Nürnberg

Das waren noch Zeiten, als man als Kaufmann und Handwerksmeister noch die Geschicke der Welt bestimmte. Nürnberg versetzt uns nun in diese Zeit zurück, als noch Zünfte anstatt der heutigen Lobbyisten die Fäden der Macht innehatten...

Zunfttreiben

Zu Beginn wird der Spielplan ausgelegt, welcher sich aus der Aneinanderreihung der verschiedenen Zünfte ergibt. Diese können nicht nur nach der Anzahl der Mitspieler unterschiedlich sein (was zu einer verminderten Menge an Warensorten im Spiel führt), sondern beinhalten darüberhinaus noch die zunftzugehörigen Waren, sowie Zunftmeister und in der Zunft nächtigende Stadtbewohner und Handwerker, wobei sich (Im Gegensatz zu den Waren) nur Zunftmeister und nächtigende Zunftgäste jede Runde ändern.

Gutes Handwerk will gelernt sein

Nürnberg wird über vier Runden gespielt, wobei jede Runde aus mehreren Durchgängen besteht. Die Zahl der Durchgänge pro Runde ist dabei variabel, sie hängt nämlich davon ab, ob zumindest ein Spieler in der aktuellen Runde noch Handelsleute übrig hat. Diese repräsentieren nämlich die Anzahl der pro Runde zur Verfügung stehenden Aktionen eines Spielers, wobei für sie - im Vergleich zu anderen Spielen - eine Besonderheit gilt: Ihre Anzahl kann sich im Verlauf einer Partie (dynamisch) vergrößern.

Ein Durchgang wiederum besteht aus immer denselben Spielphasen, nämlich der Planungsphase und der Aktionsphase. Bestimmt man in der Planungsphase mittels seiner Aktionskarten bei welchen Zünften man Aktionen durchführen möchte, so bestimmt man in der Aktionsphase die konkret auszuführende Aktion (maximal eine pro Zunft, Spieler und Durchgang). Jede durchgeführte Aktion wird durch einen Handelsmann markiert, sodass ein Spieler der keine Handelsmänner mehr hat (weil er etwa in einem Durchgang bei mehreren Zünften je eine Aktion gemacht hat), bis zum Rundenende aussetzen muss.

Die Aktionen

Die zur Verfügung stehenden Aktionen sind für alle Zünfte gleich, wobei die Auswirkung höchst unterschiedlich ist. Für alle gilt zudem, dass sie jeweils einen Handelsmann kosten, der nach Aktionsabschluss auf das Dach jener Zunft gestellt wird, bei der die von ihm repräsentierte Aktion durchgeführt wurde.

Waren kaufen
Gekauft werden können bis zu drei Waren pro Zunft und Aktion zum Preis des zugehörigen Zunftmeisters. Das können, müssen aber nicht immer zunfteigene Waren sein, da eine Zunft über die Aktion der Gästeabwerbung auch zu zunftfremden Waren gelangen kann.

Waren verkaufen
Im Gegensatz zum Warenkauf müssen die verkauften Waren der Zunft zugehörig sein - dafür darf man auch beliebig viele ihrer Zahl verkaufen, wobei der Preis wiederum vom jeweiligen Zunftmeister abhängig ist.

Nichtstun
Zwar ist Müßiggang recht fein, allerdings kostet er ebenso wie alle anderen Aktionen einen Handelsmann. Warum man ihm trotzdem fröhnen sollte? Nun beispielsweise weil man eine Zunft ausgewählt hat, um bei dieser Waren zu erwerben, einem der vorherige Mitspieler aber diese vor der Nase wegschnappt, weil er seine Aktion zuvor ausführen darf. Damit löst sich der eigene Plan in Luft auf und dem Müßiggang ist Tür und Tor geöffnet.

Einen Gast anwerben
Diese Aktion ist die Kernaktion, um die sich das gesamte Spiel dreht. Durch sie lassen sich nämlich nicht nur in der Zunft nächtigende Gäste (Handwerker, Stadtbewohner) anwerben, sondern auch die Spielerreihenfolge ändern und zudem noch lukrativ Geld abstauben, ohne dass eine Ware verkauft werden müsste.
Die Änderung der Spielerreihenfolge bewirkt, dass man mit Ausführen der Aktion automatisch an vorderste Stelle beim Ausführen von Aktionen rückt. Das ist deswegen so ungemein wichtig, da die einzelnen Aktionen eines Spielers nicht der Reihe nach abgearbeitet werden, sondern die Reihenfolge der Zünfte entscheidet: Es werden also alle Zünfte der Reihe nach abgearbeitet, wobei der jeweils bei einer Zunft eine Aktion geplant habende Spieler quasi “on the fly” entscheidet, welche der aufgezählten Aktionen er durchführen möchte. Haben zwei oder mehr Spieler bei derselben Zunft eine Aktion geplant, dann entscheidet die mittels Marker festgehaltene Spielerreihenfolge, welche eben mit der Gast-anwerben-Aktion beeinflusst werden kann. Clever, oder?
In der Zunft nächtigende Gäste anzuwerben kommt einen in der Regel teuer zu stehen,denn jeder Gast kostet je nach Position in der Zunft eine unterschiedliche Menge zunfteigener und/oder zunftfremder Waren. Allerdings bringen sie auch eine ganze Menge, denn während die Handwerker bei der Schlusswertung die Siegpunkte einbringen, fungieren die Stadtbewohner als eigentliche Aktionskarten, da jeder von ihnen eine spezielle Fähigkeit besitzt, welche - je nach Handwerker - sofort, am Ende der Runde oder gar zu Spielende eingesetzt wird.
Lukrativ ist die Aktion dennoch, nicht nur wegen der Siegpunkte, Fähigkeiten und der Spielerreihenfolgenänderung, sondern weil der den Zug vollführende Spieler soviele Taler bekommt, wie sich Handelsmänner am Dach der die Aktion durchführenden Zunft befinden. Bei begehrten Zünften kann sich im Laufe einer Runde so eine ansehnliche Summe bilden.

Die Fähigkeiten der Stadtbewohner

Wie bereits erwähnt, werden durch das Abwerben von Stadtbewohnern (und nur ausnahmsweise auch Handwerkern) Sonderaktionen gewährt. Diese reichen vom einmaligen, listigen Warendiebstahl bei anderen Spielern, über ein regelmäßiges Zusatzeinkommen bis hin zu speziellen Sondersiegpunkten zu Spielende. Am bemerkenswertesten ist aber die Möglichkeit, an zusätzliche Handelsmänner und somit zusätzliche Aktionen während der Aktionsphase zu gelangen!

Runden- und Spielende

Durchgangs- und Rundenende
Während zwischen den Durchgängen nur die Aktionskarten retourniert werden, werden bei Rundenende auch die Handelsmänner zurückgenommen, sodass jeder Spieler wieder alle seine Aktionen in der nächsten Runde ausführen kann. Neben einem kaum ins Gewicht fallenden Einkommen für jeden Spieler wird bei Rundenende auch der Günstling jeder Zunft gewählt. Dies ist stets, jener Spieler der von zunfteigenen Waren die größte Anzahl besitzt, wofür er als Belohnung den Zunftmeister und das Zunftplättchen dieser Zunft an sich nehmen darf.

Spielende und Wertung
Erst bei Spielende setzt die Wertung ein. Neben Siegpunkten, die durch die Fähigkeit verschiedener Stadtbewohner beschert werden, sind es vor allem die ergatterten Handwerker und Zunftmeister, die Siegpunkte bringen: Pro Zunft erhält der Spieler mit den meisten zunftzugehörigen Handwerkern 5 Siegpunkte, während die Plätze zwei und drei mit jeweils 3 bzw. nur einem 1 Siegpunkt auskommen müssen. Sondersiegpunkte gibt es darüberhinaus für ein bestimmtes Ausmaß an Handwerkern, das bei Spielende noch übrig gebliebene Geld und vor allem für die erbeuteten Zunftwappen, sofern man diese bei möglichst verschiedenartigen Zünften sammeln konnte.

Spieletester

20.04.2012

Fazit

Man kann es wohl schon an der Länge dieser Rezension absehen, dass Nürnberg nichts für eine gelegentliche Spielrunde ist, sondern seinen zeitlichen Tribut fordert. Verglichen zu anderen ähnlich regelintensiven Spielen hat Nürnberg tatsächlich eine wesentlich höhere Einlern- Akklimatisierungszeit aufzuweisen. Zum einen Teil ist das auf den dynamischen Aktionsmechanismus zurückzuführen, zum anderen auf den Umstand, dass es nur eine einzige Wertung gibt, sodass man während des laufenden Spieles kaum die eigene Position im Verhältnis zu der seiner Mitspieler bestimmen kann. Aufgrund der dynamischen Zugfolge ist eine strategische Planung zudem nahezu unmöglich, weshalb trotz der vielen strategischen Elemente, das ganze Spiel über kurzfristige Züge dominieren. Dennoch wirkt sich der Verlust eines Zuges (beispielsweise weil ein anderer Mitspieler die begehrte Ware vor der Nase wegschnappt) regelrecht fatal aus, weil Geld im Spiel nur sehr begrenzt in Erscheinung tritt. Insofern steht Nürnberg unter einem immerwährenden Konflikt zwischen Planungs-Wille und Taktik-Realität, der sich auch im wiederholten Male nicht aufzulösen vermag. Meine Spielegruppe und ich tendieren daher inzwischen eher zu anderen Spielen, dennoch sollte man sich den dynamischen Spielmechanismus zumindest einmal zu Gemüte führen und dann selbst entscheiden - denn durchdacht und spannend ist Nürnberg allemal.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

Teilen mit facebook twitter

Kommentar verfassen

Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten
Preis: 45,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2010
Verlag: HUCH & friends
Grafiker: Joshua Cappel
Genre: Strategie
Zubehör:

6 Zunfthäuser 66 Handwerker 26 Stadtbewohner Münzen 40 Spielfiguren 5 Reihenfolge-Marker 4 Prestige-Wappen 24 Zunftwappen 72 Waren 30 Aktionskarten 5 Passmarker 5 Schatzkammern

Anzeige

Statistik

Derzeit findest Du auf spieletest.at 7204 Gesellschaftsspiele-,
1656 Videospielrezensionen
2309 Berichte.