heutigen Fall sind‘s sogar deren drei: Aaron Dill, John Kovaleski und Sean Sweigart), der sich bemüht hat, eine ordentliche Adaption hinzukriegen. Ist das Franchise aktuell, dann will nur ein Großkonzern an unsere sauer ersparten Euro.
Und wie sieht’s bei unserem heutigen Objekt der Begierde aus? Nun, der Kinofilm Serenity, der den Serienplot rund um Malcolm Reynolds und die von der Allianz als Versuchskaninchen missbrauchte River Tam zu Ende bringt, stammt aus dem Jahre 2005 und hat damit schon ein knappes Jahrzehnt hinter sich gebracht. Die Hoffnung lebt also, dass wir es mit einer brauchbaren Brettspielvariante der meiner Ansicht nach besten SF-Serie ever zu tun haben. (Jup, ich halte Firefly für besser als Star Trek. Verklagt mich.)
Also dann: Take my Love, take my land, take me where I cannot staaaand…
Das Spiel:
Zu Spielbeginn erhält jeder Spieler ein Raumschiff der Firefly-Klasse (*ach*) und übernimmt die Rolle eines Captains. (Und ja, Malcolm Reynolds ist dabei. Aber auch Companion-Queen Nandi und Allianzscherge Ltd. Womack, was natürlich, seien wir ehrlich, extrem cool ist.)
Die Schiffe der Spieler bieten Platz für eine bestimmte Anzahl von Crew, für Schiffsausbauten, vor allem aber für Fracht und Passagiere. Ein paar der Frachträume sind aber auch versteckt. Hier bringt man Schmuggelware oder Allianzflüchtlinge unter.
Der Spielplan, auf dem man seine Runden drehen wird, zeigt den von den Menschen besiedelten Raum, geteilt in „Allianzraum“ und „Grenzgebiet“. (Und nein, Miranda spielt nicht mit.)
Abgesehen von den Spielern dreht zudem noch im Allianzgebiet ein Kreuzer der Allianz sowie im Grenzgebiet ein Schiff der sog. Reaver (degenerierte, sich durch Grunzlaute verständigende Raubmenschen, die ihre Opfer „zu Tode vergewaltigen, unser Fleisch fressen und aus unserer Haut Kleidung machen. Und nur mit sehr viel Glück in dieser Reihenfolge…“) ihre Runden.
Das Spiel gliedert sich in folgende Elemente:
Durch den Weltraum fliegen:
Man kann sein Raumschiff entweder um ein Feld bewegen oder einen Treibstoff zahlen und Vollschub geben. Gibt man Gas, so darf man je nach Antriebskern eine bestimmte Anzahl Felder ziehen, muss aber auf jedem Feld eine der Region entsprechende Ereigniskarte ziehen, die entweder harmlos ist, selbsterklärende Ereignisse bringt, sehr gerne aber das Reaverschiff oder den Allianzkreuzer übers Feld bewegt. Und beiden will man nicht begegnen… den Reavern generell nicht, und dem Allianzkreuzern besonders dann nicht, wenn man illegale Ware, Allianzflüchtlinge oder von der Allianz gesuchte Crewmitglieder an Bord hat.
Crewmitglieder anheuern und Einkaufen:
Befindet man sich auf einem der fünf Planeten mit Einkaufmöglichkeit, kann man dort Ausrüstung oder Schiffsmodule kaufen, Crew anheuern, Landurlaub machen, um die eigene Crew zu entspannen, sowie Treibstoff oder Ersatzteile erwerben. Will man Ausrüstung, Module oder Crew erwerben, zieht man drei Karten und sucht zwei davon aus. Man darf auch Karten aus dem Ablagestapel erwerben.
Jobs:
Das Herzstück des Spieles sind die Jobs, die man für fünf zwielichtige Auftraggeber annimmt:
Man kann bis zu drei Aufträge der in der Galaxis verstreuten Bosse annehmen. Auch hier darf man sich drei Jobs ansehen und zwei nehmen, und auch hier darf der Ablagestapel benutzt werden.
Die Jobs, die man angenommen hat, führen zu bestimmten Planeten, auf denen Aktionen durchgeführt werden müssen. Es gibt legale und illegale Jobs. Legale Jobs laufen relativ unspektakulär ab (meistens bringt man Fracht oder Passagiere von A nach B), doch bei illegalen Jobs ist das etwas anders: Nicht nur, dass sie manchmal unmoralisch sind und somit moralische Crewmitglieder verärgern, man muss hier auch erst durch ein paar Aktionen durch, bevor man zum entscheidenden Punkt kommt. Dazu zieht man je nach Auftrag eine bestimmte Art von Provokationskarten (die im englischen Original übrigens „Misbehave“-Karten heißen. Schön, oder?) und löst sein Ereignis auf eine der beiden auf den Karten angebotenen Art auf. Dabei werden des Öfteren Checks auf eine der drei im Spiel vorhandenen Fähigkeiten (Kampf, Technik und Verhandeln) verlangt. Diese laufen nach Schema F ab: Würfel, zähl alle Deine Punkte in dieser Fähigkeit hinzu und erreiche damit einen vorgegebenen Wert. Besonders happige Checks bieten als Alternative netterweise „Hau ab und versuch’s in späteren Runden mit anderen Provokationskarten wieder“.
So manche Provokation birgt zudem eine weitere Gefahr: Wenn etwas schiefgeht, wird die Allianz auf uns aufmerksam und man erhält einen Steckbrief. Das sorgt nicht nur für Probleme, wenn man auf den Allianzkreuzer trifft, es verärgert auch noch den Auftraggeber. Nachhaltig…
Als Belohnung für erledigte Jobs gibt es zunächst einmal natürlich Geld. Von dem Kuchen wollen die anderen Crewmitglieder aber ihren Anteil haben. Verweigert man einem Crewmitglied seinen Anteil, gibt’s dafür (und für Moralapostel bei unmoralischen Jobs – siehe oben) einen Verärgert-Marker. Ein Crewmitglied mit einem „Verärgert“-Marker kann von einem Gegenspieler leicht abgeworben werden. Ein Crewmitglied mit zwei solchen Markern übermittelt dem Captain seine schlechtesten Wünsche und verabschiedet sich.
Zusätzlich zur Kohle gilt man jetzt beim Auftraggeber als vertrauenswürdig. Ab sofort kann man hier überzählige Fracht oder Schmuggelware verkaufen, zudem bietet die Freundschaft eines Auftraggebers auch noch spezielle Vorteile. (Okay, abgesehen von Kollegen Ziska. Der bietet keine Vorteile, ist aber dafür generell sehr nachtragend, wenn etwas schiefgeht…)
Und wie gewinnt man nun das Spiel?
Nun, zu Spielbeginn wird ein Szenario gezogen. Dieses Szenario definiert das Spielziel. Der Spieler, der dieses Ziel zuerst erreicht, gewinnt.
Spieletester
Fazit
Das System des Spieles an sich reißt keine Bäume aus, gewinnt wohl in nächster Zeit keine Originalitätspreise und schreibt auch die Geschichte des Abenteuerspieles nicht neu. Die hervorstechendste Idee ist die „Nimm 3, kauf bis zu 2“-Regel, optimiert dadurch, dass man auch den Abwurfstapel durchwühlen darf. Das gibt das Gefühl, gezielt agieren zu können, und nicht ausschließlich Spielball des Universums zu sein. Dem spielt auch die Idee in die Hände, dass der Großteil der Ereignisse (auch der während des Fluges) zwei Möglichkeiten anbieten, um sie aufzulösen.
Genau diese beiden Punkte sind es, die dafür sorgen, dass Firefly – Das Spiel eben kein seelenloses Geplänkel mit Screenshotkarten für Fanboys ist. Einzig das plötzliche Auftauchen der Reaver aus dem Nichts und das (ohne die Crewmitglieder-Kombi „Pilot“ und „Mechaniker“) damit verbundene spontane Ableben der Passagiere und Flüchtlinge (Mahlzeit) fällt etwas unangenehm auf, ist aber so schön thematisch richtig, dass der Fan eigentlich nicht böse sein kann. Und so oft, dass es das Spiel aus dem Gleichgewicht bringen könnte, kommt’s nicht vor.
Dringend abraten muss ich hier von der Solitaire-Version: Der Spieler tritt hier gegen ein Zeitlimit an, was gut genug ist, um die Mechanik auszuprobieren, aber als SPIEL ist sie völlig unbrauchbar. Erstens haben die Herrschaften wohl vergessen, dass das Spiel relativ viele Karten enthält, die es den Gegnern (!!!) erlauben, das böse Reaver- oder Allianzschiff zu bewegen, und außerdem beginnt man, um das Spiel gleich in Fahrt zu haben, bereits mit vier Crewmitgliedern (exklusive Captain). Ich schreib’s den Autoren solcher Spiele immer wieder auf’s schwarze Brett: Es hat einen Grund, warum die brauchbaren Exemplare wie Descent oder Runebound sehr verhalten beginnen und nur langsam und vorsichtig ihre Spieler aufbauen: Ein Start mit X+10 Fähigkeiten und Creweigenschaften bringt entnervte, rauchende Köpfe… und das Vergessen wichtiger Eigenschaften und Boni.
Rein optisch gibt’s nichts zu meckern: Neben den wohl obligatorischen Screenshots haben sich die Designer alle Mühe gegeben, das Universum ordentlich auf den Spieltisch zu holen. Die Provokationskarten sind im Pokerkartenstil gehalten und die Karten der fünf Handelsposten sehen wie Werbeplakate für die entsprechenden Orte aus. Einziger Wermutstropfen: Wegen der Kartenfülle, des großen Spielplanes und der großen (und mit jedem neuen Crewmitglied wachsenden) Raumschiffbereiche der Spieler braucht Firefly – Das Spiel einen ziemlich großen Tisch. Aber den sollte man definitv suchen. Lohnt sich…
Das englische Original ist bei Gale Force Nine erschienen.
Plus
Minus
Besucherkommentare
Das Standardspiel ist ein klassisches „Pick up and deliver-Game“ und somit ein simpler Wettlauf. Zwar einer mit ganz besonders toller Atmosphäre, aber eben auch nicht mehr. Mit den Erweiterungen „Schwerelos“ (deutsch), „Blue Sun“ und „Pirates & Bounty Hunters“ (beide derzeit englisch) wandelt sich die ganze Angelegenheit jedoch dramatisch und wird zu einem Brettspiel im Sandkasten-System, das seinesgleichen sucht. Interaktion ist dann plötzlich ein ganz großes Thema. Ständig auf Beute lauernde Reaver-Schiffe sind dann plötzlich ein großes Thema. Kapitäne, die auf der Suche nach schnellem Profit plötzlich auf die Idee kommen, die Firefly eines Mitspielers zu entern, sind dann plötzlich ein großes Thema. Aus dem ursprünglichen Wettlauf-Konzept wird ein ständiges Zweifeln, ob denn der (zu erwartende) Profit das Risiko lohnt. Ob die Besatzung des eigenen Schiffes tough genug ist, um mit den (zu befürchtenden) Anforderungen klarzukommen. Ob man um die mit Sicherheit eintretenden Schwierigkeiten eher einen Ausweichkurs programmieren oder aber sich mitten hinein stürzen sollte in das nächstbeste Handgemenge.
Wie es Malcolm Reynolds so schön formuliert:
„Well, I must say, you’re my kind of stupid.“
Und Jayne Cobb bringt’s überhaupt auf den Punkt:
„Ten percent of nothing is … let me do the math here … nothing into nothing, carry the nothing…“
Im Netz finden sich Solo-Szenarien, mit denen man jede einzelne Episode der TV-Serie sowie den Kinofilm durchspielen kann. Und das Beste daran: Mit ein wenig Phantasie kann man mühelos eigene Szenarien entwerfen, die die Geschichte des FIREFLY-Universums weiterführen. Man übernimmt gewissermaßen den Part des Autors, setzt sich in den Regiesessel und ist gleichzeitig Hauptdarsteller in seiner eigenen Serie! FIREFLY bettelt sogar gewissermaßen darum, mit Hausregeln ganz nach dem Geschmack der jeweiligen Spielerunde aufgepeppt zu werden. Das Spielsystem bietet dazu eine große Menge an Stellschrauben, an denen gedreht werden kann. Eine offene Benutzeroberfläche sozusagen.
Es gibt aktuell kein Brettspiel auf dem Markt, das den Geist und die Atmosphäre einer TV/Film-Serie besser umsetzt. Und das sage ich obwohl „Star Trek Fleet Captains“ und (da ist es wieder mal) „Fortune and Glory“ zu meinen Lieblingsspielen zählen.
Ich gebe euch recht: Firefly ist ein großartiges "Pick&Delivery-Spiel", das die Atmosphäre der Serie perfekt einfängt und von seinen Erweiterungen sehr profitiert - je nachdem, wie sehr die Spieler z.B. Interaktionen und Piraterie wünschen.
Man sollte sich aber unbedingt von BGG eine Übersicht zur Kartenverteilung bei den einzelnen Planeten ausdrucken, damit man weiß, wo man was bekommt. Außerdem sollte man stets so schnell wie möglich eine gute Crew zusammenstellen, damit man deutlich weniger Probleme mit den Unwägbarkeiten des Spieles hat. Wer allein losfliegt, geht schnell unter.
Wie auch immer... Firefly ist ein Spiel, das ein wenig Kennenlernen erfordert, dann aber mit jeder Partie besser wird.
Kommentar verfassen
Details
1 Spielplan
7 Raumschifffiguren
149 Karten
2 Würfel
167 Marker
Spielgeld
Spielanleitung
Statistik
Derzeit findest Du auf spieletest.at
7554 Gesellschaftsspiele-,
1668 Videospielrezensionen
2243 Berichte.