Chrononauts

Dieses Spiel ist nur auf englisch erhältlich.


Don't Panic Convention, 2011: Zwischen den Jagden auf böse Cthulhu-Anbeter in den düsteren Fängen des Waldviertels, dem Testen und Spielen bekannter und noch unbekannter und/oder unveröffentlichter Spiele und dem rollenspieltechnischen Inszenieren der Jagd nach dem bekanntesten aller Serienmörder findet meinereiner auch mal ein paar Minuten Zeit durch die Schätze des Spielehändler meines Vertrauens (Hallo, Harry!!! *winke winke*) zu stöbern. Diese und ähnliche Gelegenheiten nutzt der Verfasser dieser Zeilen regelmäßig um auf die Jagd nach Exoten zu gehen, schließlich braucht man ja wieder was, womit man beim nächsten Spieleabend angeben kann. Mein Radar leitete mich heuer zielsicher zu zwei Spielen, und eines davon ist Chrononauts, ein Spiel mit dem Thema Zeitreise. Dass ich auf solche Themen anspringe wie Nachbars Flocki ist keine neue Erkenntnis mehr und wenn es dieses Spiel dann für nur 10€ gibt... 
(Der Zweitkauf übrigens, House of Spirits, scheint leider nicht ganz zu halten was er versprochen hat, aber genaueres darüber wie immer erst nach der Obduktion... äh, ich meine, nach dem mindestens dritten Spiel.)

Erdacht und publiziert wurde Chrononauts von Andrew Looney, Autor der unzerstörbaren Fluxx-Serie (auf viele weitere Teile, Andy!!! *Glas heb*). 2000 versuchte er sich an diesem Zeitreisespiel und war damit erfolgreich genug um die "Fortsetzung" Early American Chrononauts sowie die Erweiterungen Lost Identities und die Jahr-2000-bis-2008-Zusatzkarten The Gore-Years zu rechtfertigen. BoardGameGeek spricht sogar von einer Zurück in die Zukunft-Version des Spieles.
Na dann wollen wir mal sehen, was Looney Labs uns diesmal wieder Schönes vorsetzt. Ein Thema wie dieses bringt ja bei mir schon prinzipiell mal Frohsinn und dass der Fluxx-Erdenker, was lustig-doofe Kartenspiele angeht, relativ schmerzfrei ist, ist schließlich auch keine neue Erkenntnis. Beste Voraussetzungen also für ein "ANYTHING GOES"-Kartenspiel:


Das Spiel:

In der Mitte des Tisches wird eine Zeitlinie bestehend aus 32 Karten ausgelegt. Jede dieser Karte zeigt ein wichtiges Ereignis von der Ermordung Lincolns bis zum Columbine-Amoklauf 1999. Zu Spielbeginn entsprechen diese Ereignisse dem Zeitablauf der Realität, nur wird das eben nicht so bleiben. (Klar, sonst bräuchten wir ja keine Zeitreisen ins Spiel einbauen.)

Jeder Spieler beginnt mit 3 Handkarten. Der Zug eines Spielers besteht darin, eine Karte zu ziehen und entweder eine Karte auszuspielen, eine abzuwerfen oder zwei abzuwerfen, und dafür eine Karte nachzuziehen.


Es gibt folgende Arten von Karten:

Action bzw. Timewarp:
Selbsterklärende Aktionen

Invers:
In der Zeitlinie liegen sog. Linchpin-Karten. Dabei handelt es sich um Ereignisse, die von den Spielern verändert werden können. (Beispiel: JFK wird vor den Todesschüssen gerettet.) Mit den "Invers"-Karten können eben diese Ereignisse verändert werden.
Wenn ein Spieler ein solches Ereignis verändert, wird die Karte zunächst einmal auf die Rückseite gedreht. Diese besagt nun z.B., dass JFK die Schüsse überlebt hat. Das hat aber auch unmittelbare Auswirkungen auf bestimmte nachfolgende Ereignisse. Diese Karten werden "Ripplepoints" genannt, und wenn eine solche Karte durch ein Linchpin beeinflusst wird, wird daraus ein "Paradox".
Wenn irgendwann 13 Paradoxa ausliegen ist die Zeitlinie im Orkus und alle Spieler haben verloren.

Patches:
Diese Karten werden auf bestehende Paradoxa ausgespielt und ersetzten diese durch andere Ereignisse. So landen eben z.B. nicht die Amis auf dem Mond sondern die Gegenseite.
Wer ein Patch spielt erhält als Belohnung eine Handkarte.

Gadgets & Artefacts:
Es handelt sich dabei um Karten, die man vor sich auf den Tisch legt. Gadgets haben dabei eine Funktion, Artefacts sind Schätze, die nur Zeitreisende einsammeln können (also Kleinigkeiten wie Christus' Dornenkrone oder lebende Dinosaurier).


Zwei spezielle Punkte gibt es innerhalb der Zeitlinie, denen Looney offenbar nicht widerstehen konnte:

1. Der Nexus:
Das Jahr 1945 ist ein spezieller Knotenpunkt, eben der "Nexus". Wenn dieses Jahr zum Paradox wird, gibt es VIER Patches, die man hier verwenden kann. Jedes davon ist allerdings an drei davor liegende Linchpins (einem vielleicht stattfindenden Attentat auf Hitler während der Olympischen Spiele 1936, Pearl Harbor und dem Manhatten Project) gebunden und kann daher nicht immer gespielt werden.

2. Das Über-Paradox:
Der Patch für das Jahr 1962 (Kuba-Krise) ist "World War 3". Dieser sorgt für das "Über-Paradox": Die Menschheit hat sich selber ausgerottet, und die gesamte Zeitlinie nach 1962 ist so lange nicht existent, bis das Patch entfernt ist.


Jeder Spieler hat drei Möglichkeiten, um das Spiel zu gewinnen:

1. Der Spieler hält 10 Handkarten, Artefact- und Gadgetkarten nicht mitgerechnet.
2. Jeder Spieler erhält bei Spielbeginn eine geheime Mission. Sobald ein Spieler die auf dieser Missionskarte angegebenen Artefakte besitzt, hat er gewonnen.
3. Jeder Spieler erhält zu Spielbeginn eine ID-Karte. Diese geben drei Zeitpunkte in der Zeitlinie an, die so aufliegen müssen, um zu gewinnen. Einer dieser Zeitpunkte entspricht dabei der Startaufstellung, zwei sind Patches.

Spieletester

08.07.2011

Fazit

Bei Chrononauts hat man nur wenige Einflussmöglichkeiten. Eine Taktik kann man sich nur in sehr beschränktem Rahmen zurechtlegen, von einer Strategie zu sprechen wäre blanker Hohn. Mit den falschen Karten in der Hand kann man nur wenig ausrichten. Aber - Achtung, unsachliches Statement voraus - Chrononauts is FRIGGIN' COOL!!!

Es beweist sich einmal mehr: Wenn es mal anspruchslos witzig und total abgedreht sein soll, dann ist Andrew Looney der richtige Mann für den Job. Zwar kann man bei Chrononauts noch mehr in die Hand nehmen als bei Fluxx, aber dennoch liegen die Beeinflussungsmöglichkeiten irgendwo zwischen 0,5 und Kaum. Aber auch hier ist genau das schlichtweg nicht wichtig.

Wer sich allerdings an einen Tisch mit der Chrononauts-Zeitlinie setzt, sollte eine gewisse Resistenz gegen das gute, alte "Spiel eine Karte und mach was draufsteht"-System mitbringen, denn aus mehr besteht auch Looneys Ausflug ins Zeitreise-Genre nicht. Großartige Neumechanismen sucht man hier vergebens, dafür gibt's Kombinationen im Stile von "Ich reise zurück und hol mir XXX bevor Du zurückfähst und es A wegnimmst, der zurückfuhr um es B wegzunehmen, der zurückfuhr, um es mir wegzunehmen" im Dutzend billiger.

Ebenso sollte man sich dessen gewahr sein, dass Chrononauts sehr "amerikanisch" ist. So kann man den Patch "Nazis win" beispielsweise nur spielen, wenn die USA nicht in den Zweiten Weltkrieg eintreten, und einen Patch, der Japan gewinnen lässt, gibt es gleich gar nicht. Ebenso ist der Angriff auf die Davidianersekte in Waco, Texas, für Looney ein Knotenpunkt der Geschichte, während dieses Ereigns uns Europäern eher die Schultern zucken und uns wieder unserem Abendessen zuwenden ließ.

Summa-Summarum: Keine Revolution im Spielsystem, aber eine witzige, glückslastige Bearbeitung eines selten bearbeiteten Themas. Wer an derartigem Spaß haben kann wird von Meister Looney einmal mehr gut bedient. Wärmt Eure Taschenzeitmaschinen an, denn ANYTHING GOES!!!
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 6
Alter: ab 11 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten
Preis: 10,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2000
Verlag: Looney Labs
Autor: Andrew Looney
Genre: Karten
Zubehör:

136 Karten
1 Anleitung

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