Die verbotene Insel

Abt. Pandemie auf einer einsamen Insel... oder so ähnlich...


Der Autor Matt Leacock landete anno 2008 mit seinem Koop-Meisterwerk Pandemie einen Smashhit der Sonderklasse, schob sein Zivilisations-Würfelpokern Roll Through The Ages (Im Wandel der Zeiten - Das Würfelspiel: Bronzezeit) hinterher, und hat sich damit mit zwei Spielen direkt in meine persönliche "Hall of Fame" der Lieblingsautoren geschrieben, wo er neben Leuten wie Friedemann Friese, Jason Hill oder Vladimir Chvatil am Buffet Stellung bezog. 2010 hatte er nun offenbar den Wunsch, Pandemie, seinen bislang größten Erfolg, auf Familienspiel umzuschreiben: Nunmehr geht es nicht mehr darum, garstige Seuchen zu heilen, sondern diesmal ist eine Gruppe Abenteurer auf einer langsam versinkenden einsamen Insel auf der Jagd nach vier Schätzen.

Und ob das Konzept funktioniert hat, dass dürft Ihr, werte Leser, nun lesen:


Das Spiel:

Passend zum Thema erhält jeder Spieler anstelle eines medizinischen Forschungscrewmitgliedes eine Abenteuerfigur. Aus den Inselteilen wird zufällig eine Insel zusammengebaut und man startet am "Landeplatz der Versager" (ein Kalauer, der auch nach dem 100sten mal nicht besser wird). Eine bestimmte Anzahl an Feldern wird zufällig bestimmt und auf die "Überflutet"-Seite gedreht.

Jeder Spieler hat pro Runde zwei Aktionen, die er wie folgt verwenden kann:
1. Bewegung: Man kann 1 Feld ziehen.
2. Feld trocken legen: Man kann einen überfluteten Spielplanteil wieder zurückdrehen.
3. Schatz heben: Man kann vier Handkarten einer Farbe abgeben, um einen Schatz zu heben. Das geht aber nur auf Feldern, die das Zeichen des entsprechenden Schatzes zeigen.

Hat der Spieler seine Aktionen genützt, zieht er zwei Handkarten nach. In diesem Stapel gibt es allerdings Karten, die den Wasserpegel steigen lassen. Dieser ist am Ende des Zuges wichtig: Je nach Wasserpegel wird eine bestimmte Anzahl an zufällig gezogenen Spielplanteilen überflutet. Ist es bereits überflutet, versinkt es im Ozean und wird aus dem Spiel genommen.

Die Spieler gewinnen, wenn alle vier Schätze gehoben werden können. Sie verlieren, wenn der Landeplatz oder alle Felder eines noch fehlenden Schatzes versinken.

Spieletester

09.05.2011

Fazit

Ich möchte dem Fazit ein Statement vorausschicken: Ich hatte stark das Gefühl, die Intention der verbotenen Insel lag weniger darin, innerhalb des Genres Akzente zu setzen, sondern eher darin, Familien- und Gelegenheitsspielern zu zeigen "Übrigens, dieses Genre gibt's inzwischen auch." (falls das bei dem Genreboom wirklich noch nötig sein sollte). Für diese These spricht auch die Tatsache, dass es beim Familienverlag Schmidt Spiele und eben nicht bei Kosmos oder Pegasus herausgekommen ist.
Nun bin ich seit Reiner Knizias seligem Genrepapa Der Herr der Ringe dabei, habe Roter November, Space Alert und eben auch der Insel "Großen Bruder" Pandemie abgefeiert, stehe Arkham Horror und Ghost Stories unverhohlen kritisch gegenüber und habe Der Hexer von Salem durchlitten (und das MEHRFACH!!! Ich bin schmerzfreier, als wohl so mancher dachte...). Kurzum: Das Koop-Genre ist eines der Genres, in dem ich mich schlichtweg zuhause fühle, und so betrachte ich dann eben auch Die verbotene Insel.

Und wie fällt dann eben der Blick auf Matt Leacocks neuesten Genrebeitrag aus? Naja, nicht so wirklich wohlwollend. Und das liegt wohl hauptsächlich - auch wenn es sehr nach "War ja klar" riecht - schlichtweg am direkten Vergleich mit Pandemie: Neuthematisierungen und Umbauten von erfolgreichen Spielen sind natürlich nicht zwingend die beste Methode, sich in Spielerkreisen beliebt zu machen, können aber durchaus unterhaltsam sein (womit ich mein Haupt hiermit einmal unauffällig in die Richtung meiner Lieblinge von Flying Frog Productions und ihrer Last Night on Earth-Neuthematisierung Invasion from Outer Space neige).

Doch ähnlich wie etwa seinerzeit Klaus Teuber mit seinem unsäglichen Siedler von Catan Kartenspiel-Klon Anno 1701 tappt Matt Leacock voll in die Falle: Mit traumwandlerischer Sicherheit hat er alles eliminiert, was Pandemie interessant gemacht hat, dafür aber ein oder zwei neue Elemente eingebracht, die vielleicht genz nett sind, dem Spiel aber nicht helfen.

Und was fehlt der Insel? Hauptsächlich zwei Elemente:

1. Das Kartenhaushalten: Die Entscheidung "Verwende ich diese Karte zum Reisen oder zur Heilmittelforschung" fällt komplett weg. Verschlimmert wird dieser Umstand dadurch, dass der Kartenstapel nach dem Durchspielen einfach wieder durchgemischt und neu gespielt wird, was einen weiteren Spannungsfaktor via Kopfschuss eliminiert.

2. Die Spannung der sich langsam steigernden Gefahr: Die Vereinfachung, dass gezogene Felder einfach auf "Überflutet" umgedreht werden, liefert nicht einmal ein Viertel der Spannung, die die ständig ansteigende Zahl an Krankheitswürfeln und die dadurch an allen Ecken drohenden Seuchen-Ausbrüche, die dem begeisterten Pandemie-Spieler schon so manche Schweißperle auf der Stirn getrieben hat, bieten. Feld einmal gezogen - Platsch, überfutet. Feld noch einmal gezogen - Platsch, Feld versunken. Dagegen: Der dritte Würfel in London. Verdammt, Epidemiekarte. Wir müssen dort schnell heilen, sonst... Zu spät, Ausbruch. Der Gefahrenherd bleibt im Spiel, wir müssen also dort trotzdem heilen, sonst verteilt sich die Seuche noch mehr. Ja, aber... in Tokyo haben wir gerade dasselbe Problem... Naja, ich danke, es ist klar geworden, was ich meine.

Was war nun die Idee, die das Spiel von Pandemie abheben sollte (wenn man von der Vereinfachung der Regeln absieht, die ja - siehe oben - nicht wirklich gutgegangen ist): Primär ist es wohl die Möglichkeit, die Insel jedesmal neu zu gestalten. Diese Idee kommt auch durchaus gut an, birgt aber - so leid es mir tut - auch ein gewaltiges Problem mit sich: Während ich bei einer Weltkarte mit rudimentärsten Geographiekenntnissen zumindest weiß, wo auf dem Globus ich ungefähr suchen muss, wenn ich eine Karte mit Namen "Shanghai" ziehe, verbringt man auf dem variablen Inselplan sehr viel Zeit damit, die mit stylischen Namen versehenen Felder zu suchen. Der Effekt, dass man mit fortlaufender Dauer durch langsames "Kennenlernen" der Insel die Plätze der Felder ungefähr kennt, wollte sich bei uns nicht einstellen, was aber - ich will fair bleiben - auch an zunehmender Lustlosigkeit unsererseits liegen kann.

Was die Inselfelder angeht hat man hier zudem, denke ich, eine große Chance verschenkt, denn ich frage mich ernsthaft, warum man den Feldern Namen wie "Tor des Vergessens" oder "Ebene des Feuers" gegeben hat, wenn sie im Spiel selbst dann nichts bewirken. Dabei hätte man damit einen ordentlichen Batzen Atmosphäre einbringen können, und den könnte Die verbotene Insel durchaus dringend brauchen (zumal meiner Ansicht nach eine Trockenlegeereigniskarte mit dem Titel "Sandsack" das Abenteurerfeeling doch arg strapaziert).

Was also bleibt abschließend zur verbotenen Insel zu sagen? Nunja, es ist nicht schlecht genug, um gleich Fackeln und Mistgabeln auszupacken, aber während bei Pandemie eine Partie oft nicht genug ist, ruft Die verbotene Insel nicht mehr als ein gleichgültiges Schulterzucken hervor. Ich denke, dieses Spiel ist mit "egal" recht allumfassend umschrieben. Es gibt zweifellos schlechtere Spiele in diesem Genre (obligatorischer Gruß an Michael Rieneck), aber eben auch deutlich bessere. Und davon ist eines sogar vom gleichen Autor...
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

Xarlos | 09.05.2011

Nun, ich sehe das ein wenig anders. "Die verbotene Insel" ist insbesondere für Familien mit Kindern im Alter von 8 Jahren aufwärts ein richtig guter Tip. Hier werden selbstständige Entscheidungen und ihre Konsequenzen abgefragt. Die Ausstattung und Grafik ist für den aufgefrufenen Preis mehr als in Ordnung und durch die Vielzahl von Möglichkeiten bei der Personen- und Inselformauswahl ist auch ein langer Spelspass gefordert. Wenn man keine Pilotin und keinen Taucher an Bord hat, muss man ein Auseinanderbrechen der Insel z.B. verhindern. Natürlich lässt sich das Spiel nicht mit einem Schwergewicht wie "Pandemie" vergleichen, das muss man auch nicht, denn welche Familie will sich ein abstraktes Spiel mit Krankheitserregern am Sonntagnachmittag auf den Tisch packen?
Es würde mich nicht wundern wenn die "Verbotene Insel" auf einer der Nominierungslisten für das Spiel des Jahres auftauchen würde.

Jörgl | 09.05.2011

Ich gebe Xarlos da absolut recht.
Pandemie erzeugt zwar mehr kribbeln und irgendwie ist ein Sieg befriedigender, dennoch hat auch die Insel einen nicht zu unterschätzenden Reiz. Viele Möglichkeiten was Grundaufstellung und Startpegel betrifft und je nach Rollenverteilung ist es mitunter nur auf dem letzten Zacken zu gewinnen. Verschenkte Züge sind tödlich,
eben ersoffen statt verseucht.

Tom | 11.05.2011

Auch ich sehe das Spiel um einiges positiver - durch die "Familienbrille". Was Pandemie im Handling zu schwerfällig macht (Kartenstapel verwalten - von oben und unten, Epedemie, Seuche verbreiten lassen nicht vergessen, Aktion, Zusatzaktion usw.) ist hier für das schnelle, kleine Koopspiel komprimiert und vereinfacht wurden. Und das in einem Rahmenthema, das auch zu fesseln weiß - v.a. im Spiel mit Kindern.

Marcel | 11.05.2011

Wenn ich diese Rezension lese, wäre ich eindeutig davon abgeneigt die Verbotene Insel zu kaufen. Da ich das Spiel aber glücklicherweise schon vor einer Weile erworben habe, konnte ich diese geniale Spiel für Zwischendurch kennenlernen.

Eine so negative Bewertung halte ich für fraglich, wenn die Argumentation darauf aufbaut, dass es im Gegensatz zu Pandemie nicht viel Neues bringt und ein paar Dinge vereinfacht. Ich finde Pandemie ganz okay, aber für Hobbyspieler unattraktiv, während Die Verbotene Insel in jeder der 20 Konstellationen in denen ich es bisher gespielt habe, gut bis sehr gut angekommen ist.

Die Ausstattung ist für 15€ bemerkenswert gut und Langeweile kommt dank der zahlreichen Variationsmöglichkeiten (bisher) überhaupt nicht auf.

whatever | 24.09.2015

Ich finde die obige Rezension auch nicht ganz gerechtfertigt. Es ist ein super Spiel!
Ein Faktor, der in "Pandemie" nicht vorkommt: Doppelt überflutete Inselfelder verschwinden! Das passiert mit infizierten Städten ja nicht, da kommt es zum Ausbruch der Seuche. Durch das recht unvemeidliche allmähliche Verschwinden der Inselfelder wird es immer spannender. Ich find sowohl dieses Spiel als auch Pandemie gut bis sehr gut! sehr ähnlich, aber gleich gut!

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 Minuten
Preis: 20,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2010
Verlag: Schmidt Spiele
Autor: Matt Leacock
Zubehör:

24 Inselteile
58 Karten
6 Spielfiguren
4 Schatzfiguren
1 Wasserstandanzeige mit Marker Spielanleitung

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