Dragon Rage

Lewis E. Pulsipher muss zu den Größen der amerikanischen Spielewelt gezählt werden. Als Brettspieleautor zeichnet er für mehrere Spiele verantwortlich, darunter das bekannte Britannia, als Experte im Design von Videospielen konnte er mehr als 100 Artikel in führenden Fachzeitschriften veröffentlichen, außerdem unterrichtet er in den U.S.A. Spiele-Design und konnte auf diesem Gebiet schon über 17.000 Lehrstunden Erfahrung sammeln.
1982 wurde sein Spiel Dragon Rage veröffentlicht. Für die 2010er Version (die auf 1.500 Stück limitiert ist!) wurden einige wenige alte Elemente verändert und ein paar neue zum Spiel hinzugefügt. Von dieser neueren Version handelt der vorliegende Test.

Mächte prallen aufeinander

Dragon Rage erzählt vom epischen Konflikt einer angreifenden mit einer verteidigenden Streitmacht, wobei die Spieler jeweils eine der beiden Seiten befehligen. Je nach Szenario sind die Armeen aus verschiedenen Einheiten zusammengesetzt. Neben Drachen und menschlichen Einheiten wie Milizen, Infanterie und Kavallerie, gibt es eine Vielzahl an anderen Ungeheuern, mit Riesen, Rocs und Trollen seien hier nur ein paar erwähnt.

Das Ziel der Angreifer ist es, Siegpunktfelder der Verteidiger zu zerstören und dadurch eine bestimmte Anzahl an Siegpunkten zu sammeln. Klarerweise muss es das Ziel der Verteidiger sein, genau das zu verhindern. Zu Beginn werden die beiden Heerscharen aufgestellt, danach läuft das Spiel rundenbasiert ab. Eine Runde gliedert sich in:

(1) Magiephase der Angriffsstreitmacht
(2) Bewegungsphase der Angriffsstreitmacht
(3) Fernkampf- und gegebenenfalls Drachenfeuerphase der Angriffsstreitmacht
(4) Nahkampfphase der Angriffsstreitmacht
(5) Magiephase der Stadtstreitkräfte
(6) Verstärkungsphase der Stadtstreitkräfte
(7) Bewegungsphase der Stadtstreitkräfte
(8) Fernkampfphase der Stadtstreitkräfte
(9) Nahkampfphase der Stadtstreitkräfte
(10) Rundenmarker versetzen

Alle nötigen Werte sind dabei auf den Pappmarkern, durch welche die Einheiten dargestellt werden, aufgezeichnet. Es gibt den Bewegungs-, den Flucht- und den Angriffswert. Viele Aktionen werden durch Würfeln ausgeführt. Kommt es z.B. zu einem Nahkampf, werden die Angriffswerte der kämpfenden Einheiten auf einer Tabelle gesucht, auf der nachzulesen ist, bei welchem Würfelergebnis der Angriff erfolgreich ist. Eine ähnliche Tabelle gibt es für das Erklimmen von Mauern und das Durchbrechen von Toren und Türen.
Andere Situationen, wie das Abstürzen eines Drachen oder die Zerstörung von Siegpunktfeldern, sind klar reglementiert und nicht vom Würfelglück abhängig.

Trotz der strengen Rundeneinteilung sind die Aktionsmöglichkeiten schier endlos. Klettere ich mit meinen Orks über die Mauer, um meinem Gegner in den Rücken zu fallen, oder bewege ich mich lieber auf ein Siegpunktfeld, um es möglicherweise nächste Runde zerstören zu können, und wenn ich klettere, breche ich danach durch die Tür in den Turm ein oder greife ich lieber den Magier an, und, und, und...
Diese Fülle an Aktionspotential ist bisweilen beinahe erschlagend. Alle erdenklichen Situationen mit allen Konsequenzen durchzudenken ist schlichtweg unmöglich, zumal letzlich dann doch spätestens im Kampf der Würfel entscheidet. Die Züge ziehen sich dadurch oft unnötig in die Länge, das Spiel wirkt nicht kompakt und wird dadurch letzten Endes etwas ermüdend.
Außerdem muss man sehr oft in der Anleitung (die auch nicht gerade das Gelbe vom Ei ist, s.u.) nachlesen, da fast jede Kreatur und jede Situation irgendwelche Sonderregeln hat. Ein Beispiel: Tore durchbrechen. Ist das Tor rot oder blau, stehen dahinter Einheiten oder nicht und ist der Angreifer ein Monster, wenn ja, ein großes oder ein kleines? Durch die Sucherei in der Anleitung wird das Spiel noch zusätzlich entschleunigt.

Die Neuerungen der zweiten Edition sind eine rudimentäre Regelüberarbeitung, neue Grafiken, eine komplett neue Karte und ein Kampagnensystem, in dem jedes Spiel die nachfolgenden beeinflusst.

Das Material

Prinzipiell ist an der Qualität des Spielmaterials nichts auszusetzen. Die Marker sind aus stabiler Pappe, ebenso das Spielbrett. Die Übersichtstafeln für die Monster sind zwar etwas dünner, aber immer noch ausreichend stabil und sie geben auch optisch etwas her. Die Illustrationen der Marker sehen allerdings etwas altbacken aus. Im Einleitungstext wird zwar stolz darauf verwiesen, dass die Zeichnungen brandneu und sogar farbig sind (ja, sogar farbig!), sie könnten aber genauso gut aus der alten Version übernommen sein. Einzig die Rückseite der Marker lässt einen glauben, dass das Design generalüberholt wurde, denn dort sind noch die originalen Illustrationen der alten Version zu sehen. Diese wirken tatsächlich noch älter und machten wahrscheinlich in den Achtzigern schon den Eindruck, als wolle man damit jeglichen Pepp vertreiben und verbannen. Ob man sich an so etwas stören möchte, ist dann wieder die andere Frage. Mich stört's.
Was mir wirklich völlig unverständlich erscheint, ist, dass das Spielfeld zwar in Hex-Felder (also sechseckige Felder) unterteilt ist, die Kreaturenmarker allerdings viereckig, aber trotzdem in der gleichen Größe sind sind. Das Hantieren mit vielen Markern auf engem Raum wird dadurch wirklich signifikant mühsamer und unübersichtlicher. Das wäre schlicht und einfach nicht nötig gewesen.
Noch ein Wort zur Anleitung: Erstens einmal ist es nicht eine Anleitung, sondern zwei. Die kürzere führt nur in grundlegende Dinge ein, die längere, das so genannte Referenzhandbuch, behandelt dann sämtliche Regeln und Regelausnahmen. Wirklich leicht verständlich ist leider beides nicht.

Fazit

Dragon Rage ist leider am Ziel vorbeigeschossen. Die Regel- und damit einhergehende Optionsfülle wirkt sich nicht positiv auf die Spieltiefe aus, eher im Gegenteil: Das Spiel wird dadurch zäh und der Spaß geht schnell verloren. Schade, denn in den Grundzügen ist es nicht schlecht konzipiert. Mit den wirklich spannenden Zweispielerspielen unserer Zeit, wie z.B. Der Herr der Ringe - Der Ringkrieg, kann Dragon Rage definitiv nicht mithalten.

In einem Battle folgt Schlag auf Schlag.
Wenn zwei Rezensionen hintereinander stehen, sollte Fazit auf Fazit folgen.

Fazit Jörg:
Dragon Rage, das 1982 in der Hochblüte der Karton-Counter und -Marker publiziert wurde, war wohl zu dieser Zeit ein akzeptables Spiel. Legt man es ohne große Änderungen nahezu 30 Jahre später neu auf, geht man ein gewisses Risiko ein. In diesem Fall hat es sich nicht gelohnt.
Viel zu viele Regeln und noch mehr Sonderfälle stehen dem viel zu geringen Spielspaß gegenüber.
Außerdem haben Drachen – und deren noch lebende Verwandte wie Leguane und Krokodile – einen sehr gefährlichen Schwanz und schlagen damit gewaltig zu. Die Drachen im Spiel, auch wenn sie sich ordentlich ärgern, können mit dem Schwanz bestenfalls freundlich wedeln. Schade.
Die Hex-Felder des Spielplans sind von 0105 bis 2516 nummeriert. Das Warenhaus der Stadt Esirien hat die Koordinaten 0815. Und 0815 beschreibt auch das Spiel nahezu perfekt: nichts Besonderes!

Der Weg zum

Spieletester

23.09.2012

Fazit

Die bösen Menschen haben die Drachen in die Wälder verjagt und dachten, sie hätten auch die ganze Drachenbrut ausgerottet. Nach einer Erholungsphase rüsten die Drachen jedoch zum Rachefeldzug auf die Stadt. Die Sympathie gehört damit automatisch den Drachen. Zu zweit fallen sie über die Bewohner und die Gebäude der Stadt her und versuchen, Hex-Felder im Wert von mindestens 16 Siegpunkten zu zerstören. Dabei bedienen sich die Drachen der normalen Bewegung und des Flugs, sie können sich schlängeln oder springen. Sie können gegnerische Einheiten überrennen, im Nahkampf bekämpfen (mit dem Kopf beißen, mit den Flügeln stoßen, mit den Krallen ritzen) oder mit dem heißen Feuerstrahl attackieren. Feuer speien kann aber jeder Drache nur zweimal im Spiel, sonst bekommt er Migräne. Die Stadt-Einheiten wehren sich mit Infanterie, Kavallerie, Miliz oder Bogenschützen, denen ein Held und ein Magier zur Seite stehen. Kämpfe werden ausgewürfelt, Kampfwerte sind abhängig vom Terrain. Tabellen für die Auswertung der Kämpfe sind nötig. Die große Kampftabelle hat 15 Spalten und 30 Zeilen. Tragischerweise können Drachen sterben, auch teilweise. Sogar der Kopf kann sich alleine verabschieden (bei mehr als 8 Trefferpunkten auf die Mütze) und der Drachenrest ist noch kampfbereit. Er bewegt sich jedoch etwas unkoordiniert wie ein Amokläufer. Ohne Hirn ist aber noch immer gut kämpfen. Mit zerfetztem Bauch jedoch stirbt der Drache sofort und bleibt auf dem Hex liegen, auf dem er sich aktuell befindet. Dort stellt er ein unpassierbares Hindernis dar. Als Drache sollte man sich daher ein günstiges Plätzchen zum Sterben suchen, um auch dann die gegnerischen Truppen noch zu behindern. Auch die Helden der Truppen können sterben. Stehen die Streitkräfte der Verteidiger ganz ohne Held da, müssen sie vor jedem Kampf eine gewürfelte Moralprobe bestehen. Im modernen Leistungssport nennt man das Fitnesstest. Das bisher Beschriebene stellt aber nur die Spitze des Regeleisbergs dar. Es gibt Zaubersprüche des Magiers, Angriffsbeschränkungen für Drachen, weitere Einschränkungen für fliegende Drachen, offene und geschlossene Türen in Wänden und Türmen, Fernangriffe auf Drachen, Führung der Miliz, Nahkampfphase der Stadtstreitkräfte, Bewegung auf Straßen und auf Brücken, Brücken aus Holz, Verstärkung der Streitkräfte, Absturz eines Drachen und so weiter… Wer mit dem 16-seitigen Spielregelheft noch nicht genug hat, der nimmt sich das 36 Seiten starke Referenzhandbuch her und sich ein paar Stunden Zeit dafür. Dort wird auch der neue Spielplan NURKOTT mit allen seinen Monstern beschrieben. Trolle, Warge, Goblins, Lindwürmer, Seeschlangen, Rocs und junge Drachen tummeln sich auf beiden Seiten der Kampfgruppen. Zu guter Letzt werden für beide Spielplanseiten jeweils sechs Szenarien und auch Kampagnen angeboten. Freaks, die sich bis dorthin durchgekämpft haben, mögen damit ihre Freude haben. Ich bin schon sehr viel früher von den Sonderfällen und Regelspezialitäten mit sechs Bauchtreffern ins spielerische Abseits befördert worden.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 13 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten
Preis: 50,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2010
Verlag: Flatlined Games
Grafiker: Miguel Coimbra
Genre: Strategie
Zubehör:

1 beidseitig bedruckter Spielplan, 2 Spielanleitungen (Deutsch, Englisch), 2 Referenzhandbücher (Deutsch, Englisch), 4 Monstertafeln, 1 Übersichtstafel, 2 sechsseitige Würfel, 216 Marker (1 Kaufbestätigung, 1 Rundenanzeiger, 1 letzter Schaden, 2 Reserve, 12 offen, 5 verbrannt, 4 verwundet, 4 Killer, 4 Wirbelwind, 2 Nebel, 15 Leben, 20 Zauberpunkte, 26 zerstört, 119 Kreaturen)

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