Shadowrun - Grundregelwerk 5. Edition

Es gibt in den deutschsprachigen Ländern wenige so etablierte Systeme wie Shadowrun und kein weiteres dieser Größenordnung im Sci-Fi-Setting. Alleine schon die Tatsache, dass es dieses Spiel bis zur 5. Edition geschafft hat, spricht Bände (wortwörtlich). Aber was bringt sie mit sich? Nur ein paar korrigierte Rechtschreibfehler werden es nicht sein, das hat Pegasus Spiele hinlänglich im Vorhinein angekündigt – und dafür sprechen auch die 100 zusätzlichen Seiten. Hmm... naja, wir sind gespannt, was in den Schatten auf uns wartet! Mr. Johnson, you have my ear!

Die Schatten werden... weniger tief?

Es ist wohl nicht nötig, hier einen Grundriss zum System darzulegen – das generelle Spiel hat sich nämlich nicht geändert, wir spielen immer noch in einem W6-System und würfeln immer noch Proben gegen Mindestwerte, meistens mit einem Würfelpool zusammengesetzt aus einem Attribut und einer Fähigkeit, wobei Fünfer und Sechser als Erfolge gezählt werden. Wir haben eine andere Rezension, die sich ausführlicher mit den Regeln auseinandersetzt, hier: Shadowrun - Grundregelwerk 4. Edition.
Was uns wirklich interessiert, sind die Änderungen zur vorigen Edition.

Gleich beim Blick in das Inhaltsverzeichnis fällt auf, dass auf einen Sektor ganz eindeutig weniger eingegangen wird als zuvor: die Welt. Während wir bisher mit ausführlichen und detailreichen Beschreibungen einiger wichtiger Sprawls, dem Leben in den Schatten, Freizeitangeboten und generellen Gebräuchen der sechsten Welt versorgt worden sind, bleibt viel davon jetzt auf der Strecke, und das trotz des größeren Umfangs des Vorgängers. Ist das neue Shadowrun also flacher, weniger atmosphärisch?

Naja. Klarerweise entsteht eine dichte Atmosphäre eh erst in der Gruppe und viel liegt dabei am Spielleiter, aber ja, man hat es hier schwerer, sich sein Fantasiereich zu basteln. Insgesamt erhalten wir auf knappen 30 Seiten (und einigen zwischendurch fallengelassenen Bemerkungen) einige grobe Informationen unserer Welt im Jahre 2075. Die Abschnitte, die sich damit befassen, sind aber gewohnt packend und passend geschrieben. Trotzdem, was versteckt sich denn dann auf den vielen neuen Seiten?

Das kannst du nicht, Chummer!

Die wohl frappierendste aller Neuheiten sind die Limits. Jene machen genau das, was man erwarten würden: sie limitieren. Ganz konkret nämlich die Anzahl der Erfolge, die man bei einer Probe zählen darf. Es gibt Limits für alles und jeden. Eine Waffe zum Beispiel hat jetzt ein Limit. Das ist durchaus realitätsnäher als vorher, eine leichte Pistole wird nicht mehr ein riesiges Loch in die Wand sprengen, nur weil der Schütze besonders gut damit umgehen kann. Deswegen hat eine leichte Pistole etwa ein Limit von 6, da helfen die 20W6 dann auch nicht weiter.
Jeder Charakter hat außerdem ein körperliches, ein geistiges und ein soziales Limit. Diese lassen sich aus den Attributen errechnen. Dafür ist ein Attribut der Hauptfaktor, aber auch die anderen spielen eine Rolle. Eine recht gute Idee, um das Erstellen von Fachidioten zu vermeiden. Trolle mit unendlich Stärke, aber keiner Kondition sind in der 5. Edition jedenfalls eine schlechte Idee!

Aber nicht nur die Limits machen den Spielern das Leben etwas schwerer. Auch die Charaktererstellung ist komplett verändert! Statt der freien Punkteverteilung haben wir es jetzt mit einem Prioritäten-System zu tun. Wenn wir unseren Helden erfinden, müssen wir mehreren Kategorien verschiedene Prioritäten zuordnen, wobei klarerweise jede Priorität nur einmal genommen werden darf. Du willst einen Straßensamurai mit mördermäßigem Equipment? Kein Problem, wenn du den Finanzen eine hohe Priorität zuweist – dann bleiben halt Attribute, Fähigkeiten und so weiter etwas auf der Strecke. Einen Elf, der vor Charisma und Charm nur so übersprüht und das auch einzusetzen weiß? Gut, dann bist du halt ein armer Hund. Ihr seht: Man muss Opfer bringen. Die eierlegende Wollmilchsau schafft man hier nicht mehr so leicht!

Außerdem ist das Zaubern und Hacken beschleunigt worden. Die Matrix ist schneller und freakiger als je zu vor, aber auch brutaler. Ein Decker, der sich kopfüber in die Virtuelle Realität wirft, ist entweder gut bewacht oder tot. Generell kann man aber von beiden Bereichen sagen, dass sie gestrafft worden sind, oder, wie man im Englischen so schön sagt, „streamlined".

Schlachten in den Schatten

Auch das Kampfsystem hat ein paar Änderungen erfahren. Allen voran und am schwerwiegendsten ist sicher das neue Initiativesystem zu nennen. Man kann sich nicht mehr per se mehrere Initiativdurchgänge aneignen, sondern hat jetzt einen Grundwert (soweit bekannt), den man zusätzlich mit Würfeln erhöhen kann. Ob ein Charakter während einer Runde öfter drankommt, hängt von diesem Wert ab. Jede Aktion kostet jetzt Initiativpunkte. Eine Aktionsphase, in der man klassischerweise immer noch zwei einfache oder eine komplexe Handlung durchführen kann, kostet bzw. dauert zehn Initiativpunkte – wer danach nicht auf oder unter Null sinkt, darf nochmal! Außerdem gibt es jetzt Unterbrechungsaktionen, die außerhalb der eigenen Phase eingesetzt werden dürfen. Sie dienen meistens einem defensiven Zweck, schlagen bei den Initiativpunkten aber zusätzlich negativ zu Buche.

Ansonsten ist das Kämpfen vor allem eins: irre umfangreich. Es gibt dermaßen viele Tabellen, Ausnahmen, Sonderfälle usw., dass einem nach der Regelpassage ganz schön der Kopf brummt! Dabei sind zwar wirklich viele gute Gedanken gehalten, dafür braucht man jetzt einen Buchhalter, um während eines Kampfes nicht durcheinander zu kommen – und viel Zeit. Hier rate ich dazu, sich einige Regeln rauszupicken, die für die Spielrunde besonders Sinn machen, und den Rest nach und nach einzubauen. Sonst ist das ein ziemlicher Overkill.

Das Buch

Hier gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Als alter und bekennender Fan von Hardcovern habe ich mir auch ein solches zugelegt und die Qualität ist in gewohnter Weise spitze! Vollfarbig, zahlreich bebildert, übersichtlich gestaltet – da gibt's nix zu meckern!

Spieletester

11.04.2014

Fazit

Am Ende jedes erfolgreichen Runs steht die Übergabe – und oft wird erst dann richtig klar, ob Mr. Johnson eine ehrliche Haut ist oder nur ein Schattenspiel mit uns getrieben hat. Spannung bis zuletzt. So ging's mir beim Testen auch! Am Anfang war ich ziemlich skeptisch gegenüber den Limits und vor allem der neuen Charaktererschaffung. Dann habe ich weitergelesen, mir viele Gedanken gemacht und verschiedene Szenarien durchgestellt und -gespielt, und mittlerweile sehe ich doch auch einige Vorzüge! Auf jeden Fall ist man den Rufen aus der Community nachgekommen, die Würfelpools etwas einzudämmen, und zusätzlich sind die Limits für den Spielleiter ein sehr wirksames Mittel, um Situationen gut auf die Gruppe abzustimmen. Auf der anderen Seite steht eine Regelfülle, besonders im Kampf, die ich so noch nicht erlebt habe. Wenn man das alles verwenden will, braucht's gehörig Zeit, bis es flüssig läuft! Dass die Weltbeschreibung hier soviel knapper ausfällt (auch wegen der vielen neuen Regeln), ist für mich allerdings ein großes Minus. Als Neueinsteiger in Rollenspiele generell hätte ich meine Schwierigkeiten mit dem Buch. Zu viel System, zu wenig Welt. Wer schon ein wenig Erfahrung mit anderen Spielen, aber noch nicht mit Shadowrun gesammelt hat, kann sich zwar schon hieran trauen, ein Quellenbuch zu einem Sprawl, ein Kampagnenband oder ein zusätzliches älteres Regelbuch halte ich aber trotzdem für sinnvoll. Festzuhalten ist: Da hat man schon einen ganz schönen Satz gemacht! Regeltechnisch ist Shadowrun an einigen Punkten kaum wiederzuerkennen! Für mich persönlich sind das in den meisten Bereichen klare Verbesserungen, nur das Kampfsystem sehe ich eher als gleichwertige Änderung und die wenigen Infos als eindeutige Verschlechterung. Alles in allem ist das Spiel straffer, härter und schneller und außerdem man hat hier Mut zur Veränderung und ein Ohr für die Community bewiesen – das ist ja auch nicht selbstverständlich! Runner: Tiefer in die Schatten, härter gegen Megakons, schneller durch die Matrix – I'm still in!
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 6
Preis: 20,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2013
Verlag: Pegasus Spiele
Grafiker: Brent Evans
Genre: Rollenspiel
Zubehör:

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