RuneQuest II

Der Einband aus Leder mit der goldenen Prägung, die solide Bindung und die 198 schwarz-weißen Seiten mit spärlicher Illustration sagen eindeutig: Das ist ein ernst zu nehmendes Rollenspiel. Die Bilder in RuneQuest II sind für Leute, die wissen das in den 80’ der Höhepunkt der Fantasykunst erreicht wurde und Frauen eh am liebsten halbnackt sind.

In der Einleitung wird auch hervorgehoben, dies Spiel ist für die Fans und erfahrene Rollenspieler. Deshalb verzichtet man auf erklärende Worte, was ein Rollenspiel ist. RuneQuest II ist ja auch nicht wirklich das zweite RuneQuest, sondern das 5. oder 6. seit 1978.

„Experimentiere, Improvisiere und passe dich an – Das ist die Art von RuneQuest.“, wird in der Einleitung gesagt. Die klassische Umschreibung für ein System, welches der Nachbesserung bedarf.

Es geht direkt in die Charaktererschaffung und ohne Umschweife gilt es auf die sieben Charakteristika zu würfeln. Optional kann man auch Punkte verteilen, aber man merkt schon, dass es nicht wirklich vorgesehen ist. Die Charakteristka liegen zwischen 3 und 21 für Menschen. Man kann auch andere Rassen als Menschen spielen, schließlich benutzen alle Wesen dieselben Charakteristika. Aber empfohlen wird es nicht und damit ist das Thema abgeschlossen. Wer natürlich gar nicht anders kann – bei den Monstern sind die Werte für Elfen und Zwerge.
Von den Charakteristika werden Attribute abgeleitet, z.B. Schadenmodifikator, Lebenspunkte, Kampfaktionen. Ein Charakter startet im Alter von 17-20.
Eine Reihe von allgemeinen Fertigkeiten folgt. Diese werden aus der Addition von zwei Charakteristika oder dem doppelten Charakteristika-Wert gebildet. Die Summe ist die Prozentangabe der Erfolgschance auf diese Fertigkeiten und reicht von 6% - 42%. Es wird aus einem der vier kulturellen Hintergründe ausgewählt, welcher bestimmte aus der Gruppe der allgemeinen Fertigkeiten erhöht und neue spezielle Fertigkeiten hinzufügt. Dann sucht man sich noch einen Beruf aus, der an den kulturellen Hintergrund gebunden ist. Ein Schamane stammt niemals aus der Zivilisation und ein Diplomat dafür ausschließlich aus ebendieser. Der Beruf erhöht wiederum die allgemeinen und speziellen Fertigkeiten. Zum Schluss verteilt man weitere 250 Punkte auf die Fertigkeiten. Damit kann man sowohl neue spezielle Fertigkeiten kaufen, als auch bestehende Fertigkeiten bis zu 30% erhöhen. Auch die Punkte für erfahrene Abenteurer werden in einer Tabelle angegeben, so dass man Kampagnen auch gleich mit erfahrenen Charakteren beginnen kann. Nach diesem Einschub folgt die auswürfelbare Familiengeschichte des Charakters, ebenso dessen Freunde, Bekanntschaften, Rivalen, Feinde und besondere Lebensereignisse. Wenn die Spieler Ereignisse ihrer Charaktere miteinander verknüpfen, dann bekommen sie 2 mal 10% auf von ihnen ausgewählte Fertigkeiten gratis. Das Thema Magie wird hier erwähnt, aber nicht bei dem Kapitel Charaktererschaffung besprochen, sondern in einem späteren Kapitel.

Die Spielmechanik ist denkbar einfach. Wer es schafft mit einem W100 unter dem Prozentwert der Fertigkeit zu würfeln, hat Erfolg. Wenn der Wurf unter 10% der angestrebten Fertigkeit liegt, hat man einen kritischen Erfolg. Ein Ergebnis von 99 und 100 ist ein grober Patzer. Ebenfalls ist ein Würfelwurf von 1-5 immer ein Erfolg und 96-100 immer ein Misserfolg.
Das ist solange elegant, wie man keine Abstufung benötigt, nicht gegeneinander würfelt oder die Werte über 100 sind.
Fertigkeiten, bei denen zwei oder mehr Parteien gegeneinander würfeln, z.B. Schleichen gegen Beobachtung, gilt es, zunächst unter dem Wert zu würfeln. Wenn beide Parteien einen Erfolg haben, gewinnt derjenige, der die höchste Zahl gewürfelt hat, es sei denn, einer hatte einen kritischen Erfolg. Bei zwei kritischen Erfolgen zählt wieder die höchste gewürfelte Zahl. Bei Fertigkeiten über 100 wird der höchste Wert über 100 von allen Beteiligten abgezogen.
Dann gibt es noch die üblichen Modifikatoren und Hinweise zu Teamarbeit und größeren Gruppen. Die Lösungen dazu sind praktikabel. Der Rest des Kapitels behandelt die Fertigkeiten im Einzelnen.

Das Kapitel Spielsystem ist ein Sammelsurium von spielrelevanten Dingen. Es beginnt mit Zeiteinheiten im Spiel. Dann folgt die Verbesserung des Charakters. Nach einem vom Spielleiter bestimmten Punkt, erhalten alle Spieler 1-5 Verbesserungswürfe. Interessanterweise bekommen charismatische Charaktere mehr Würfe. Diese können eingesetzt werden, um Fertigkeiten zu verbessern, Charakteristika zu erhöhen, Zauber zu lernen oder zu verbessern. Ein Verbesserungswurf erhöht nicht automatisch eine Fertigkeit. Der Spieler muss über dem Fertigkeitswert würfeln, darf dabei seinen Intelligenzcharakteristika hinzuaddieren und wenn dies gelingt, erhöht sich der Wert um 1w4+1, wenn es nicht gelingt, dann erhöht sich der Wert um 1. Bei Werten über hundert wird die halbe Intelligenzcharakteristika hinzuaddiert und der Zielwert ist 100. Alternativ kann ein Charakter auch zu einem Lehrer gehen, dort eine gewisse Geldsumme hinterlassen und seine Fertigkeiten erhöhen. Es geht weiter mit Alterserscheinungen, ab 40 muss man jährlich mit körperlichem und geistigem Abbau rechnen. In RuneQuest wird man mit dem Alter nicht weise sondern senil. Schaden durch Säure, Luftmangel, Stürze, Gifte und Krankheiten füllen die nächsten Seiten. Es wird auf Tragkraft, Heilung, Erschöpfung, Objekte beschädigen und Zeit zwischen den Abenteuern eingegangen. Erwähnenswert sind die Heldenpunkte, welche heroische Taten ermöglichen oder Würfelpech abwenden sollen. Man beginnt mit 2 dieser Punkte und kann durch außergewöhnliche Heldentaten neue dazugewinnen. Ein ausgegebener Punkt ist allerdings unwiderruflich verloren. Die Idee, dass die Helden Außergewöhnliches wagen, dabei Punkte ausgeben und damit wieder Punkte gewinnen, geht nicht auf, denn die Heldenpunkte sind auch die Währung mit denen heroische Fähigkeiten eingekauft werden. Anders ausgedrückt, es wird gehortet, was das Zeugs hält und Situationen gemieden, in denen man diese ausgeben müsste.

Ausführlich ist das Kapitel Ausrüstung. Man merkt eindeutig, dass es das Steckenpferd des Schreibers ist. Dabei sind einige Kuriositäten zu finden. Vor nicht allzu langer Zeit gab es eine Reportage wie großartig doch die Leinenrüstung der griechischen Soldaten war und siehe da, sie ist die beste Rüstung im Verhältnis Schutz zu Preis. Dann ist die Schleuder deutlich die Beste Schusswaffe weit und breit. Es gibt kein Schild, das Schutz vor einer großen Zweihandwaffe bietet. Also die beste Paradewaffe gegenüber einem Zweihänder ist ein anderer Zweihänder…

Der Kampf darf nicht fehlen und ist nicht so einfach, wie man zunächst vermuten mag. Nach der Initiative hat jeder Charakter eine durch seine Charakteristika und Ausrüstung definierte Anzahl von Kampfaktionen. Diese Aktionen können verschiedenartig sein, sind aber in erster Linie Angriff und Verteidigung. Ein Charakter mit 4 Kampfaktionen könnte also 4-mal parieren und sonst nichts. Man erkennt schnell, dass ein Kampf mit mehreren Gegnern ein hoffnungsloses Unterfangen bildet. Da es nicht selten vorkommt, das ein nicht parierter Treffer bereits den Kampf entscheidet, werden die Spieler entweder Abreißblöcke mit Charakteren haben oder äußerst nichtheroische Kampfweisen wählen. Hinzukommt, dass ein erfolgreicher Angriff bei nicht erfolgreicher Verteidigung noch zusätzliche Waffenmanöver ermöglicht und ein verfehlter Angriff bei einer erfolgreichen Verteidigung Verteidigungsmanöver ermöglicht. Ein kritischer Würfelwurf verschiebt dies nochmal zugunsten des Würfelnden. Dazu kommen noch Regeln für Waffen mit höherer Reichweite und dem Unterlaufen dieser. Während die Idee an sich interessant ist, so wird der Kampf zäh wie Honig, sobald einer der Spieler die Möglichkeiten nicht kennt oder nochmal in Ruhe diese abwägen will. Der Schaden wird auf Trefferzonen verteilt. Der Rüstungswert wird vom Schaden abgezogen, wobei dieser zwischen 0 (Ungerüstet) bis 6 (Plattenpanzer) geht. Von den Trefferpunkten des Körperteils wird der Schaden abgezogen. Solange der Wert im Positiven bleibt, ist es nur eine Wunde, gerät der Wert ins Negative, so ist es eine schwere Wunde und sollte dieser den negativen Anfangswert unterschreiten, so ist das Körperteil abgetrennt. Letzeres führt fast immer zum Tod, mindestens aber zur Handlungsunfähigkeit des Charakters. Im Durchschnitt hat ein Charakter 4-7 Trefferpunkte und ein Schwert verursacht 1w8 Schaden+Stärke-Bonuswürfel. Ein vereinfachtes Trefferpunktesystem für Handlanger und Schergen wird angeboten. Während dies tatsächlich den Aufwand verringert, so erscheint es mit nicht sonderlich fair gegenüber den Spielern, da die Monster über einen Trefferpunktepool verfügen und somit schlechter durch einen Schlag auszuschalten sind, als die Spielercharaktere.

Wie funktioniert die Magie? Es wird unterschieden zwischen gewöhnlicher Magie, Zauberei, Göttliche Magie und Geistermagie. Alle Magie bezieht ihre Kraft aus, dem Spiel namensgebenden, Runen. Diese sind metaphysisch und alle Kräfte sind mit diesen verbunden. Es ist möglich, eine Queste durchzuführen, um im Einklang mit seiner Rune zu kommen und, wenn dies gelingt, dann erhält man eine nützliche Fähigkeit, die zu dieser Rune gehört.
Gewöhnliche Magie enthält eine Reihe nützlicher Zauber, die allgemein verbreitet sind und von denen ein Charakter bei der Erschaffung bereits einige erwerben konnte. Die Stärke der Zauber ist skalierbar und reicht normalerweise von 1-7 bei Menschen. Ein echter Pluspunkt ist die modulare Aufbauweise der Magie, so das man nach Wunsch alle 4 Arten der Magie benutzen kann oder nur diejenigen, die für die Kampagne passend sind.

Die Göttliche Magie funktioniert durch die Investition von Magiepunkten in einen Pakt mit einem Gott. Je nach Stand in der Kultgemeinschaft dürfen eine bestimmte Menge Punkte gebunden werden. Anstatt nun eine bestimmte Menge an Punkten für einen Zauber auszugeben, zählt jeder einzelne als ein Zauber, der durch Gebete wiedererlangt wird. Die Häufigkeit und Verfügbarkeit des Wiedererlangens, sowie die Skalierbarkeit der Zauber wird wiederum durch den Stand in der Kultgemeinschaft bestimmt. Die Zauber selber sind relativ mächtig und gehören durchaus in den High-Fantasy Bereich, wie z.B. Tote wiedererwecken.

Der Zauberer benötigt für seine Magie ein oder mehrere magische Bücher. Ein Buch mit Zaubersprüchen wird jedesmal als separate Fertigkeit gelernt. Eine weitere Fertigkeit spielt eine wichtige Rolle, die Manipulation. Jeweils 10% davon geben einen Manipulationspunkt. Während die eigentlichen Zaubersprüche des Zauberers dem normalen Repertoire des Fantasymagiers entsprechen, so kann durch den Einsatz von Manipulationspunkten die Stärke, die Reichweite, die Personenanzahl und andere Aspekte des Zauberspruches verändert werden. Es können sogar weitere Zaubersprüche zum ersten hinzugefügt werden. Ein flexibles System, welches aber streng reguliert wird. Alleine das Erlernen eines Zaubers, sofern der Charakter in dessen Besitz gelangt ist, kostet 2 Verbesserungswürfe.

Geistermagie hat wie alle Magie zwei relevante Fertigkeiten. Geistwandeln bestimmt die Wahrnehmung und die Möglichkeit in die Geisterwelt zu gelangen. Diese Fähigkeit ist abhängig von dem Status des Schamanen in seinem Kult. Die zweite Fertigkeit, Geister binden, ist der Kampfwert des Schamanen in der Geisterwelt. Geister haben besondere Fähigkeiten, unter anderem die Möglichkeit Personen in Besitz zu nehmen oder die Seele in die Geisterwelt zu ziehen und dort zu bekämpfen. Der Schamane verhandelt oder überwältigt die Geister, um sich deren Fähigkeiten zu Nutzen zu machen. Ein besonderer Geist ist der Geistergefährte des Schamanen. Dieser verleiht ihm allerhand Vorteile, kann aber auch auf die Ressourcen des Schamanen, wie Magiepunkte zurückgreifen. Eine der Möglichkeiten ist es, die Geister in Gegenstände zu binden und damit diese verfügbar haben. Eine kleine Beispielliste von Geistern schließt das Kapitel ab.

Kulte sind ein wichtiger Bestandteil des Spieles. Jeder, der sich für Magie interessiert, wird mit Kulten in Berührung kommen. Es wird erklärt, woraus sich ein Kult zusammensetzt, wie der Mythos des Kultes gespielt werden kann und welche Folgen dies für den Charakter hat. Als Beispiele folgen jeweils ein göttlicher, ein schamanistischer und ein Zauberkult.

Heroische Fähigkeiten können für 10 Abenteuerpunkte und fortgesetztes gutes Benehmen gnadenvoll vom Spielleiter zur Verfügung gestellt werden. Der Einsatz kostet jeweils einen Magiepunkt, also genauso viel wie ein einfacher Zauberspruch. Diese Fähigkeiten sind nützlich, wie z.B. Immunität gegen Gift, aber der Buhei der darum getrieben wird, ist in einer Welt, wo ähnliche und stärkere Effekte durch einen einfachen Zauberspruch erreicht werden, nicht ganz nachzuvollziehen.

Das Kapitel Kreaturen gibt mit 24 Seiten einen Überblick über die wichtigsten Gruppierungen von Monstern in der Spielwelt. Es beginnt mit der Chaoskreatur Broo, geht über Elf und Drache und endet mit dem Zombie.

Die Spielleitertipps zeigen auf, wo der Schwerpunkt von RuneQuest II liegt. Die Gemeinschaft, die Kulte und das alltägliche Leben in Verbindung mit einigen Questen. Es sollen gute Geschichten erzählt werden. Es folgen allgemeine Hinweise, das man Abenteuer kaufen kann oder selber fertigt und das man sich Gedanken über das Setting machen soll. Wenn man überlegt, dass das Spiel sich an erfahrene Spieler und Spielleiter wendet, so ist dieser Teil des Kapitels schon fast eine Beleidigung. Es folgen Tabellen zu Wetter, Reisen und Zufallsbegegnungen.

Spieletester

01.07.2010

Fazit

Dies ist ein solides Rollenspiel der alten Schule. Es ist ein wenig wie ein Eintopf, es wird jede Art von Zutaten miteinander verquirlt und man hofft, dass die Suppe schmeckt. Meiner Meinung nach kann RuneQuest II alles was ein Fantasysystem benötigt, ist aber bei den Detaillösungen sperrig und fade.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 6
Alter: ab 12 Jahren
Preis: 32,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2010
Genre: Rollenspiel
Zubehör:

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