Legacy: The Testament of Duke de Crecy

Dieses Spiel ist derzeit nur auf Englisch erhältlich, im Juni 2014 soll aber eine deutsche Ausgabe bei Pegasus Spiele erscheinen.

Künstler streben in der Regel danach, dem Rezipienten etwas Neues zu bieten. Etwas, das nicht den Eindruck des schon-wieder-das... vermittelt. Klar, schließlich will man die Menschen begeistern, zum Denken anregen, verwundern, schockieren, was auch immer, aber ganz sicher nicht langweilen. Auch (oder gerade) Spieleautoren sind da keine Ausnahme, und so kommen wir Spieler immer wieder in den Genuss, etwas vor uns zu haben, das ein Entdecker-Feeling in uns aufkommen lässt. Das kann durch noch nie dagewesene Gadgets passieren, durch eine Mechanik, die ihresgleichen sucht, oder auch durch ein gänzlich neues Thema.
Legacy ist ein Beispiel par excellence für letzteres. Warum? Lest selbst.

Das Testament

The Testament of Duke de Crecy lautet der Untertitel des Spiels, und genau dieses Schriftstück ist das Erste, was wir erblicken, wenn wir die Schachtel öffnen. Andächtig lesen wir die kunstvoll geschwungenen Lettern, die letzten Worte des Herzogs, der, obgleich eh schon hochwohlgeboren, auf seinem Totenbett vor allem eines bereute: keine Spur hinterlassen zu haben. Als unbedeutender Kleinadeliger von der Welt geschieden, nicht in die Annalen der Geschichte eingegangen zu sein und nicht die großen Räder der Welt angetrieben zu haben.
Mit verschwörerischem Ton plaudert er aus dem halb-hoheitlichen Nähkästchen, verrät uns, was er falsch gemacht, warum er das zu spät bemerkt hat und jetzt erst sehen kann. Und er legt uns eines sehr eindringlich ans Herz: „I warn you, my Lord, do not walk down that road!"

Noblesse oblige – Adel verpflichtet

Wir als ebenfalls Adelige nehmen uns das natürlich zu Herzen, schon von Standes wegen – ab sofort heißt es klotzen, nicht kleckern, also dreimal kräftig in die Hände gespuckt und los geht's!
Wir starten mit einem einzigen Familienmitglied, dem zukünftigen Kopf unserer Dynastie. Außerdem haben wir schon zu Beginn ein paar Freunde in Form von Karten, ein kleines Startkapital, etwas Einkommen und ein wenig Prestige. Für die Endabrechnung haben wir auch schon einen Patron, der uns mit Ruhm, also Siegpunkten, überhäuft, wenn wir seine Anforderungen bis zum Ende des Spiels erfüllen.

Im Laufe einer Runde legen die Spieler Aktionsmarker auf zwei verschiedene Tafeln. Zum einen ist da die allgemeine Aktionstafel. Wenn dort ein Feld bereits besetzt wurde, ist es halt für diese Runde weg. Dann gibt es da aber noch die eigene Aktionstafel, auf der zum einen kein anderer Spieler Aktionen ausführen kann (warum auch, die hat ja jeder für sich) und zum anderen jede Aktion mehr als einmal benutzt werden darf.

Auf der allgemeinen Aktionstafel kann man folgende Aktionen auswählen: einen Titel erwerben, ein Unternehmen gründen, eine Villa bauen, eine Mission annehmen, etwas zur Gesellschaft beitragen und eine Art Hebamme anheuern, die dafür sorgt, dass eines unserer Ehepaare, das den Wunsch nach mehr als nur einem Kind hegt, auch schnell bekommt, was es möchte.
Diese Aktionen sind eher Spezialfälle oder Tüpfelchen auf dem i, die wir ausführen, wenn der Laden sonst schon ganz gut läuft.

Wesentlich wichtiger sind die Aktionen auf unserer eigenen Aktionstafel. Dort kann man sich nicht nur sozialisieren, um neue Freunde zu gewinnen, und schon bestehende Bekannte um Geld anschnorren, sondern auch die grundlegensten Funktionen ausführen, die es braucht, um eine mächtige Adelslinie zu gründen: heiraten bzw. eine Heirat arrangieren und Kinder kriegen.

Der lange Weg zum Ruhm

Wie schon oben erwähnt starten wir mit nur einem Familienmitglied. Einer der allersten Schritte in jeder Partie Legacy wird es sein, dieses zu vermählen. Dafür haben wir unsere Freunde. Jede Freundeskarte ist in viele Kategorien aufgeteilt, die wesentlichste davon ist das Geschlecht: Wollen wir eine Frau verheiraten, brauchen wir dazu einen männlichen Freund. Einige Gatten und Gattinnen muss man erstmal mit Geld davon überzeugen, in die Familie einzuheiraten, andere bringen eine Mitgift mit sich, aber eines machen alle gleichermaßen: Liebe. Und weil's mit der Verhütung dazumal noch nicht so weit her war, kriegt jedes frische Ehepaar sofort ein Kind. Maximal kann jedes Paar drei Kinder haben.

Kinderkarten haben zwei Seiten. Oben sieht man ein mehr oder weniger süßes Kleinkind, um 180 Grad gedreht blickt uns ein herangewachsener, junger Adeliger entgegen. Legacy wird über drei Generationen gespielt, wobei jede Generation in mehrere Runden eingeteilt ist. Endet eine Generation, werden alle unsere Kinder erwachsen und können fortan selbst wieder Sprösslinge zeugen. Hat man schon in der vorherigen Generation eine Ehe arrangiert, machen sie das auch mit sofortiger Wirkung. Wie gesagt, die Verhütung damals...

Diese grundsätzlichen Mechanismen sind schnell verstanden, aber obwohl heiraten und Kinder kriegen die Grundsteine für den Sieg sind, gibt es ja noch etliche Möglichkeiten mehr. Ein Unternehmen bringt uns mehr Einkommen, das wir am Anfang jeder Runde erhalten, während uns eine Villa die neidischen Blicke der anderen garantiert und unseren Ruhm ansteigen lässt. Titel im Sack zu haben ist sowieso nie schlecht, und eine von uns inszenierte rauschende Ballnacht ist ihr Gold auch durchaus wert. Die Missionen sind ein wenig wie Überraschungseier, sie können sehr viel Prestige bringen, das am Ende einer Generation direkt in Ruhm ungewandelt wird, sind aber oft nicht leicht zu erfüllen. Ihr erinnert euch daran, dass ich weiter oben gemeint habe, Freundeskarten sind in viele Kategorien unterteilt? Eine Mission könnte zum Beispiel verlangen, dass wir fünf Polen in unsere Familie eingeheiratet haben.

Ähnliche Sonderfunktionen haben auch die Freundeskarten selbst. Ein junger Wissenschaftler könnte etwa mehr Einkommen einbringen, wenn schon andere Leute der selben Profession ihr Unwesen bei uns treiben.

Auf diese Art und Weise haben wir stets die Qual der Wahl. Welche Aktion, welcher Ehepartner, wieviele Kinder... Ein klassisches action placement-Spiel eben. Aber ein knackiges, weil wir pro Runde ertstmal nur zwei Aktionsmarker haben – und das Spiel insgesamt nur über neun Runden läuft! Es gibt zwar auch zusätzliche Aktionsmarker, die jeweils einmalig und nur für eine bestimmte Aktion auf der allgemeinen Aktionstafel verwendbar sind, aber an die muss man eben auch erstmal kommen.

Nach jeder der drei Generationen gibt es eine kleine Abrechnung. Dann heimsen wir nicht nur für unser Prestige, sondern auch für die Anzahl der in dieser Generation geborenen Kinder Ruhm ein. Am Ende der dritten Generation wird außerdem noch überprüft, wer die Anforderungen seines Patrons gut umgesetzt hat, was nochmal einen deftigen Bonus bringen kann.
Wer dann das höchste Ansehen genießt, wird zum Sieger gekürt. Lang lebe die Familie und der vor mittlerweile langer Zeit verstorbene Duke de Crecy, der uns einstens auf den ruhmreichen Pfad des Hochadels geführt hat!

Blut ist dicker als Wasser

Bevor es ans Fazit geht, muss hier noch was erwähnt werden: Legacy kann man auch solo spielen. Aber nicht wie einen billigen Abklatsch vom Multiplayer, sondern mit einer ganz eigenen Spielidee:

Irgendwo ist ein alter, reicher Sack krepiert und hat scheinbar keine Kinder zurückgelassen. Aber Gerüchten zufolge gibt's eben doch welche. Vielleicht gehören wir ja sogar dazu? Doof nur, dass deine Großeltern gestorben sind, bevor du sie kennengelernt hast – und deine Eltern können dir leider auch nicht mehr weiterhelfen. Also: Selbst ist der Mann oder die Frau! Genug vom Stalljungen- oder Piratenbraut-Dasein! Eine fette Erbschaft wartet!

Wir zäumen also das Pferd von hinten auf. Bekannt sind nur unsere eigene Identität und die unserer Eltern – und dahinter erstreckt sich ein wer weiß wie großer Stammbaum! Gottseidank gibt es ein paar Hinweise, pro Generation nämlich drei. Das Ziel ist es, diese Hinweise zu erfüllen.

Dafür bleiben fast alle Aktionen gleich oder sehr ähnlich wie die im normalen Spiel, werden aber eben verkehrt herum eingesetzt. Stellen wir fest, wer unser Großvater war, legen wir Kinderkarten ÜBER ihn – seine Eltern, unsere Urgroßeltern. Kinderkarten generell repräsentieren im Solomodus keine Kinder, sondern noch unbekannte Familienmitglieder.

Um einen Hinweis zu erfüllen, müssen wir unseren Stammbaum richtig gestalten. Erzählt uns der Hinweis zum Beispiel, dass unser polnischer Urgroßvater ein Unternehmen gegründet hatte, naja, dann sollten wir schleunigst schauen, dass wir einen polnischen Urgroßvater finden und die Aktion Ein Unternehmen gründen durchführen! Um alles nochmal abzurunden, gibt es für diesen Modus auch eine andere Spieleraktionstafel auf der Rückseite der normalen. Wie cool ist die Idee eigentlich?

Spieletester

06.04.2014

Fazit

Fazit

Ich bin mir nicht sicher, ob „Legacy muss man gespielt haben!" eine korrekte Aussage ist. Aber ich bin mir ganz sicher, dass ich persönlich hellauf begeistert bin von diesem Spiel! Es trifft einfach so unglaublich zielsicher den Nerv, der einem Spiel genau die richtige Länge für genau die richtige Komplexität bei genau der richtigen Optionsfülle gibt! Dazu noch historisch fundiert (tatsächlich stehen in den Regeln immer wieder Verweise, die erklären, warum eine Regel so ist, wie sie eben ist) und toll designed und ausgestattet – also echt, was will man mehr?

Hmm, wenn ich das nochmal so überdenke, eigentlich bin ich mir doch sicher: Legacy muss man gespielt haben! Don't miss it!


Update November 2014:
Mittlerweile existiert von diesem Spiel auch eine deutsche Version die beim Pegasus Spiele Verlag erschienen ist. Hierbei wurde nicht nur die Anleitung eingedeutscht sondern auch das gesamte Spielmaterial inklusive der Spielkarten etc. für den deutschsprachigen Raum aufbereitet. Zudem wurden dankenswerter Weise vom Pegasus Spiele Verlag auch kleinere Fehler oder fehlerhafte Texte in Anleitung oder Spielmaterial, die bis zu diesem Zeitpunkt bekannt waren, behoben. Ansonsten sind das Spielmaterial, die Inhalte, die Mechaniken und auch das Spielgefühl gleich geblieben, so dass ein erneuter Test nicht zwingend notwendig wurde und die Einschätzung des Rezensenten analog übernommen werden kann. Das aktuelle Cover seht Ihr in der zugehörigen Bildgalerie.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

Teilen mit facebook twitter

Besucherkommentare

fake cartier tank americaine | 27.01.2016

You’ve made some decent points there. I looked on the web for more info about the issue and found most individuals will go along with your views on this website. <a href="http://www.disappearstime.com/tag/cartier-tank-series-watches" >fake cartier tank americaine</a> [url=http://www.disappearstime.com/tag/cartier-tank-series-watches]fake cartier tank americaine[/url]

Kommentar verfassen

Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: 30,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2013
Verlag: Portal Games
Grafiker: Mateusz Bielski
Genre: Taktik
Zubehör:

1 Regel
1 Testament
1 allgemeine Aktionstafel
4 Spieleraktionstafeln
4 Kopf der Familie-Karten
75 Freundeskarten
88 Kinderkarten
24 Goldkarten
9 Titelkarten
9 Beitragskarten
15 Missionskarten
7 Villakarten
7 Unternehmenkarten
15 Hinweiskarten
6 Patronkarten
1 Rundenmarker
12 Spielermarker
23 Aktionsmarker

Anzeige

Statistik

Derzeit findest Du auf spieletest.at 7191 Gesellschaftsspiele-,
1656 Videospielrezensionen
2306 Berichte.