Stichspiele sind eine ganz eigene Art an Gesellschaftsspielen.
Erfolgreichen Vertretern des Genres bieten zumeist eine gewisse Zeitlosigkeit, klare Regeln und die Vertrautheit des klassischen Mechanismus plus einen innovativen Kniff als Alleinstellungsmerkmal. Daher sind die Standards, an welchen sich Neulinge messen müssen, stets recht hoch.
Mit Tournament at Camelot versuchen sich nun der sagenumwobene König Arthur und seine Ritter an der Aufgabe.
Tournament at Camelot ist zur Zeit nur in englischer Sprache erhältlich.
Thematik und Spielziel
Alle Spieler sind Teilnehmer in König Arthurs Turnier und auf der Suche nach Ruhm und Ehre. Wie für das Stichspiel-Genre zumeist üblich, ist das Thema allerdings nur sehr lose mit dem restlichen Spiel verbunden. So erhält jeder Spieler eine Charakterkarte und damit eine eigene, regeländernde Fähigkeit. Das entstehende Teilnehmerfeld ergibt thematisch aber kaum Sinn: "Heute begrüßen wir in der blauen Ecke 'König Arthur' selbst, in der roten Ecke 'Guinevere' (Lancelots Geliebte), in der grünen Ecke 'Die Kreuzritter' (Alle!) und in der gelben Ecke die mythische 'Dame des Sees'."
400 Lebenspunkte wandern auf das Konto aller SpielerInnen, welche im Laufe des Spiels dahinschwinden werden. Das Spiel endet, sobald zumindest ein/e SpielerIn keine Punkte mehr abgeben kann und es gewinnt der/diejenige, welche noch die meisten Punkte besitzt. Die Spielkarten erstrecken sich über vier "Farben" - Schwerter, Pfeile, Zauberei, Täuschung - und besitzen Werte von 1 bis 15. Dazu kommen 15 Karten Alchemie (stehen für jede Farbe) und fünf Karten Zauberer (Joker-Karten, man kann ihren Wert beim Ausspielen selbst bestimmen).
Material und Gestaltung
Sämtliche Illustrationen sind im romanischen Stil gemalt und erinnern an mittelalterliche Kirchenmalereien. Vor allem die Spielschachtel sticht dadurch wirklich heraus - sie war der Hauptgrund für mein Interesse an diesem Spiel.
Die Karten selbst sind ebenfalls sehr schön und übersichtlich gestaltet und präsentieren sich im passenden Tarot-Kartenformat. Der einzige kleine Kritikpunkt ist hier, dass sich die 80 Karten wegen ihrer Größe etwas schwer mischen lassen.
Mechanik
In klassischen Stichspielen versuchen die Spieler Stiche zu gewinnen, indem sie die höchste Karte oder Kartenkombination ausspielen. Die Auswahl an Karten, welche ausgespielt werden darf, wird dabei oft eingeschränkt - Farbzwang oder Stichzwang sind zwei klassische Vertreter dieser Regeln.
In Tournament at Camelot stellt jede Runde einen Kampf im Turnier dar. Es gilt Farb- aber kein Stichzwang. Der Kniff besteht darin, dass die niedrigste gespielte Karte den Stich erhält, aber jeder Stich eine erlittene Wunde repräsentiert, welcher den Verlust von Lebenspunkten mit sich bringt - man will also möglichst KEINEN Stich erhalten.
Nachdem alle Spieler ihre Kartenhand leer gespielt haben, summiert jeder/e SpielerIn die erhalten Wunden und zieht sie von seinen Lebenspunkten ab.
Bevor die Karten gemischt und für die nächste Runde erneut ausgeteilt werden, kommt nun der zweite besondere Aspekt von Tournament at Camelot zum Tragen: Spieler, welchen es bislang im Turnier schlecht ergangen ist, erhalten sogenannte Gottesgeschenke. Diese bringen den Spielern für die nächste Spielrunde neue Fähigkeiten oder Einmal-Effekte und somit große Vorteile.
Spieler, deren Lebenspunkte unter eine gewisse Schwelle sinken, erhalten außerdem eine weitere dauerhafte Charakter-Karte und somit einen weiteren Vorteil und Hoffnungsschimmer.
Spielgefühl
Die Regeln sind nicht sehr umfangreich und dennoch schnell erklärt. Das Spiel geht sehr flüssig von der Hand, Stiche lassen sich in der Regel schnell und einfach abhandeln und es kommt eigentlich nie zu langen Nachdenkpausen.
Das Spielgefühl ist leider sehr chaotisch und schwer berechenbar. Oft hat meine keine wirkliche Entscheidung - entweder, weil man nur eine Karte ausspielen kann oder man keine Ahnung hat, welche Karten von den nachfolgenden Spielern gespielt werden. Da nicht alle Karten ausgeteilt werden, ist ein Abschätzen oder Mitzählen der Karten schwer möglich. Vor allem das Spiel zu dritt oder zu viert wird dadurch sehr schnell frustrierend.
Spät im Stich auszuspielen ist, wie bei vielen anderen Stich-Spielen auch, ein großer Vorteil. Wer immer einen Stich erhält, muss auch den nächsten Stich eröffnen, was wiederum oft dazu führt, dass man diesen ebenso erhält. Es war in meinen Testspielen keine Seltenheit, dass die erlittenen Wunden am Ende einer Runde 0 - 0 - 20 - 140 verteilt waren. Spass kam dadurch selten auf.
Den Autoren war dieses Problem anscheinend bekannt, denn mithilfe der Gottesgeschenk-Karten haben unglückliche Spieler eine Hilfe, den Rückstand wieder wegzumachen. Ein Großteil dieser Karten hat sich dabei zwar als hilfreich, aber leider als wenig spassig herausgestellt.
So bewirkt zum Beispiel die Karte "Fanfare", dass ein beliebiger Spieler alle Stiche der nächsten Runde anfangen darf. An diesem Punkt ist bereits voraussehbar, wer diese Runde die 140 Punkte kassieren wird.
Die Karte "Antidote" bewirkt, dass ein Spieler nach einer Runde fast alle Wunden einem beliebigen Spieler "schenken" darf. Damit spielt sich die folgende Runde für diese 2 Spieler von selbst - dem schenkenden Spieler ist alles egal, der beschenkte kann sich nicht wehren. Etwas mehr redaktioneller Feinschliff wäre hier wünschenswert gewesen.
Das größte Problem und der Grund, wieso ich Tournament at Camelot leider nicht empfehlen kann, ist die Tatsache, dass wirklich viele der besonderen Karteneffekte nicht ausreichend beschrieben sind. Auch die Interaktionen zwischen verschiedenen Karteneffekten werfen Runde für Runde unlösbare Fragen auf. Streng genommen ist das Spiel durch diese Regellücken unspielbar. Dieser Umstand ist sehr schade, denn mit etwas mehr Beachtung hätte Tournament at Camelot ein wirklich netter Vertreter des Stichspiel-Genres werden können.
Zusatz: Die Autoren sind sehr bemüht und haben seit dem Erscheinen des Spiels FAQs und Varianten bekannt gegeben, durch welche die Spielerfahrung an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden kann. Ich hab diese Varianten nicht ausprobiert, meine Meinung und Urteil bezieht sich daher auf das Spiel in dem Zustand, in welchem es ausgeliefert wird.
Spieletester
Fazit
Wer Stichspiele gerne hat, Gefallen an den romanische Illustrationen findet und nichts dagegen hat, Regellücken mittels Eigenrecherche zu klären, kann sich gerne an Tournament at Camelot versuchen. Allen andere muss ich leider abraten.
2 Alternativen, welche in meinen Spielrunden weit aus besser angekommen sind:
- Diamonds von Stronghold Games
- Skull King von Schmidt Spiele
Plus
- Tolle Illustrationen
Minus
- Sehr chaotisch und wenig berechenbar
- Lückenhafte Regel
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Details
1 Spielanleitung
16 Charakter-Karten
6 Sets Lebens-Karten
6 Lebensmarker
80 Waffen-Karten
24 Gottesgeschenk-Karten
4 weitere Marker
Statistik
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