Terra Mystica

Schon im Vorfeld der Spielemesse in Essen 2012 gab es Informationen über einen neuen und sehr interessanten Verlag namens Feuerland Spiele, der dort sein Erstlingswerk Terra Mystica präsentieren würde. Die Gerüchteküche kochte schnell hoch, sollte doch auch der bei Vielspielern sehr beliebte und angesehene Spieleautor Uwe Rosenberg beratend mit im Boot sein. Es gab natürlich auch eine Menge Vorschusslorbeeren, aber wie jeder Spieler mittlerweile aus Erfahrung wissen sollte, folgt dann nicht in jedem Fall ein entsprechend gutes Spiel, das den hohen Erwartungen auch gerecht werden kann. In dieser Rezension wollen wir überprüfen, ob die Jungs von Feuerland Spiele alles richtig gemacht haben.

Vor den Spielern entsteht durch Terra Mystica eine Fantasy-Welt, in welcher derzeit bis zu 14 verschiedene Rassen bzw. Völker leben. Jedes dieser Völker hat besondere Eigenschaften, ist aber auch an einen von sieben Landschaftstypen gebunden, der für seine Siedlungen zwingend notwendig ist. Jedem Landschaftstypen sind zwei Völker zugeordnet, so finden z.B. Fakire und Nomaden Wüstenbereiche toll, während sich Alchemisten und Düsterlinge im Sumpf pudelwohl fühlen. Das Spielbrett selbst zeigt eine aus den verschiedenen Landschaftstypen in Form von Hexfeldern bunt zusammengesetzt Welt, die zudem noch durch mehrere Flussläufe unterbrochen ist. Um hier durchgehende Siedlungsgebiete zu schaffen, auf denen Wohn- und Handelshäuser, Festungen, Tempel und Heiligtümer errichtet werden können, müssen die jeweiligen Völker unpassende Landschaftsarten in ihre jeweilige Lieblingslandschaft umwandeln, Brücken errichten und eventuell auch ihre Fähigkeit zur Schifffahrt entwickeln. Ziemlich viel zu tun also und das ist erst der Anfang.

Jeder der zwei bis fünf Spieler erhält vor Spielbeginn ein Völkertableau, auf welchem die beiden dem Landschaftstyp zugehörigen Völker auf Vor- bzw. Rückseite zu finden sind. Von diesen Beiden können sie sich jeweils eines aussuchen. Dazu gibt es einen Satz an Gebäuden, mit welchen das Tableau bestückt wird und der in der jeweiligen Landschaftsfarbe gehalten ist. Dadurch wird vermieden, dass zwei Spieler mit identischen Landschaften ins Spiel starten. Die einzelnen Völker haben unterschiedliche Startbedingungen, sowie sehr stark unterschiedliche Eigenschaften, die wunderbar in den Kontext des jeweiligen Volkes eingepasst wurden. Diese besonderen Eigenschaften werden auch auf einer separaten Seite der Spielregel ausführlich erklärt.

Das Spiel läuft über sechs Runden, wobei jede der Runden in drei Phasen gegliedert ist: Einkommensphase, Aktionsphase sowie Auswertungs- bzw. Vorbereitungsphase für die nächste Runde. Für jede dieser Runden wird zufällig ein Wertungsplättchen gezogen, durch das bestimmte Aktionen belohnt werden. Weiterhin gibt es, je nach Anzahl der Spieler, unterschiedlich viele Bonusplättchen. Auf einem separaten Spiel-Tableau wird der aktuelle Stand der Spieler in der Anrufung der vier Kulte: Feuer, Erde, Wasser und Luft, angezeigt.

Beginnend mit dem Startspieler setzen die Spieler zu Beginn des Spiels ein Wohnhaus auf jeweils ein Hexfeld mit ihrer Heimatlandschaft und in umgekehrter Spieler-Reihenfolge ein weiteres. Zudem suchen sie sich noch ein Bonusplättchen aus, dessen Vorteil sie in dieser Runde nutzen können und erhalten anschließend ihr Grundeinkommen an Arbeitern, Macht, Priestern und Geld.

Im Anschluss beginnt die eigentliche Hauptphase jeder Runde: die Aktionsphase.
In dieser können die Spieler reihum immer genau eine von sieben möglichen Aktionen ausführen, bis sie ein Mangel an Ressourcen oder Planungen für den nächsten Zug dazu bringen, zu passen. In diesem Fall geben sie ihr Bonusplättchen ab und nehmen sich ein frei ausliegendes, um dessen Boni in der nächsten Runde zu nutzen. Nachfolgend aufgeführte Aktionen stehen den Spielern zur Auswahl: Landschaften umwandeln und neue Gebäude errichten, Verbesserung der Schifffahrt, Verbesserung der Fähigkeit zur Landschaftsumwandlung, Aufwertung bestehender eigener Gebäude, Verbesserung der Anrufung der Kulte, Nutzung spezieller Machtaktionen sowie die Nutzung spezieller Bonusaktionen, welche z.B. durch Bonusplättchen oder nach dem Bau der eigenen Festung zur Verfügung stehen. Auf all die möglichen Aktionen im Detail einzugehen würde den Rahmen der Rezension bei weitem sprengen, aber zum besseren Verständnis müssen einige zumindest angerissen werden.

Das grundlegende Ziel des Spiels besteht darin, sich ausgehend von den auf den selbst gewählten Startpunkten stehenden Wohnhäusern auszubreiten und eigene Gebiete Stück für Stück zu vergrößern. Da die Völker nur auf ihrem Landschaftstyp bauen können, müssen also benachbarte Landschaften umgewandelt werden. Die Kosten für die Umwandlungen sind auf dem Völkertableau im Landschaftskreis festgehalten. Dieser ist natürlich für jedes Volk unterschiedlich. Zudem sollten möglichst schnell die hochwertigeren Gebäude errichtet werden, um die entsprechenden Boni und Sonderaktionen freizuschalten und um die Grundlagen für spätere Stadtgründungen zu schaffen. Im gesamten Spiel müssen insbesondere die Stärken und Schwächen des eigenen Volkes berücksichtigt werden. Diese sind symbolhaft auf den jeweiligen Völkertableaus verzeichnet, auf denen auch alle eigenen zur Verfügung stehenden Gebäude abgestellt werden. Wird eins davon gebaut, wird also weiteres Einkommen freigeschaltet, und wird ein Gebäude zurückgenommen, weil es gegen ein höherwertiges ausgetauscht wurde, wird natürlich das entsprechende Feld wieder gesperrt. Eine einfache aber geniale Methode, um immer einen Überblick über das eigene Grundeinkommen für die nächste Runde zu haben. In Terra Mystica gibt es außerdem gleich vier Währungen: Arbeiter, Geld, Priester und Macht. Will man gewinnen, sollte man keine davon außer Acht lassen. Die Nutzung und der Einsatz der ersten drei ist sattsam auch aus anderen ähnlichen Worker-Placement-Spielen bekannt, die Idee der Machtnutzung ist neu und wirklich originell. So hat jeder Spieler zu Beginn des Spiels eine identische Anzahl von Machtmarkern zu Verfügung, die je nach Vorgabe des Volkes auf die drei Schalen der Macht verteilt werden. Gewinnt man Macht durch eigene oder gegnerische Aktionen hinzu, wandern diese Machtmarker nach bestimmten Regeln in einem Kreislauf durch die Schalen und können dabei für spezielle und sehr hilfreiche Machtaktionen genutzt werden.

Um an die zum Sieg benötigten Siegpunkte zu gelangen, gibt es in Terra Mystica vielerlei und überreichliche Möglichkeiten. So erhalten die Spieler z.B. Siegpunkte für Entwicklungsfortschritte des jeweiligen Volkes, als Spielrunden- oder Völkerboni, für die Endplatzierung in den Kulten und natürlich für die Größe des eigenen Siedlungsgebietes am Spielende. Diese vielen Möglichkeiten machen das Spiel für Einsteiger aber auch ein wenig unübersichtlich und verlocken manchmal zu kleinen Extravaganzen, die man in der Endabrechnung bereut, weil dann die eine oder andere Ressource zur eigentlich geplanten Aktion fehlt. Andererseits sind sie aber auch das Salz in der Spielesuppe, denn eine todsichere Gewinnstrategie ist noch nicht entdeckt worden.


Spieletester

21.04.2013

Fazit

Terra Mystica ist recht komplex, so dass man ein bis zwei Partien Spielpraxis benötigt, um alle Zusammenhänge ausreichend verstanden zu haben und intuitiv spielen zu können. Dankenswerter Weise zieht es seine Komplexität allerdings nicht aus einer Überkonstruktion von Spielmechanismen wie z.B. das aktuelle Bora Bora. Im Gegenteil, die einzelnen Mechanismen greifen geschmeidig ineinander und schaffen so ein tolles Spielgefühl. Die Spielregel ist zudem sehr eingängig und der Interaktionsgrad zwischen den Spielern überaus hoch. Hieraus zieht das Spiel auch einen Großteil seiner Spannung. Soll man dem direkten Gegner ein lukratives Ausbreitungsgebiet vor der Nase wegschnappen oder doch lieber warten, die eigene Ressourcen schonen und dankend den Machtzuschuss mitnehmen, den dessen Siedlungstätigkeit abwirft? Ständig gibt es viele, viele Möglichkeiten das Spiel zu gestalten, leider können die Spieler nur einen Bruchteil davon nutzen. Optisch ist Terra Mystica zwar nicht unbedingt ein Highlight geworden, doch sind das überreichliche Material sowie das Spiel selbst sehr gut gestaltet. Leider fehlt aber auch an manchen Stellen ein wenig Atmosphäre, wirkt es etwas abstrakt. Ein riesengroßes Plus verbucht das Spiel jedoch durch den friedlichen Wettkampf der 14 verschiedenen Völker, die sich zudem wirklich komplett unterschiedlich spielen. Dabei erschließen sich deren spielerische Vor- und Nachteile meist erst im Laufe der Partie, sodass man oft geneigt ist, nicht gleich mit einem neuen Volk zu spielen, sondern mit dem identischen Volk eine geänderter Strategie auszuprobieren. Wiederspielreiz hoch zehn also! Zudem arbeiten Helge Ostertag und Jens Drögemüller derzeit an der ersten Erweiterung, die weitere sechs Völker und zwei neue Landschaftsarten beinhalten soll. Terra Mystica ist in jeder Besetzung mit zwei bis fünf Spielern problemlos spielbar, verspricht Spielspass pur und sollte in keiner Spielsammlung eines Viel- und Gernspielers fehlen. Absoluter Kauftipp!
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 120 Minuten
Preis: 59,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2012
Grafiker: Dennis Lohausen
Genre: Strategie
Zubehör:

Spielplan, Spielregel, 1 Kultplan, 7 doppelseitige bedruckte Völkertableaus für 14 Völker, 56 Landschaftsplättchen aus Pappe (doppelseitig bedruckt), 65 Arbeiterklätzchen aus Holz, 85 Münzmarker aus Pappe (Werte 1, 2 und 5), 65 Machtchips aus Holz, Startspielerfigur aus Holz, 17 Aktionsmarker aus Pappe, Spielendenmarker aus Pappe, 5 Siegpunkte-Zählmarker aus Pappe, 18 ovale Gunstplättchen aus Pappe, 56 Wohnhäuser aus Holz (je 8 in 7 Spielerfarben), 28 Handelshäuser aus Holz (je 4 in 7 Spielerfarben), 7 Festungen aus Holz (je 1 in 7 Spielerfarben), 21 Tempel aus Holz (je 3 in 7 Spielerfarben), 7 Heiligtümer aus Holz (je 1 in 7 Spielerfarben), 49 Priester aus Holz (je 7 in 7 Spielerfarben), 49 Machtsteine aus Holz (je 7 in 7 Spielerfarben), 21 Brücken aus Holz (je 3 in 7 Spielerfarben), 10 Stadtmarken aus Pappe, 8 rechteckige Runden-Wertungsplättchen aus Pappe, 9 Runden-Bonuskarten aus Pappe, 5 Spielerhilfen aus Pappe

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