Benimm ist in!

Liebe LeserIn! Ich könnte mich an dieser Stelle kurz fassen (wer das möchte, lese bitte nur das Fazit), doch das Spiel aus dem Jahr 2006 (wenn man das Cover und den Titel betrachtet hält man das nicht für möglich), bietet so viel an Inhalt, der ungewollt komisch anmutet, dass ich Dir das nicht vorenthalten will.

Zuerst aber zum Spielablauf: Gespielt wird rund um das Spielfeld. Wer auf der Punkteleiste zuerst am Ziel ankommt, hat gewonnen. Doch wie bewegt man sich fort? Zu Design und Thema passend mit einem Würfel. Erreicht man dabei ein leeres Feld, was übrigens jedes zweite Feld ist, passiert nichts. NICHTS! Man verzeihe, dass ich das so betone. Aber das ist als ob ich würfle und meine Figur einfach am Tisch irgendwo hinstelle .. Dafür brauche ich doch kein Brettspiel?! Aber natürlich hat sich der Autor etwas dabei gedacht: Denn wenn man eine Frage (siehe unten) falsch beantwortet, muss man um 1 Feld zurückziehen und landet damit auf einem leeren Feld.

Die restlichen Felder sind dunkelblau oder rot und hier wird eine Frage gestellt.

Bei den blauen Feldern von einer der Karten, bei den roten Feldern direkt vom Spielplan. Dort sind nämlich Situationen aufgedruckt, die pantomimisch darzustellen sind. (Dazu findet man im übrigen in der Anleitung folgenden Vermerk: Man möge die dazu notwendigen Dinge wie Wasser, Gabel und dergleichen mehr schon vorbereiten, um sie während des Spiels nicht holen zu müssen. Einige Seiten zuvor heißt es noch, das dass benötigte Gegenstände pantomimisch dargestellt werden sollen. Wie jetzt?

Die Fragekarten kommen im Übrigen in eine Fragekartenbox. In der Theorie. Die Karten sind leider zu groß für die Box. Oder zu klein. Der Länge nach passen sie nicht rein, für "der Höhe nach" ist die Box wiederum zu groß. Fehlkonstruktion. Ebenso wie der gesamte Spielkarton, der, um ein großes Spiel verkaufen zu können, zur Hälfte mit Karton ausgefüllt ist. Die Plastik-Einlage wiederum ist ebenso einem Designer zuzusprechen, der das Ding wohl nie ausprobiert hat: Man bekommt die Karten nicht aus der Schachtel. Also: Den gesamten Spielkarton umdrehen und so die Karten auf den Boden oder Tisch plumpsen lassen, wo sie sich gleich verteilen.

Genug geärgert, gehen wir ans Spiel. Und da beginnt der Spaß schon. Leider nicht der Spaß am Spiel, sondern an den ungewollt komischen Karten, bei denen im Übrigen mancherorts riesengroß die Artikelnummer des Spiels draufsteht, größer als Frage und Antwort. Was hat man sich dabei gedacht?

Apropos gedacht: Die Antworten zu den Fragen stehen auf der Rückseite der Karte. Man fragt sich wozu. Damit der Spieler, der die Frage beantworten soll, die Antwort schon mal ablesen kann?

Verzeihe bitte den Einwurf, jetzt aber wirklich zum Spiel, das laut Anleitung "ohne Zeigefinger richtiges Benehmen lehren" soll und schließlich zum Ziel führt: "Gewonnen haben alle - nämlich die Erkenntnis, wie man sich richtig benimmt".

Schauen wir uns zuerst mal die redaktionelle Überarbeitung anhand von einigen Beispielen an: So heißt es bei einer Antwort: "Du wartest auf dem Bahnsteig, bis alle Leute ausgestiegen und gehst dann in das Abteil." Hoppla, fehlt da nicht ein Wort?

Aber auch die richtige Antwort ist für uns nicht immer wirklich die Richtige.
Aufgabe: "Du lädst einige Freunde zu dir nach Hause zu einer Pizza ein."
Falsch ist "Du lässt dir eine fertige Pizza vom Italiener bringen." Richtig ist: "Du machst mit Hilfe deiner Mutter eine Pizza." Und alle Freunde essen dann diese eine Pizza von Mama, die ja nichts anderes zu tun hat als den ganzen Tag am Herd zu stehen und zu kochen. So gehört sich das ja.

Außerdem finden sich sehr suggestive Antworten, wie "Du stürmst einfach hinein". Oder auch Antworten, die unglücklich formuliert sind: "Du bist wieder einmal zu spät dran" - als ob Kinder immer zu spät kommen. Oder: "Du drohst dem Einlasspersonal mit Prügeln" - na da werden sich die Konzert Securities aber fürchten, wenn ein 8 Jähriger droht ...

Ich werde jetzt mal einfach so weiter zitieren .

Wie würdest Du Dich verhalten, wenn dir beim Essen etwas in den Zähnen hängen bleibt? Die Lösung mit dem Zahnstocher? Weit gefehlt! Du holst Dir die Zahnseide, gehst mitten unterm Essen ins Bad und fudelst dort mit der Seide die Reste zwischen den Zähnen hervor.

Anderes Beispiel? Du kommst in eine Turnhalle, wie verhältst Du Dich?
Richtig: "Du stellst dich an einer Linie auf und wartest auf die Anweisungen der Lehrkraft."

Was ist wichtig beim Fußballspielen? Fairplay? Stimmt. Man kann das ganze aber auch wunderbar negativ verpacken: "Du beachtest die Regeln des Fair Play und versuchst TROTZDEM zu gewinnen".

Was macht ein 8-jähriger Junge (oder Mädchen), wenn er/sie kein Geld hat? Die Eltern fragen? Nein! Er/Sie kümmert dich selbst darum und geht Zeitungen austragen! (Das steht wirklich so auf den Karten - kein Scherz!)

Wie sehr an den Haaren herbeigezogen kann eine vorgeschlagene Lösung eigentlich sein? Ein Freund lädt ein, einen Horrorfilm anzuschauen. Soweit so gut. Falsch wäre es laut Noris, zuzusagen und Freunde mitzunehmen. Falsch ist es auch, zuzusagen, sich dann aber zu fürchten. Richtig ist allein die Antwort, offen zu sagen: "Mein Eltern mögen das nicht und ich will ihr Vertrauen nicht missbrauchen."

Auch die Wortwahl ist oftmals etwas eigen: "Du hast zuviel gegessen und in deinen Gedärmen beginnt es zu rumoren." Antwort A: "Du versuchst es zurückzuhalten" - Wie bitte hält man ein Rumoren zurück?

Erst die weiteren Antwortmöglichkeiten schaffen überhaupt Klarheit bei mir, was mit der Angabe gemeint ist. Mir ist hier also nicht schlecht, sondern es drückt eine Flatulenz. Dies lässt mich zumindest Antwort B erahnen: "Du pupst wie wild darauf los." Auch Antwort C könnte diese Vermutung verstärken: "Du entschuldigst dich und gehst zur Toilette, um dort Abhilfe zu schaffen."

Mein persönlicher, absoluter Höhepunkt ist jedoch folgende Aufgabenstellung: "Ein Freund fordert dich auf, die Alkoholvorräte seines Vaters zu plündern". Was wird man tun? Mitsaufen im Normalfall. Richtig ist aber vielmehr - man lese und staune: "Du gehst zu ihm, trinkst selbst nichts, greifst aber nicht ein, wenn dein Freund sich sinnlos betrinkt."

Na dann Prost!

Spieletester

14.09.2006

Fazit

Wer ein (ungewollt) sehr unterhaltsames Spiel haben möchte, dem sei zu "Benimm ist in" geraten. Das Spielfeld kann man jedoch getrost beiseite lassen, da ohnehin kaum Handlung geschieht. Auf dramaturgischen Aufbau wird hier wohl kein Wert gelegt.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 6
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 40 Minuten
Preis: 17,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2006
Verlag: noris
Zubehör:

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