1W6 Freunde

Ein 97-seitiges Rollenspiel im Taschenbuchformat zum Taschengeldpreis. Dieses kompakte Regelwerk hat alles was man zum spielen benötigt, ausgenommen eines Würfels.

Es beginnt mit Kapitel 1: Was ist ein Abenteuerspiel? Ob es einen Unterschied zwischen einem Abenteuerspiel und einem Rollenspiel gibt, konnte ich leider nicht feststellen, aber Abenteuerspiel ist auf alle Fälle nicht so vorbelastet wie das Wort ‚Rollenspiel‘. Dennoch begegnet uns hier nichts Unbekanntes. Es wird erklärt was ein Charakter ist, was der Spielleiter für Aufgaben hat und bringt einen erklärenden Beispieldialog. An dieser Stelle wird auch auf die Quellen Bezug genommen und eine Liste von Inspirationen aufgezeigt. Beim Durchsehen dieser Liste musste ich zustimmend nicken, alles Bücher, die ich als Kind und Jugendlicher verschlungen hatte, ob es nun die ??? oder die fünf Freunde waren.
Ein kleiner Wermutstropfen fand sich an dieser Stelle in der (üblichen) falschen Typisierung des Spielleiters. Kein Problem für alte Hasen, aber da das Spiel sich in erster Linie an Neueinsteiger wendet, könnte der falsche Eindruck entstehen, dass der Spielleiter sich tatsächlich als Autor sieht und entsprechend am Spieltisch agiert. Es wäre besser den Spielleiter als Mitspieler, der die Geschichte verwaltet, zu beschreiben.
Leider wird an dieser Stelle und zum Abschluss des Kapitels das (übliche) nichtssagende Mantra ‚Spaß ist das Spielziel‘ deklariert. Zum Glück folgt das eigentliche Spielziel darauf: Eine Jugenddetektiv-Geschichte zu erzählen. Schauen wir mal, ob dieses Ziel erreicht wird.

Das Kapitel 2: Was zeichnet Jugenddetektive aus? zeigt uns den adretten Weltverbesserer. Die Helden sind halt normale Jugendliche, die für das Gute kämpfen, nicht erwachsen und auch keine Profis. Dieses und das nächste Kapitel stecken sehr gut den Rahmen des Spieles ab.

Kapitel 3: Wie man Jugendkrimis spielt führt uns in die Spielwelt. Die Eigenschaften der Welt kennzeichnen sich durch das Thema. Die Charaktere sind angelegt für jugendfreies Spiel und lösen hauptsächlich mit Köpfchen die Fälle.
Es wird auf Klischees eingegangen und wie man diese nutzen kann. Ein nützlicher Leitfaden für den Hintergrund folgt. Es wird sich betont auf die 80’Jahre bezogen, der Blütezeit der Jugendkrimis. Was mit zur Stimmung beiträgt sind die im ‚Jugendjargon’ verwendeten Worte, z.B. ‚Ultrakrass’.
Ich möchte nichts schlechtreden, aber irgendwie passt das nicht zu der angesprochenen Zielgruppe von ‚Jugendlichen und jungen Erwachsenen‘. Diese kommen bestenfalls aus den 90‘, eher aber aus den 00‘. Während eine ganze Reihe von den Büchern zeitlos sind (5 Freunde), sind andere damals sehr spezifisch zeitgebunden gewesen (Funkfüchse). Damit erscheint mir die Zielgruppe wesentlich mehr bei den in Erinnerungen schwelgenden Endreißigern.

Nun geht es an das Eingemachte mit Kapitel 4: Die Regeln. Es wird ein Würfelwurf zu einem der Attribute addiert und wenn das Gesamtergebnis die 6 erreicht oder überschreitet ist das ein Erfolg. Ist das Ergebnis weniger, so misslingt die Probe. Sollte es gar passieren, dass das Ergebnis ins Negative gelangt, dann ist es ein totaler Fehlschlag. Der Spielleiter verteilt je nach Situation einen Bonus oder Malus von +3 bis zu -5 auf den Würfelwurf.
Es gibt für eine Spielgruppe dann noch 5 Bandenpunkte, welche den Zusammenhalt und das Teamwork beschreiben. Mit der Ausgabe eines dieser Punkte kann man einen Bonus von +1 auf den Würfelwurf erhalten oder einen totalen Fehlschlag abwenden. Diese Punkte werden wieder erneuert, wenn die Gruppe gut zusammenarbeitet, länger ausruht oder zwischen den Abenteuern. Die Bandenpunkte erhöhen sich um 1 für je 5 gelöste Fälle.
Das Bestreben der Autoren an dieser Stelle einfache und funktionale Regeln zu liefern ist sichtbar, aber leider völlig verfehlt. Zunächst einmal harmonieren die Regeln in keiner ersichtlichen Weise mit dem Hintergrund. Bei einer kriminalistischen Ermittlung geht es nicht darum eine Information zu bekommen oder nicht zu bekommen, sondern diese auszuwerten.
Ein Beispiel von den ???: Justus Jonas muss nicht eine Probe bestehen um festzustellen, dass die Verdächtige eine krakelige Unterschrift gibt und dass sie gerade keine Brot bäckt, als sie dem Postboten sagt: “Es tut mir leid, das meine Hand so zittrig ist, ich bin gerade beim Brotbacken.“ Sondern Justus Jonas muss aus dieser Information herausfiltern, dass die Frau eine Betrügerin ist, die die Unterschrift nur vortäuscht.
Im Beispielabenteuer im hinteren Teil des Buches wird für jede Information eine Probe verlangt. Was passiert wenn die Spieler diese nicht erfolgreich schaffen? Ohne Informationen kommt es erst gar nicht zu dem ‚kriminalistischen’ Teil des Abenteuers. In diesem System gibt es keine Teilerfolge, entweder etwas wird geschafft oder auch nicht. Insbesondere bei der oben erwähnten Infomationsbeschaffung ist so etwas fatal. Denn entweder man bekommt die Information oder nicht. Auch bei anderen Proben kann eine solche Regelung unsinnig sein.
Dann schauen wir uns die Erfolgschancen an. Die Attribute werden mit 2-3 als durchschnittlich angegeben, also besteht bei einer normalen Probe eine 33%/50% Erfolgschance. In dem Spezialgebiet des Charakters (+2), mit einem maximierten Attribut (4) hat der Charakter automatischen Erfolg, es sei denn der Spielleiter vergibt einen Malus. Das erscheint mir, für die Art des Spieles, doch recht niedrig. Insbesondere da gemäß Regelbuch Malusse leicht vergeben werden (-1 bei einem ‚bockigen’ Ereignis), Bonusse dagegen selten. Es gibt zwar den ‚totalen Fehlschlag’, aber nicht den kritischen Erfolg.

Das führt uns zu dem Kapitel 5: Die Charaktererschaffung. Die Charaktere bestehen aus 7 Einträgen und zwar aus Namen, 4 Attributen, Fleißkärtchen und Merkmalen. Die Attribute Stärke, Cleverness, Mut und Umgang reichen von 1-4 und der Spieler darf 9 Punkte darauf verteilen. Aufgrund der Regeln macht eigentlich nur eine Spezialisierung Sinn, was die typische Rollenverteilung (Anführer, Denker, Charismat, Athlet) unterstreicht. Die Fleißkärtchen sind die Spezialisierung der Charaktere auf ihr Steckenpferd und ermöglichen normalerweise einen Bonus von +2 in einer bestimmten Situation, wo das Steckenpferd zum tragen kommt. Eine Reihe von Beispielen wird gegeben und dann erläutert, auch hier wieder in der Sprache der Zeit (Steiler Zahn, Auge des Tigers, Höllenengel, Superdurchblicker). Merkmale sind dann freie Beschreibungen von Dingen die dem Charakter Kontur geben.

Es folgen vier Kapitel 6: Beispielcharaktere. Diese sind eindeutig wieder zu erkennen aus der Literatur.

Hilfe für den Spielleiter kommt in Kapitel 7: Einen Fall entwerfen. Hier wird die Struktur eines Falles bzw. Abenteuers erklärt und wie man dieses entwirft. Mit Fragen wie: Wo liegt der Tatort? Wie ging die Tat von statten? wird dem Spielleiter geholfen sich Gedanken über die wesentlichen Elemente der Geschichte zu machen.

Kapitel 8: Ein Fall für alle Fälle - Abenteuergenerator zeigt uns wie ein Fall per Zufallsgenerator erstellt werden kann. Ein wirklich schönes Beispiel wie man mit 14 Tabellen ein hilfreiches Grundgerüst aufbaut. Ein Beispiel: Es geht um einen Mord (Tab1). Die Opfer sind Mitglieder eine Subkultur, der Täter ein angesehener Bürger und das Motiv Neid (Tab2). Man bittet sie explizit um Hilfe (Tab3). Der Tatort ist eine Kulturinstitution (Tab5). Das Versteck ist die Schule (Tab6). Die Tatwaffe eine Pistole(Tab7). Die Spuren sind Zeugensaussagen.(Tab10) Die Nebenhandlung ist, dass einer der Charaktere einen Verehrer hat (Tab11). Der Mittelteil ist die Ermittlung inmitten einer Subkultur (Tab12). Es gibt einen Wendepunkt: Ein anderer Täter zieht die Fäden (Tab13). Es gibt eine Eskalation, denn die Polizei verursacht Chaos (Tab14).

Jetzt heißt es in Kapitel 9: Willkommen in der Millionenstadt. Die Stadt wird vorgestellt mit Orten, die in den Romanen so häufig besucht und schnell wieder erkannt werden. Die Beschreibungen sind mit viel Humor gehalten und voller Klischees. Da liest man zum Beispiel vom Enid-Blyton-Gymnasium oder dem Autohaus Schieber.

Die Kapitel 10: Bewohner der Millionenstadt sind ein buntes Potpourri aus möglichen Begegnungen, Freunden und Feinden der Helden. Auch hier begegnet man den zu erwartenden Bekannten. Es sind typische Figuren, die Reporterin Vanessa Lux oder Strolch, der Landstreicher.

Das Buch schließt ab mit dem Kapitel 11: Das Geheimnis des Wolpertingers. Das Abenteuer ist komplett und sofort spielbar. Ich habe es mit Vergnügen gelesen.
Die letzte Seite ist das Charakterblatt.

Spieletester

13.02.2010

Fazit

: Zunächst erschien mir dieses Buch als eine Perle, bei genauerem Hinsehen war es aber eine Glasperle. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass die Autoren es möglichst einfach halten wollten, dabei ist die generische Regelmechanik hier aber völlig kontraproduktiv und mit dem Jargon des Buches ausgedrückt: Thema verfehlt, Sechs. Wie man so etwas besser machen kann, zeigt zum Beispiel das Gumshoe-System von Robin D. Laws (Kriminalistische Regeln) oder Don’t Rest Your Head von Evil Hat Production (Thematisierte Regeln). Davon abgesehen machen die Beschreibungen und die Stimmung wirklich Spaß. Es juckt in den Fingern einfach mal los zu spielen und den drei ??? Konkurrenz zu machen. Auch der Preis und das Taschenbuchformat sind ansprechend.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 6
Alter: ab 12 Jahren
Preis: 12,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2009
Genre: Rollenspiel
Zubehör:

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