Winter der Toten

Das Überleben in der Zombie-Apokalypse gestaltet sich recht schwierig, wie hinlänglich bekannt sein dürfte. Nahrungsmittel-Knappheit, Dezivilisation und ständig dieses geifernde Gesocks, das einem ans Leder möchte. Ja, es gibt wirklich genug Dinge, über die man sich da den Kopf zerbrechen muss. Leider steht die Welt währenddessen aber auch nicht still. Die Erde dreht sich weiter um sich selbst und die Sonne, was unvermeidlich dazu führt, dass irgendwann Winter wird. Und dann wird’s richtig ungemütlich.

„Das sieht doch brauchbar aus!“

Wir befinden uns in einer Kolonie irgendwo im Nirgendwo. Einige harte Hunde haben sich zusammengefunden und beschlossen, dass ihre Chance, den nächsten Tag zu erleben, höher ist, wenn sie sich verbünden. Die Stimmung ist angespannt und das auch völlig zurecht, wütet draußen doch nicht nur ein Schneesturm, sondern auch das untote Gesindel. Jeder der Anwesenden hat seine Geschichte, aber das zählt jetzt nichts mehr – Universitätsprofessor und Obdachloser, Männer und Frauen, Kinder und Tiere stehen Seite an Seite, um mit allem, was sie haben (und das ist leider nicht so viel), dem zu trotzen, was da draußen lauert. Und genau wir sind natürlich diese Überlebenden. Na herzlichen Glückwunsch.
Jeder Spieler zieht zu Beginn zwei Überlebende. Jene sind durch Einfluss-, Angriffs- und Suchwerte sowie eine einzigartige Spezialfähigkeit charakterisiert. Außerdem haben wir einige Handkarten, die sich in die Kategorien Nahrung, Medizin, Kram, Ausrüstung und Werkzeug untergliedern lassen. Alle Überlebenden starten in der großen Kolonie, drum herum gibt es Spielelemente für sechs weitere Standorte, die wir im Laufe des Spiels besuchen können. Jetzt brauchen wir noch eine Mission, die uns verrät, was wir eigentlich zu tun haben. Diese sind nach Spieldauer unterteilt, wobei die kurzen in 45 – 90 Minuten gespielt sind, die langen dauern schon 120 – 210 Minuten. Die Mission legt außerdem fest, wo Runden- und Moralmarker starten. Sollte einer der beiden jemals die 0 erreichen, endet das Spiel sofort. Zum Schluss kriegt jeder noch eine Karte, die Dreh- und Angelpunkt des Spiels ist: die geheime Mission.

„Einer nach dem anderen!“

Eine Partie Winter der Toten wird in Runden gespielt, die Runden sind weiter in Spieler- und Koloniephase unterteilt. Jede Runde gilt es eine Krise zu überstehen, sonst verlieren wir Moral. Die Krisen erfüllt man, indem man Karten eines bestimmten von der Krise geforderten Typs zur Bewältigung der Krise beisteuert. Kurz rekapitulieren: Ein Gesamtziel, das von der Mission festgelegt wird, eine Krise, die jede Runde neu kommt, und ein geheimes Ziel, das für jeden Spieler individuell ist und das ganze Spiel gilt. Also machen wir uns mal auf!

Bevor die Spieler der Reihe nach ziehen, würfelt jeder so viele Würfel, wie er derzeit Überlebende kontrolliert, plus einen. Diese Würfel bilden die Basis für unseren Aktionspool. Es gibt Aktionen, für die wir einen Würfel ausgeben müssen, und solche, die das nicht benötigen. Jeder Überlebende darf auch einmal pro Runde von einem Standort zu einem beliebigen anderen reisen, riskiert dabei allerdings, verletzt zu werden oder Erfrierungen zu erleiden. Wer eine Reise tut, lernt eben Leute kennen, und das ist bei Winter der Toten nicht unbedingt etwas Gutes. Vermeiden lässt es sich trotzdem oft nicht, weil ein Standort schon von Zombies überrannt wird oder wir einfach dringend die Medizin aus dem Krankenhaus oder das Benzin von der Tankstelle brauchen, um die Krise zu überstehen. Sehr unterhaltsam sind oft die Schicksalskarten. Immer, wenn ein Spieler seinen Zug beginnt, zieht sein linker Nachbar eine davon. Auf jeder Schicksalskarte steht ein Auslöser bzw. eine Kondition. Sollte irgendwann im Laufe des Zuges des aktiven Spielers diese Kondition zutreffen, kommt es zu einer besonderen Situation, die oft harte Entscheidungen – teilweise für die gesamte Kolonie – mit sich bringt. Die Aktion, auf die wir zurückgreifen können, lauten wie folgt:

„Du musst anlegen, und dann halt kurz den Atem an… genau.“

Angreifen – Hiermit können wir, wer hätte es gedacht, einem Zombie die matschige Rübe einschlagen. Das kostet uns zwar einen Würfel, der gleich viele oder mehr Augen zeigt wie der Angriffswert des entsprechenden Charakters, dafür wissen wir dann auch, dass der Zombie danach das Zeitliche segnet. Allerdings wehrt er sich dabei schon, wir müssen deswegen auch – wie beim Reisen – einmal den Infektionswürfel werfen. Der zeigt gute Leerseiten, mittelgute Wunden, die einfach einen Schaden machen, mittelungute Erfrierungen, die das gleiche machen wie eine Wunde, nur einmal pro Runde, und dann gibt es das gar nicht gute Biss-Symbol, bei dem dann der Charakter auch sofort hopps geht. Ansonsten hält jeder Charakter drei Wunden aus.

Suchen – Um an das ganze nützliche Zeug zu kommen, müssen wir die Standorte erstmal durchsuchen. Auch das verbraucht einen Würfel, der gleich viele oder mehr Augen zeigt wie der Suchwert des entsprechenden Charakters. Jeder Standort hat einen eigenen (sortierten) Itemstapel, von dem wir dann ziehen. Wenn wir nicht vor Lärm zurückschrecken, können wir bis zu vier Lärm-Marker auf den Standort legen, um bis zu vier Karten mehr auf die Hand zu nehmen – allerdings kann man pro Suchaktion immer nur eine auf die Hand nehmen, es verbessert sich also nur die Auswahl. Lärm führt dazu, dass sich am Ende der Runde potentiell mehr Zombies auf den Standort stürzen.

Andere Aktionen mit Würfel – Einige Aktionen kosten zwar einen Würfel, allerdings ist der Würfelwert irrelevant. Dazu zählt das Verbarrikadieren, womit man Zombie-Felder besetzt und es die Zombies somit später in der Runde schwerer haben, den Standort zu attackieren. Weiters kann man Zombies anlocken, um sie von einem schon stark frequentierten Standort zu einem anderen zu zwingen, und Abfall entfernen. Ausgespielte Karten landen auf dem Abfallstapel. Sobald dort zehn oder mehr Karten liegen, kostet das am Ende Moral. Schließlich gibt es noch ein paar Spezialfähigkeiten, die einen Würfel kosten.

Aktionen ohne Würfel – Auch ohne den Einsatz von Würfeln kann man sinnvolle Aktionen ausführen. So kann man immer kostenlos Karten ausspielen, die nach dem Ausführen ihres Effekts auf dem Müllstapel landen, oder Karten zum Abwenden der Krise beisteuern. In dem Fall werden die Karten verdeckt zur Krise gelegt und erst später ausgewertet. Weiters kann man ohne Würfeleinsatz um Karten bitten, Überlebende bewegen, Ausrüstung weitergeben oder Nahrungsmarker ausgeben, um die eigenen Würfel zu verbessern. Und dann gibt es da noch die Option, über eine Verbannung abzustimmen. Und das ist eines der Elemente, die Winter der Toten sehr interessant machen.

„Wer war das?! Wer hat das weggenommen?!“

Es ist grundsätzlich möglich, dass unter den Spielern ein Verräter sein Unwesen treibt. Das steht auf der geheimen Zielkarte und hat gehörige Auswirkungen auf das Spielverhalten. Normale (Nicht-Verräter) Spieler haben immer als erste Siegbedingung, dass das Missionsziel erfüllt wird (und somit das Spiel dadurch endet). Verräter wollen hingegen, dass das Spiel endet, weil der Moral-Marker auf 0 sinkt. Ergo arbeitet der Verräter, so vorhanden, gezielt gegen alle anderen – aber das möglichst geheim. Hat sich ein Spieler zu verdächtig gemacht, kann man ihn verbannen. Das geschieht ganz einfach per Abstimmung, hat aber gravierende Folgen. Ein Verbannter legt seine geheime Zielkarte ab und zieht eine Zielkarte für Verbannte. Jetzt kann man sich ziemlich sicher sein, dass dieser Spieler in Zukunft gegen die Kolonie spielt – aber war er wirklich der Verräter?

„Sie kommen! Sie kommen! An die Waffen!!!“

Haben alle Spieler reihum ihre Züge getätigt, folgt die Koloniephase. Hier werden einige wichtige Dinge kontrolliert und die Zombies kommen an die Reihe.

Die Koloniephase beginnt damit, dass Nahrung verteilt wird. Pro zwei Überlebende, die sich derzeit in der Kolonie befinden, brauchen wir einen Nahrungsmarker. Es folgt die Überprüfung des Abfalls, bei der wir pro zehn Karten eine Moral verlieren. Anschließend wird die Krise abgehandelt. Dabei werden alle Karten, die verdeckt beigesteuert wurden, gemischt und dann aufgedeckt. Jede Karte jenen Typs, nach dem die Krise verlangt, hilft beim Abwenden der Krise – jede andere Karte allerdings gibt Minuspunkte. Das ist eine hervorragende Gelegenheit für den Verräter, den anderen das Leben schwer zu machen... Und für alle anderen dazu, sich in hitzigen Diskussionen darüber zu verlieren, wer der Bösewicht wohl ist. Ist auch das überstanden, kommen Zombies ins Spiel. Ihre Anzahl hängt dabei von der Anzahl der Überlebenden des jeweiligen Ortes (Kolonie oder Standort außerhalb) ab. Jeder Ort kann nur begrenzt viele Zombies vertragen. Wird diese Zahl überschritten, gehen die penetranten Leichen in den Angriff über und fordern Blutzoll. Danach wird noch das Missionsziel überprüft, der Rundenanzeiger um ein Feld weitergeschoben und der Startspieler wechselt im Uhrzeigersinn, dann sind wir bereit für die nächste Runde.

„Wir haben es geschafft! … Oder?“

Das Spiel endet, wenn im Schritt „Missionsziel überprüfen“ die Mission erfüllt worden ist oder wenn Moral- oder Rundenanzeiger auf 0 sinken. Außerdem ist Sense, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt zwei Spieler verbannt sind, aber keiner der beiden der Verräter war. Wenn es dann darum geht, wer gewonnen hat, offenbart Winter der Toten ein weiteres semi-kooperatives Element: Gewinnen tun alle Spieler, die zum Zeitpunkt des Spielendes alle Konditionen ihrer geheimen Zielkarte erfüllt haben. Alle anderen gehen leer aus, unabhängig davon, ob sie noch Teil der Kolonie oder verbannt waren, egal ob Freund oder Feind. Das stellt uns erneut oft vor schwierige Entscheidungen – beende ich das Spiel, weil ich den Sieg eh sicher habe, oder schaue ich, dass möglichst viele meiner Freunde es auch schaffen? Aber was, wenn ein Verräter dabei ist? Knifflig...

Spieletester

01.08.2015

Fazit

Winter der Toten ist ein gemeines Spiel. Nicht etwa, weil es Potential unnötig verschenkt – das Spiel ist großartig. Auch nicht, weil man ständig den anderen das Spiel versaut und vice versa – in der Regel zieht man an einem Strang. Es ist auch nicht so, dass das Spiel schnell langweilig wird – etliche Varianten und optionale Regeln sorgen für eine Menge Langzeitspielspaß. Winter der Toten ist gemein, weil es sich so verflucht echt anfühlt. Ja, das Spiel ist manchmal unfair. Ja, man muss Opfer bringen. Ja, manchmal hat man nur die Wahl zwischen Cholera und Pest. Und das ist auch alles gut so, denn wir befinden uns in der Apokalypse. Und die fühlt sich hier so wirklich an, wie ich das noch in keinem anderen Zombie-Spiel gesehen habe – und das will schon was heißen! Winter der Toten hat spielerische und mechanische Raffinessen und funktioniert hervorragend. Leben tut es aber ganz klar von der unglaublich dichten Atmosphäre. Es entführt die Spieler in eine der härtesten, gleichzeitig aber greifbarsten Scheinrealitäten, die ich bei Brettspielen erleben durfte. Es ist ein Spiel, das man zu gleichen Teilen spielt und erlebt – es ist ein richtig, richtig gutes Spiel.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

One | 11.01.2016

Sehr schönes Spiel, tolles Material und guter Spannungsbogen.

Emanuel | 12.01.2016

Das neue Lieblingsspiel! Eine tolle Geschichte die zum Rollenspiel animiert. Viel Variation dank der vielen Ereigniskarten und den vielen Spielerfiguren. Auch der Actionfaktor und das Betrügen spricht viele Spielertypen an. Der Einstieg ist schnell möglich und bietet langen Spielspass an. Nur schade, dass die Englisch Version und die limitierten Zusatzfiguren nur mühsam aus den USA bestellt werden können.

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 3 bis 5
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 100 Minuten
Preis: 45,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2015
Grafiker: Fernanda Suarez
Genre: Taktik
Zubehör:

1 Regel 1 Startspielermarker 1 Kolonie 6 Standorte 1 Infektionswürfel 30 Spielerwürfel 5 Übersichtsbögen 2 Anzeigemarker 30 Figuren für Überlebende 30 Zombiefiguren 25 Wundenmarker 20 Marker für hilflose Überlebende 20 Zombiemarker 20 Barrikadenmarker 20 Geräuschmarker 20 Nahrungsmarker 6 Hungermarker 10 Missionskarten 24 geheime Zielkarten 10 geheime Verrat-Zielkarten 10 geheime Zielkarten für Verbannte 30 Karten für Überlebende 25 Start-Objektkarten 20 Objektkarten Polizeiwache 20 Objektkarten Krankenhaus 20 Objektkarten Tankstelle 20 Objektkarten Supermarkt 20 Objektkarten Schule 20 Objektkarten Bücherei 20 Krisenkarten 80 Schicksalskarten

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