Mona Lisa hat keine Augenbrauen

Unnuetzes.com, bekannt durch die Facebook-Seite „Unnützes Wissen“, wirft nach einigen Büchern nun auch ein Brettspiel auf den analogen Markt. Könnte ja eigentlich ganz witzig sein – möchte man meinen...
In aller Kürze
Der kürzeste Linienflug der Welt dauert 47 Sekunden.

Die Spieler tippen auf den Wahrheitsgehalt vorgelesener Behauptungen aus sechs Kategorien um auf einem Spielplan weiterzukommen. Auf Spezialfeldern erfinden sie eigene Behauptungen oder duellieren sich mit Würfeln.

Um einiges ausführlicher
Der längste jemals dokumentierte Name war 746 Zeichen lang.

594 Fakten auf 198 Karten aus den sechs von der Website bekannten Kategorien (Menschen, Natur, Entertainment, Länder, Sport und Allgemein) bietet dieses Spiel. Dazu gibt es ein Heft, in dem die richtiggestellten falschen Behauptungen nachgelesen werden können. Sechs Spielfiguren für bis zu ebenso viele Mitspieler oder Teams liegen so wie 18 „Like“-Würfel bei. Von denen bekommt jeder Spieler drei, dann geht’s los.

Der älteste Spieler beginnt und zieht eine Karte einer beliebigen Kategorie. Darauf sind drei Behauptungen abgedruckt, von denen er sich eine aussucht und vorliest. Die Mitspieler tippen nun verdeckt mit Hilfe einer ihrer „Like“-Würfel, die jeweils drei der bekannten Facebook-Daumen-Symbole und drei leere Seiten besitzen, ob sie die Behauptung für wahr oder falsch halten. Der Vorleser verwendet ebenfalls einen seiner Würfel, um damit die korrekte Antwort anzuzeigen (warum auch immer er die Antwort nicht einfach vorliest). Haben alle getippt, wird aufgedeckt. Wer richtig liegt, darf ein Feld weiterziehen, die anderen bleiben stehen.
Der nächste Spieler ist nun an der Reihe, muss fortan jedoch die Kategorie passend zu dem Farbfeld auswählen, auf dem seine Figur steht.

Risikofelder und Challenges
Das „Mikromort“ ist eine Maßeinheit für Risiko.

Zusätzlich gibt es auf manchen Feldern Blitz-Symbole, die ein Risiko-Feld anzeigen. Wer als potentieller Fragensteller auf so einem Feld steht, hat die Möglichkeit, sich eine Behauptung der entsprechenden Kategorie vorlesen zu lassen. Errät er die Antwort, so darf er gleich zwei Felder vorrücken, scheitert er, geht es allerdings zwei Schritte zurück.

Challenges werden auf der Stelle ausgetragen, sobald eine oder mehrere Figuren beim Weiterziehen auf ein kleines oder großes Challengefeld gelangen. Bei den kleinen kann sich der betroffene Spieler einen Gegner aussuchen, außer es ist ein weiterer Spieler auf einem solchen Feld gelandet; dann tragen die beide die Challenge untereinander aus. Beim großen Challenge-Feld werden alle Spieler miteinbezogen.

Bei letzterem wird die Bluff-Challenge gespielt. Hier legt jeder Spieler seine drei Würfel verdeckt vor sich ab. Reihum schätzt nun jeder, wie viele „Likes“ insgesamt auf allen Würfeln zu sehen sind. Jeder Tipp darf nur einmal vorkommen, wer am nächsten ist gewinnt.
Kleine Challenges geben die Möglichkeit zur Glücks-Challenge. Hier wird gegeneinander gewürfelt, wer mehr „Likes“ hat, gewinnt.
Der Gewinner einer Challenge darf auf das nächste Challenge-Feld vorrücken und liest die nächste Behauptung vor.

Zu guter Letzt sind da noch die Smiley-Symbole. Auf diesen Feldern kann man sich dazu entschließen, eine persönliche Behauptung aufzustellen. Dass man den Wahrheitsgehalt dieser nicht wirklich überprüfen kann, ist dabei völlig nebensächlich, denn…

Fragwürdige Fragen
Im Dritten Reich versuchte man, Hunden das Sprechen beizubringen.

…das ist bei den Behauptungen des Spiels nicht anders. Die kranken nämlich teilweise an unzureichender Definition oder sind überhaupt falsch.

Beispiel 1:
Behauptung: Die Google-Earth-Karte würde, ausgedruckt und aneinander gelegt, etwa eine Länge von 200 Kilometern und eine Breite von 100 Kilometern haben.
Diese Behauptung ist als falsch angegeben, laut Lösungsbuch wären es eigentlich 400 Kilometer Länge und 200 Kilometer Breite.
Nur: Ohne Angabe eines Maßstabs ist diese Behauptung vollkommen sinnlos und nicht nachvollziehbar. Wenn ich will, kann ich die Google-Earth-Karte nämlich auch auf einem A4-Papier ausdrucken.

Beispiel 2:
27% der Facebook-Serverkapazität wird allein für das Kürzel LOL beansprucht.
Steht zumindest so im Lösungsbuch. Da keine Quellenangaben vorhanden sind machte ich mich selbst an die Recherche und stieß nach kurzer Nachforschung auf die Quelle dieser Behauptung: ein Satire-Video auf YouTube. Ups!

Dass die Flughöhe eines Flugzeuges für die Größe des geworfenen Schattens unerheblich ist, ist ebenfalls falsch. Zwar sind die Unterschiede aufgrund der Entfernung zur Sonne nur marginal, aber definitiv vorhanden, wie sich jeder mit ein bisschen Verständnis für Physik denken kann. Wer jetzt meint, dass dieser Unterschied von lediglich 0.000015% vernachlässigbar scheint, dem sei die (laut Spiel wahre) Behauptung, dass sich die Erde im Herbst schneller dreht, wenn das Laub von den Bäumen fällt, ans Herz gelegt. Abgesehen davon, dass das auch falsch ist, da der Effekt von anderen Faktoren mehr als nur aufgehoben wird und sie sich im Gegenzug sogar langsamer dreht, hätte das fallende Laub einen Einfluss von etwa 10 Nanosekunden, was so winzig ist, dass es nicht einmal mehr messbar ist.

Dass die Isolierung des Tanks des BMW Hydrogen 7 so gut ist, dass in ihm heißer Kaffee über drei Monate lang heiß bleiben würde, macht meines Erachtens die ursprüngliche Behauptung, er würde darin einen Monat heiß bleiben, nicht falsch. Ist aber so angegeben, gibt also keine Punkte.

Ist nach einigen Fragen dieser Art einmal das Vertrauen in die Richtigkeit oder Fairness der Behauptungen erschüttert, hat man an den anderen Fragen auch nicht mehr wirklich Spaß, da man hinter vielen eine schlecht oder gar nicht recherchierte Urban Legend vermutet.

Ein weiterer Dämpfer ist die penible Genauigkeit. So sind die falschen Behauptungen nicht komplett erfunden, sondern eine oft nur minimale Abwandlung von wahren Behauptungen. Und gerade wenn Zahlen darin vorkommen, ist die Abschweifung manchmal nur so minimal, dass man sich bei der Auflösung umso mehr ärgert, weil der Fakt dadurch in keinster Weise „unglaublicher“ wird. So wird Johnny Depp als Cousin 17ten statt 20ten Grades der Queen angegeben. Dieses Verwandtschaftsverhältnis ist dann vielleicht doch ein wenig vage, um es so genau zu schätzen und einen gravierenden Unterschied festzustellen.

Fade Zwischenspiele
Wombatkot ist würfelförmig.

Da simples „Richtig/Falsch“-Raten auf Dauer wohl zu langweilig wäre, haben sich die Autoren den besonderen Kniff mit den Würfel-Challenges ausgedacht, bei denen man raten muss, wie viele „Like“-Symbole oben liegen. Abgesehen davon, dass das mit dem übrigen Spielprinzip absolut gar nichts zu tun hat, ist es auch nur mäßig spannend.
Hinzu kommt, dass die Spezialfelder und die Challenges in der Anleitung sehr konfus erklärt sind. Welche Challenge bei welchem Feld ausgelöst wird, wer das bestimmt und wie sie funktionieren ist erst nach mehrmaligem Lesen halbwegs ersichtlich. Wer die Art der kleinen Challenge bestimmt, wenn mehrere Spieler gleichzeitig auf das Feld kommen, bleibt ein Rätsel.
Auch ist das Vorrücken auf das nächste Challenge-Feld – das können im Idealfall bis zu sechs Felder sein – eine viel zu große Belohnung für zufälliges Würfelraten oder Würfelglück, wenn man bedenkt, dass einen das richtige Beantworten der Fragen (eigentlich die Hauptaufgabe des Spiels) nur einen Schritt weiter bringt.

Spieletester

16.06.2014

Fazit

Eine der Nebenwirkungen von Nytol, einem Schlafmittel, ist Schläfrigkeit.

Selten hat ein Spiel, das eigentlich ganz lustig klingt, so enttäuscht. Die gestellten Behauptungen genießen einen niedrigeren Vertrauenswert als Wikipedia und stellen sich in (zu) vielen Fällen schon bei kurzer Nachforschung als falsch heraus. Und damit ist das ganze Spielprinzip bereits ad absurdum geführt.
Zusätzliches ist eben selbiges auch nicht wirklich nervenaufreibend. Schlichtes „Ja/Nein“-Antworten ist halt auf Dauer nicht spannend. Das haben wohl auch die Autoren bemerkt und die nicht minder faden Würfel-Challenges eingeführt, die wie ein Fremdkörper lieblos an das Spiel geklatscht wurden und sich einfach nicht homogen in den Ablauf einfügen wollen. Nicht einmal in die konfuse Anleitung.

So musste ich das Spiel tatsächlich in drei verschiedenen Spielgruppen testen, um es endlich einmal fertig spielen zu können, da wir es die ersten beiden Male nie über das sechste Feld (von 32) hinaus geschafft haben, bevor wir entnervt die Spielkegel geworfen haben.
Meine Empfehlung: Das Geld am besten in einen Internetanschluss investieren und damit die Seite unnuetzes.com besuchen. Hier finden sich nicht nur die Fakten wieder, sie werden auch näher erläutert und besitzen eine Quellenangabe. Was zu dem durchaus witzigen Resultat führt, dass dort viele Behauptungen, die im Spiel enthalten sind, gar nicht mehr aufscheinen.
Das einzige, was man dem Spiel zugute halten kann: Es motiviert zur Recherche, bei der man mehr Wissenswertes in sich aufsaugt als beim Spielen selbst.

Also: Das Spiel bietet kein unnützes Wissen, sondern gefährliches Internet-Halbwissen (das einem auf „friss oder stirb“ unkommentiert hingeworfen wird), eine fade Spielmechanik und hinterlässt den Eindruck einer lieblosen, schlecht recherchierten Lizenzgurke.


Disclaimer: Die Fakten unter den Überschriften stammen nicht aus dem Spiel und wurden von mir mit mindestens zwei Quellen abgeglichen. Haftung für deren Richtigkeit übernehme ich freilich trotzdem nicht ;)
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 18
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 40 Minuten
Preis: 30,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2013
Verlag: Ilsespiel
Grafiker: Angela Greger
Genre: Wissen
Zubehör:

1 Spielplan 6x33 Karten 18 "Like"-Würfel 6 Spielfiguren 1 Lösungsheft 1 Spielanleitung

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