Mysterien der Templer

"Non nobis Domine, non nobis, sed nomini tuo da Gloriam." *)

Die Gemeinschaft der Tempelritter war ein geistlicher Ritterorden, der um 1118/1119 gegründet wurde und es sich zur Aufgabe stellte, Pilger auf ihrem Weg durch das Heilige Land vor Angriffen muslimischer Krieger ebenso wie vor Überfällen christlicher Wegelagerer und Plünderer zu schützen. Er war der erste Orden, der sowohl die Ideale der Mönche als auch die des Rittertums vereinte. Viele Legenden ranken sich noch heute um die in weiße Mäntel gekleideten Tempelritter, die zur militärischen Elite ihrer Zeit gehörten, all ihren weltlichen Besitz dem Orden vermachten und Gehorsam, Armut und Keuschheit gelobten.
Zur Legendenbildung trug auch das jähe Ende des Ordens bei, als der französische König am Freitag, dem 13. Oktober 1307 ( ja, genau: daher auch heute noch der Aberglaube mit "Freitag, dem 13."!), in einer konzertierten Aktion alle Tempelritter verhaften ließ, derer er in seinem Einflussbereich habhaft werden konnte. Bald hieß es, die Templer hätten geheime Schätze angehäuft, bei Grabungsarbeiten in Jerusalem sogar die Bundeslade und den Heiligen Gral entdeckt! Natürlich wollte der König an diese Reichtümer gelangen, denn mit seiner Staatskasse stand es wieder einmal nicht zum Besten. Doch es wurden keine Reliquien oder gar mystische Kostbarkeiten gefunden. Im Volk erzählte man davon, dass es einigen Templern gelungen wäre, sich der Verhaftung zu entziehen und all ihre geheimnisvollen Schätze in Sicherheit zu bringen.

Spielmaterial

Die Schachtel ist randvoll gefüllt mit einer Vielzahl von Karten, Markern und Holz-Spielsteinen. Während die Karten und die Spielsteine von überzeugender Qualität sind, ist der Druck der Stanzbögen, aus denen die Papp-Marker gelöst werden müssen, nicht ganz optimal ausgefallen. Einige der Marker sind dazu noch sehr klein geraten und verlieren sich recht rasch auf dem Spielbrett. Apropos Spielbrett: Dieses misst beachtliche 103 x 72 cm und wenn man nun auch noch das Spielmaterial auf dem Tisch unterbringen möchte, muss dieser schon recht groß sein! Aufgrund der enormen Abmessungen des Spielplanes bietet er jedoch auf Leisten und Ablageflächen für viele Bestandteile des Spielzubehörs direkt und ausreichend Platz.

Das 24-seitige Regelheft ist sehr komplex, jedoch durchaus strukturiert und mit vielen Abbildungen und Fallbeispielen gespickt. Im Gegensatz zu Gelegenheitsspielern werden Spieleprofis nach einiger Anlaufzeit relativ gut damit zurechtkommen. Auf der letzten Umschlagseite des Heftes findet sich eine Übersicht des Spielablaufes – diese wird während der ersten Partien unter Garantie Verwendung finden (müssen)!

Leider haben sich in der Anleitung einige teilweise gravierend falsch übersetzte Passagen eingeschlichen, die den Spielablauf der ersten Durchläufe erheblich stören. Diesbezüglich trifft der Titel Mysterien der Templer auch auf ungewollt negative Weise zu...

Spielkonzept

Bis zu vier Spieler übernehmen die Rolle des Anführers einer Ordensfraktion, verwalten deren Vermögen, handeln mit Gütern aus dem Heiligen Land, rekrutieren Novizen und Ritter und sorgen für die Bewirtschaftung der in Europa angesiedelten Komtureien des Templerordens. Als Präzeptoren leiten sie dessen Geschicke über einen Zeitraum von zwei Jahrhunderten und erleben hautnah mit, wie sich die historischen Tatsachen mit eben jenen Legenden über sakrale Reichtümer und geheimnisvolle Schätze zu einem einzigartigen Handlungsstrang verbinden!

Spielziel

Wie schon erwähnt durchleben die Spieler an der Spitze ihrer Fraktion das komplette Dasein des Templerordens. Während dieser Zeitspanne sammeln die Spieler Reliquien, bilden Ritter aus und kämpfen mit diesen im Heiligen Land, verschiffen Waren oder transportieren diese über den Landweg, vermehren ihr Vermögen und erhalten dafür bereits während der laufenden Partie Siegpunkte. Sobald das Ereignis „1307“ ins Spiel gelangt, wird das baldige Spiel-Ende eingeläutet. Je nachdem, worauf die Spieler ihren Fokus gerichtet hatten, müssen sie nun versuchen, einen bestimmten Zufluchtsort zu erreichen (Reliquien = Zypern, Ritter = Marienburg, Münzen = Edinburgh, kein spezieller Fokus = Tomar). Spieler, die dies schaffen, erhalten für alle in Sicherheit gebrachten Reliquien/Ritter/Münzen am Ende nochmals Siegpunkte. Wer insgesamt am meisten davon ergattern konnte, hat das Spiel gewonnen.

Spielablauf

Das Spiel läuft über mindestens elf und maximal 15 Spielrunden, ehe das Spiel-Ende eingeleitet wird. Jede dieser Spielrunden gliedert sich in fünf einzelne Phasen. In der (kooperativen!) Missionsphase schicken die Spieler ihre im Heiligen Land stationierten Ritter aus, um sich mit diesen an Eskort- und Ausgrabungsmissionen zu beteiligen, die im Erfolgsfall den Gewinn von Münzen, Siegpunkten und/oder Reliquien bedeuten.

In der Marktphase können orientalische Waren eingekauft, für den Abtransport gen Europa bereitgestellt und Handelsgüter, die bereits in den eigenen europäischen Ländereien lagern, verkauft werden.

Geschichtlich bedeutsame Vorfälle, Feindberührungen mit Piraten, Räubern und Sarazenen, die Entwicklung neuer Templerprovinzen durch Kauf und Bewirtschaftung von Gebäuden sowie die Bereitstellung von Land- und Seetransportmitteln werden in der Ereignisphase abgehandelt. Die historisch wichtigsten Geschehnisse treten ihrer zeitlichen Abfolge gemäß auf und stellen generell schwere Einschnitte für die Besitzungen der Spieler im Heiligen Land dar. Diese Spielmechanik kann auf Gelegenheitsspieler äußerst demotivierend wirken und auch bei versierten Spieleprofis zu heftigem Bluthochdruck führen. Hiervon bleibt der Spieleautor jedoch unbeeindruckt und streng akkurat – „Der Fall von Jerusalem“ (1187), „Der Albigenserkreuzzug“ (1209) sowie „Der Fall von Akkon“ (1291) waren nun einmal extrem harte Schicksalsschläge im Leben der Kreuzfahrer, von denen sie sich letzten Endes auch nicht mehr erholen konnten.

Die Transportphase gibt den Spielern die Möglichkeit, ihre im Heiligen Land gebunkerten Waren zu verschiffen oder diese per Karawane über den Landweg zu transportieren, um sie nach einer oft gefahrvollen Überfahrt schlussendlich in ihren eigenen Komtureien zu lagern.

In der Ressourcenphase werden die in den Gebäuden der Komtureien befindlichen Bestände (Münzen, Waren, Novizen, Ritter) bei Bedarf neu gruppiert, Ritter können Städte erkunden, erbeutete Reliquien in Kapellen ausgestellt und Novizen zu Rittern ausgebildet werden. Zudem muss nun das stehende Heer durch die Zahlung von Münzen unterhalten werden.

Das Endspiel

Wie das Amen im Gebet jedes Tempelritters wird irgendwann zwischen der elften und der 15. Spielrunde die Ereigniskarte "1307: Die Verfolgung" gezogen. Diese Karte löst das Endspiel aus. Jedem Spieler wird nun (wie schon unter „Spielziel“ beschrieben) ein finaler Zufluchtsort zugewiesen, den er mit seinen Besitztümern tunlichst erreichen sollte, will er für diese am Ende des Spieles nochmals Siegpunkte lukrieren.
Ausgehend vom Gebiet „Paris“ werden in jeder weiteren Spielrunde in konzentrischer Ausbreitung alle jeweils daran angrenzenden Gebiete mit einem „1307“-Marker gekennzeichnet, dadurch inaktiv und alle darin befindlichen Gebäude und Ressourcen kommen aus dem Spiel. Nach acht solcher Spielrunden, die nur noch aus abgespeckten Transport- und Ressourcen-Phasen bestehen, ist das Spiel zu Ende. Für alle Reliquien, Ritter und Münzen, die sich nun im sicheren Zufluchtsort befinden, werden Siegpunkte eingefahren. Alles, was es nicht an diese geschützten Orte geschafft hat, ist der Inquisition ausgeliefert und damit endgültig verloren.

Optionale Regeln

Durch die Variante Ordensmeister erhält jeder Spieler zu Spielbeginn zwei Personenkarten, die über individuelle Eigenschaften verfügen und jeweils einmal pro Spiel genutzt werden dürfen. Die Variante Strategische Feinde gibt den Feindereignissen eine gänzlich neue – für die Spieler durchaus bedrohliche – Wendung und gestaltet die Feindberührungen deutlich dramatischer.

Spieletester

20.08.2013

Fazit

Wer nach einem Brettspiel gesucht hat, das in zeitgeschichtlich epischem Maßstab und historisch exakt über das Hochmittelalter berichtet, ist am Ziel seiner Suche angelangt. Es ist offensichtlich, dass sich Signore Silvio Negri-Clementi ausführlich mit den authentischen Wurzeln dieser Epoche auseinandergesetzt hat, denn Mysterien der Templer bietet den Spielern eine beeindruckende und teilweise auch innovative Herangehensweise an diese so geschichtsträchtige Zeitspanne. Dem Spiel beigefügt findet sich auch eine 20-seitige reich bebilderte Broschüre, die in übersichtlicher Weise einen Abriss über das Werden und Vergehen des legendenumrankten Templerordens gibt.

Kann man mit dem Kreuzritter-Thema und/oder mit hart zu knackenden Wirtschaftssimulationen so gar nichts anfangen, wird man das Spiel nicht wirklich genießen können und sollte ebenso wie Familienspieler generell die Finger davon lassen. Gelegenheitsspielern steht ein ebenso schwer überbrückbares wie hartes Stück Arbeit bevor, sich mit den vielfältigen Mechanismen vertraut zu machen - um jedoch letzten Endes mit einem tollen Spieleerlebnis belohnt zu werden! Für versierte Spieler, die an mittelalterlichen Szenarien Gefallen finden, gibt es jedoch an dieser Stelle eine deutliche Kaufempfehlung - auch wenn es selbst der abgebrühte Spieleprofi nicht schaffen kann, bereits die erste Partie friktionsfrei zu absolvieren; zu erfolgreich sperrt sich anfangs das dicht gewobene Regelwerk gegen seine fehlerfreie Erarbeitung.

Das zweischneidige Schwert an der Sache: Einerseits gewinnt Mysterien an taktischem Tiefgang, je mehr Spieler daran teilnehmen - andererseits steigt die Spieldauer in der Maximalbesetzung ganz locker auf mehr als vier Stunden an! Wen das jedoch nicht weiter stört und wer auch noch Tage nach einer Partie gerne darüber nachgrübelt, weshalb er das Spiel denn nun eigentlich verloren hat/gewinnen konnte, wird sehr viel Freude daran haben, die Mysterien der Templer zu entschlüsseln.

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*) „Nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern deinem Namen sei Ehre." Der Leitspruch der „Armen Ritterschaft vom Salomonischen Tempel“, wie der volle Name des Ordens lautete. 


Habit, Kreuzfahrerschwert, Dolch und Siegelring der Tempelritter stammen aus den Beständen meiner persönlichen Rüstkammer und sind daher nicht im Lieferumfang des Brettspieles enthalten. Ätsch!
Redaktionelle Wertung:

Plus

  • tolle Ausstattung
  • dichte Atmosphäre

Minus

  • nur Vielspielern ans Herz zu legen
  • schwer zu knackende Spielanleitung
  • Spielplanhilfen leiden unter mangelnder Funktionalität

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 240 Minuten
Preis: 40,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2013
Grafiker: Kurt Miller
Genre: Strategie
Zubehör:

Allgemein:
  4 Spielertafeln
  1 Spielplan
  1 Regelheft (24 Seiten)
  1 Historien-Anhang (20 Seiten)
Karten:
  4 Reihenfolgekarten
  8 Ordensmeisterkarten
20 Tempelritterkarten
20 Missionskarten
30 Ereigniskarten
12 Reliquienkarten
Papp-Marker:
13 Reliquienmarker
81 Münzmarker
38 Warenmarker
34 Rittermarker
22 Novizenmarker
  9 Marktmarker
35 Jahresmarker "1307"
  8 Tempelrittermarker
40 Anlaufortemarker
32 Feindemarker
  9 Templerprovinz-Schilde
Spielmaterial aus Holz:
60 gravierte Siegel
  4 Wertungsmarker
10 Transportmittel
  1 Würfel (sechsseitig)

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