Der Hexer von Salem

2008 löste die Tatsache, dass das Copyright für das Werk H.P. Lovecrafts ablief, in der US-Spielelandschaft eine regelrechte Lovecraftmania aus. Nun schlachtet Fantasy Flight Games das Thema Lovecraft respektive Cthulhu-Mythos mit seinem Millionseller Arkham Horror seit 2005 aus, und dass die deutsche Fassung vom Heidelberger Spieleverlag ein ebensolcher Renner ist, dürfte auch an Kosmos nicht vorübergegangen sein. 

Arkham Horror ist außerdem noch ein Kooperationsspiel, und der Boom, den dieses Genre zur Zeit erlebt, dürfte niemandem, der in seinem Schrank mehr als klassische Spielkarten und Siedler von Catan stehen hat, entgangen sein. Kosmos gilt im deutschsprachigen Raum mit Reiner Kinzias Der Herr der Ringe als der Verlag, der dieses Genre überhaupt erst einmal aufgebracht hat, was liegt also näher, als auf den fahrenden Lovecraft-Zug aufzuspringen, und dabei mal wieder das Koop-Genre zu beglücken? 

Nun hat H.P. Lovecraft hierzulande leider nicht ganz den Bekanntheitsgrad, den er in den USA genießt. Aber Wolfgang Hohlbein kennt jeder, und der hat mit seinen "Hexer von Salem"-Romanen cthutuloides Terrain abgegrast. Man ködert also die Hohlbein-Fans und diejenigen, die Hohlbeins Vorlage kennen. Was herauskommt ist das Koop-Spiel "Der Hexer von Salem"... Aber haben sie's auch wieder so wegweisend hinbekommen wie seinerzeit bei Der Herr der Ringe?

(Nein, haben sie nicht. T'schuldigung, unerlauber Vorgriff... aber schaut auf die Balken und alles ist klar.)


Duell der Hexer - Die Geschichte:

Der böse Hexer Necron (oioioi...) will einen transdimensionalen Bösewicht, einen der sogenannten "Großen Alten", über diverse böse Dimensionstore in unsere Welt holen. Dagegen stehen Robert Craven, der "Hexer von Salem", und sein Gefolge aus der Miskatonic Universität (die Spieler). Es gilt, herauszufinden, wo in der Stadt sich böse Dimensionsrisse befinden, diese mit Artefakten zu verschließen, einen Spieler nach R'lyeh, die transdimensionale Stadt der "Großen Alten", zu schicken, um den "Großen Alten" zu bändigen, während gleichzeitig ein anderer Spieler das letzte Tor am Plan, das Tor in der Miskatonic Universität, verschließt.

Klingt interessant... ist es aber nicht. (Verdammt, schon wieder so ein Vorgriff. Ich raube meinen Lesern ja die ganze Spannung...)


Das Spiel:

Der Spielplan zeigt 7 Gebäude, 6 davon haben ein Feld für Portale. Ein fixes Portal ist auf dem Startgebäude, der Miskatonic Universität, für die übrigen 6 Gebäude gibt es 8 Portalkarten. 4 davon zeigen eine Wand, 4 einen Dimensionsriß. Die 8 Karten werden gemischt, 6 auf dem Plan verteilt, die überzähligen 2 werden ungesehen aus dem Spiel genommen. Ergebnis: Im Spiel sind 2-4 Dimensionsrisse, die es für die Spieler zu finden und zu verschließen gilt.

Zudem gibt es sechs "Große Alte". Für sie gibt es einen Spielplanabschnitt "R'lyeh". Die "Großen Alten" werden gemischt, einer wird verdeckt auf ein zentrales Feld gelegt, die anderen 5 werden rundherum platziert.

Für den bösen Hexer Necron gibt es eine Leiste, dessen Ende die Necron-Figur besser nicht erreichen sollte.

In jedem Gebäude ausgenommen der Universität gibt es Felder für drei Gegenstand- bzw. Artefaktplättchen, die zu Spielbeginn aufgelegt und während des Spieles aufgefrischt werden, wenn alle Plättchen eines Gebäudes aufgesammelt wurden.

Jeder Spieler erhält eine Figur mit Platz für drei Gegenstände und ein Artefakt. Außerdem hat jede Figur einen Satz Karten mit einer Karte für jedes Gebäude inkl. einem Geheimgang und 6 Punkte Geistige Gesundheit... und KEINE speziellen Fähigkeiten !!! Aufgrund dieser Tatsache sollte Michael Rieneck schon mal auf ein paar Waschkörbe wütender Fanbriefe gefasst sein. Doch daran soll's nicht scheitern. (Doch. Gez. Dr. T. Vorgriff)

Zu Beginn jeder Runde werden je nach Spielerzahl ein oder zwei böse Kreaturen auf ein bis zwei Gebäude verteilt. Wird eine Kreatur gezogen, die bereits liegt, wird das enspr. Monster aktiv und fügt den auf der Karte angegebenen Schaden zu.

Danach hat jeder Spieler einen Zug. In seinem Zug spielt der Spieler eine Karte mit einem Gebäude und platziert seine Figur dort. Legt er den Geheimgang offen aus, kann er einen beliebigen Ort aufsuchen oder nach R'lyeh ziehen, muss aber einen Punkt Geistige Gesundheit abgeben.

Liegt auf dem Feld, auf das ein Spieler zieht, ein Monster, muss der Spieler einen speziellen Kampfwürfel werfen, der angibt, ob der Spieler einen Punkt Geistige Gesundheit verliert, einen der vier in der Stadt verteilten und von den Spielern eingesammelten Gegenstände ablegen muss oder Necron auf der Leiste ein Feld weiterzieht. Ist das erledigt, kann er ein Monster ablegen, wenn er die auf der Monsterkarte abgedruckten Gegenstände bei sich trägt, danach einen seiner Gegenstände benützen, ein Artefakt zum Portalplättchen legen und am Ende einen Gegenstand oder ein Artefakt aus dem Gebäude mitnehmen. In vielen Fällen muss man aber, um einen Gegenstand nehmen zu dürfen, einen Punkt Geistige Gesundheit bezahlen, Necron auf seiner Leiste ein Feld vorziehen, ein Monster ins Spiel bringen oder eine Spezielle Ereigniskarte zieht.

Haben alle Spieler ihren Zug beendet, ziehen die Spieler eine Ereigniskarte, führen sie aus und die nächste Runde beginnt.

Auf Seiten der Helden zieht zudem noch der Hexer Robert Craven in Form einer weißen Figur über den Plan. Sein Aufenthaltsort wird von den Ereigniskarten bestimmt. Er verhindert, dass Spieler in Gebäuden mit Kreaturen würfeln müssen, und bietet Vorteile, wenn man bestimmte Gegenstände spielt, wenn man sich im selben Gebäude aufhält.


Nun denn, was soll die ganze Show jetzt:

Es gilt, mit den in der Stadt aufgesammelten Gegenständen einerseits die Wandplättchen auf den Gebäuden zu inspizieren, und andererseits die Karten in R'lyeh aufzudecken. Eine Einschränkung für die Spieler besagt aber, dass man nicht sagen darf, welche Wandplättchen man auf welchen Feldern gesehen hat. Das ist natürlich ein... naja, sagen wir mal "eigentümlicher" Ansatz für ein KOOPERATIONSspiel... jedenfalls ist neben jedem Wandmarker ein Artefakt abgedruckt, und dieses Artefakt kann ein Spieler ablegen, um einen Dimensionsriss damit zu verschließen. Doch Vorsicht ist geboten: Wer ein Artefakt zu einer normalen Wand legt, öffnet ein Portal und die Spieler verlieren das Spiel.

Ein weiteres Element für das Spielende sind die "Großen Alten" in R'lyeh. Um diese Karten zu öffnen, muss man den Gegenstand "Necronomicon" einsetzen. Es gilt, alle sechs "Großer Alter"-Karten aufzudecken, sowohl den Oberbösewicht, als auch die 5 Karten, die rund um ihn aufgelegt wurden. Das sollte passieren, bevor Necron ungefähr zwei Drittel seiner Leiste hinter sich gelassen hat. Doch jeder dieser "Großen Alten" hat einen negativen Einfluss aufs Spiel, und sobald der endgültige Villain offen ausliegt, ist dessen Einfluss aktiv. Zudem kann es passieren, dass einer der fünf anderen "Großen Alten" durch eine Ereigniskarte als "Schatten" in der Universität landet und dann so lange die Spieler mit seiner Fähigkeit nervt, bis er verbannt wird.

Wenn die Spieler siegessicher sind, muss ein Spieler via Geheimgangkarte nach R'lyeh und den "Großen Alten" bannen. In jeder Runde, in der sich ein Spieler dort befindet, verliert er einen Punkt Geistige Gesundheit. Sobald ein anderer Spieler das Portal in der Miskatonic Univerität verschließt ist das Spiel beendet.


Spielende:

Erreichen die Spieler obiges Ziel, werden alle Portalplättchen in Arkham aufgedeckt. Ist ein Dimensionsriss nicht mit einem Artefakt gebannt oder liegt ein Artefakt bei einer normalem Mauer, haben die Spieler verloren. Sind alle Risse korrekt verschlossen, haben die Spieler gewonnen.

Dagegen stehten drei Möglichkeiten, das Spiel zu verlieren:

Jeder Spieler, der seine letzte Geistige Gesundheit verliert, scheidet aus dem Spiel aus. (Ähm, Herr Rieneck, ist Ihnen schon aufgefallen, dass dieses Element inzwischen von allen Genreschreibern vermieden wird?) Sobald nur noch ein Spieler im Spiel ist, ist das Spiel sofort verloren.

Zudem verlieren die Spieler, wenn Necrons Figur ans Ende seiner Leiste zieht oder wenn er ein bestimmtes Feld erreicht, das ungefähr nach 2/3 der Leiste lauert, und der "Große Alte" in R'lyeh noch verdeckt ist.




Spieletester

11.02.2009

Fazit

Jetzt, da wir endlich beim Fazit angekommen sind, kann ich ja nun offen sagen, was schon vorgegriffen wurde: Der Hexer von Salem ist von Koop-Meisterwerken wie Der Herr der Ringe oder Pandemie ungefähr so weit weg wie der Mars vom Home Server unserer Seite.

Als ein Produkt des europäischen Marktes, in dem sich traditionell die Geschichte dem System unterzuordnen hat (was in 9 von 10 Fällen reibungslos funktionierende Spiele mit hingedehntem und/oder aufgesetztem Thema bringt, womit aber zumindest ich prima leben kann), lebte die Hoffnung, dass Der Hexer von Salem ausbügelte, was Arkham Horror noch falsch gemacht hat: Ein im notwendigen Rahmen STEUERBARES Koop-Spiel, bei dem gezielt agiert werden kann, und das dabei nicht mit Elementen und Regeln überladen wird. Leider Fehlanzeige: Der Hexer von Salem ist - Tusch bitte - NOCH willkürlicher, zufälliger und unsteuerbarer als sein Vorbild.

Was ist hier passiert? Sehr einfach: Die für die Spieler wichtigsten Elemente, um eine Stategie entwickeln zu können, sind die Figur von Hexer Robert Craven und die Kämpfe gegen die Kreaturen. Aber:

Der Hexer geht nicht dorthin, wo man ihn braucht, sondern dorthin, wo es der Ereigniskarte gerade passt. Das leitet wunderschön zu Punkt zwei: Warum sollte ich mit einem Dolch und einem Elexier einen Untoten zu vertreiben planen, wenn die Chance 1:3 steht, dass ich einen dieser Gegenstände ohnehin verliere, noch bevor ich überhaupt zum Kampf ansetzen konnte? Gut, ich muss nicht würfeln, wenn der Hexer da ist, aber der ist ja nicht dort, wo ich ihn haben will. Seufz...

[Kleiner Einschub: Ein Einwand, der in unserer Runde kam, war, dass Ghost Stories auch vom Würfel abhängig sei. Ja, aber da kann ich mir mit Markern, Fähigkeiten der Figuren und Gebäuden helfen. Einschub Ende.]

Das Spiel ist damit so uninteressant unspielbar, dass man sich in seinem Frust dann auch noch wunderbar über die mit peinlich noch relativ harmlos umschriebenen Illustration auslassen kann: So manche der Kreaturen lassen hier die Grenze der Lächerlichkeit weit hinter sich - ich verweise hier auf das als Riesenfrosch dargestellte "Tiefere Wesen" - doch das ist alles harmlos gegen das, was Franz Vohwinkel uns als "Große Alte" vorsetzt. Einzig Cthulhu geht hier als optisch gelungen durch, aber bevor ich mich hier jetzt in langen Beschreibungen der Darstellungen Hasturs und Nyarlathoteps auslasse, verweise ich hier für alle Nervenstarken unter unseren Lesern auf beiliegendes Bildmaterial. Wer seine Neugierde in Zaum halten kann, den möchte ich hiermit raten, in süßer Unkenntnis weiterzuleben.

Die bisher größte Enttäuschung um Kooperationsspielebereich: Zu zufällig, glücksabhängig, zu unsteuerbar. Man wird den schalen Eindruck nicht los, es ist egal, was man tut, das Spiel macht sowieso, was es will.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

Baki Nalincioglu | 13.02.2009

Der Mechanismus ist einfach gehalten, jedoch weiß das Spiel vor allem in punkto Atmosphäre zu überzeugen. Wir hatten nicht den Eindruck, dass es nicht planbar wäre. Wer gut spielt hat bessere Chancen zu gewinnen, wer schlecht spielt verliert sicher.

Thomas Nezold | 15.02.2009

Also wir sind geübte Koop-Spieler (Pandemie, Ghost Stories, Herr der Ringe, Schatten über Camelot, Arkham Horror, A Touch of Evil, Space Alert,...), aber wir hatten nicht das Gefühl, das Spiel IRGENDWIE beeinflussen zu können.

Udo Seelhofer | 16.02.2009

Das SPiel ist -wie Thomas schon sagte - ÜBERHAUPT nicht beeinflussbar. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass man der HExer jedes MAl einfach per Zufall irgendwohin zieht und man nicht einmal ansatzweise vorhersagen kann, auf welchem Feld er als nächstes stehen bleibt. Da man den Kerl aber doch ziemlich dirngend braucht, wenns Richtung Endkampf geht, ist es eine reine Glückssache, ob der Hexer nun bei dir steht oder nicht. So hat man das Gefühl, dass das Spiel mit DIR spielt und nicht du mit dem Spiel!

Thomas | 18.02.2009

Kann mich der Rezension nicht anschliessen.
Wir haben Hexer bis jetzt nur zu zweit gespielt. Natürlich haben wir einige Spiele gebraucht um den Standard-Schwierigkeitsgrad zu schlagen.
Das Glückselement ist zweifelsohne wesentlich höher als in den anderen neuen Koop-Spielen (Ghost Stories, Pandemic & co.), aber unsteuerbar ist es mit sicherheit nicht! man benötigt zum Sieg eine funktionierende Taktik und ein kleines bi©¬chen Glück. Wir haben mittlerweile auch schon ein Spiel gewonnen, in dem zahlreiche entscheidungen gegen uns liefen.
Und nebenbei: Auch ein Ghost Stories lässt sich nicht gewinnen, wenn man nur Pech hat.

Für uns ein nettes Koop-Spiel mit vergleichsweise einfachen Regeln, atmosphärischer Aufmachung und spannendem Ablauf. Nicht der Oberhit, aber absolut solide.

Susanne | 18.06.2009

Uns gefällt das Spiel sehr gut, was aber vielleicht auch daran liegt, das wir es etwas anders spielen als es ursprünglich gedacht ist, wir außerdem keine Vielspieler sind und es unser erstes Koop-Spiel ist. Wir spielen das Spiel zu zweit mit allen 4 Figuren und beratschlagen in jeder Runde gemeinsam, was welche Spielfigur machen soll. Und wir legen die Portalsplättchen einfach offen hin, nachdem wir sie aufgedeckt haben. Unter diesen geänderten Voraussetzungen macht das Spiel richtig Spaß. Man kann gewinnen und durch gutes strategisches Handeln den Spielverlauf deutlich beeinflussen und trotzdem wird es nicht langweilig durch die Vereinfachung. Ein großer Pluspunkt ist meiner Meinung nach die sehr schöne und detailverliebte Gestaltung vor allem des Spielplans aber auch der Karten, die eine tolle Atmosphäre erzeugt. Die ersten Male hat es mich beim Spielen richtig gegruselt. Was ich zugeben muss, ist dass, wenn man es oft spielt, sich die Spielverläufe irgendwann ähneln und die Spannung abnimmt. Das wird zum einen aber das Eintauchen in die schöne Atmosphäre wettgemacht und zum anderen kann man dem ja entgegenwirken, indem man es einfach nicht so oft spielt.

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: 30,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2008
Verlag: Kosmos
Grafiker: Franz Vohwinkel
Zubehör:

1 Spielbrett
4 Spielfiguren
1 Hexer
4 Spielertafeln
1 Necron Spielstein
1 Spezialwürfel
26 Kreaturenkarten
6 große Alte-Karten
12 Ereigniskarten
5 Übersichten
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