Gear & Piston

Wir schreiben das Jahr 1888 und die ganze Welt spricht über die Kutsche ohne Pferde. Die Welt spricht aber auch über Jenatzy und Cugnot, Benz und Diesel, Atkinson und Butler, über Vordenker an die man sich heute noch erinnert, über ihre Leidenschaft für die Erschaffung von Neuem, für Fortschritt und für Erfolg. Aber dieses Spiel handelt nicht von diesen Giganten der Ingenieurskunst. Nein, in diesem Spiel sind Sie einer der unbekannten Helden der Geschichte, ein Ingenieur mit geringen Mitteln aber großen Ambitionen, der versucht für wählerische Investoren auf der Suche nach dem Transportmittel der Zukunft einen Prototypen zu bauen. Werden Sie sich als Pionier des Automobils profilieren, die Geschichte des motorisierten Transports verändern und das Rennen um Gear & Piston gewinnen?
Mit viel Können und etwas Glück, vielleicht. Versuchen Sie wenigstens, sich dabei nicht selbst in die Luft zu sprengen.



Spielidee:

Jeder Spieler baut einen Automobilprototypen, indem er Aktionen an unterschiedlichen Orten durchführt. Jedes Fahrzeug benötigt mindestens einen Motor mit passendem Tank, mindestens zwei Achsen und ein Getriebe, beliebige Zusatzteile und eine Lenkung. Man kann brandneue Teile im Patentamt patentieren lassen, nach abgelehnten, instabilen Maschinenteilen auf dem Schrottplatz suchen und im Hinterhof auf nicht ganz legalem Weg versuchen sich Vorteile zu verschaffen. Schlussendlich wird der Prototyp in der Werkstatt gebaut und sollte man einen passenden Teil nicht ergattern können so muss eben ein Teil aus dem Abfall eingebaut werden.


Ausstattung:

Das Styling der Plättchen lässt irgendwie Steampunkfeeling aufkommen, obwohl die Fahrzeuge neben Dampf auch mit Öl oder elektrisch angetrieben werden können. Hat man die Kodierung der Teile verstanden (rot, grün und kupferfarben für die verschiedenen Antriebsarten und geschwungene Holzaufbauten für Oberteile oder schwarze Straße für Unterteile) so kann man sämtliche Spielphasen anhand der Piktogramme auf Spielplan und Plättchen bewältigen. Die Front- und Heckbauteile der Fahrzeuge geben noch zusätzlich die Möglichkeit schnell nachzusehen, sind aber sonst ohne Funktion. Das trifft leider auch für ein Drittel des Spielplanes zu, denn die Siegpunktleiste und Volatilitätsleiste (hier wird die Zuverlässigkeit eines Automobils angezeigt) werden nur zum Spielende benötigt. Hier wäre eine Ablagemöglichkeit für die Schrott- und Neubauplättchen und die Investoren besser am Platz gewesen.

Die Aktionsmarker sind nette, kleine zahnradähnliche Wolken aus Holz in verschiedenen Farben, damit bis zu sechs Spieler ihr Automobil entwickeln können. Leider wurde der in der Kickstarterkampagne erreichte Status mit einem echten Metallzahnrad als Startspielermarker nicht übernommen und so ist die Markierung auch "nur" ein Kartonplättchen.

Die je 42 Neu- und Schrottbauteilplättchen aus robustem Karton tragen ein silberfarbenes Symbol für den Typus des Bauteils: Motor, Treibstofftank, Getriebe, Achse, Lenkung oder Verbesserung. Die Neubauteilplättchen tragen außerdem ein bronzefarbenes Symbol, welches alternativ für Komfort, Kraft oder Reichweite steht und am Ende des Spieles zusätzliche Siegpunkte einbringt. Viele Schrottbauteilplättchen tragen ein dunkles Volatilitätssymbol. Zwei der vierzehn Investorenplättchen werden zu Beginn jedes Spiels zufällig gezogen und wandeln die Siegpunktvergabe für jedes Spiel ein wenig ab. Auf ihnen finden sich die Gesichter der meistzahlenden Kickstartersponsoren.

Die Spielregel ist ebenso wie das Spiel toll illustriert, enthält alle Informationen und sogar Beispiele, aber irgendwie (und ich kann leider wirklich nicht sagen wieso) tut man sich beim Lesen sehr schwer und muss sie mehrfach durcharbeiten um den Spielablauf zu begreifen.


Spielfluss:

Nachdem jeder Spieler eine Farbe gewählt und die passenden Aktionsmarker erhalten hat, die Plättchen entsprechend der Anzahl der Spieler auf dem Spielplan gestapelt wurden, werden noch zwei Investoren gezogen und schon kann die erste Runde begonnen werden. Der Startspieler ist übrigens der Besitzer des ältesten Autos.

In jeder Spielrunde planen die einzelnen Mitspieler zuerst ihre Aktionen: Beginnend mit dem Startspieler nimmt jeder Spieler im Uhrzeigersinn einen Aktionsmarker aus seinem Lager und platziert ihn auf der vordersten freien runden Markierung des gewünschten Aktionsortes. Folgende Regeln des Automobilbaus sind bereits in der Planungsphase zu berücksichtigen, müssen aber erst am Spielende erfüllt sein:
  • Jedes Automobil benötigt:
    • wenigstens einen Motor
    • wenigstens einen Treibstofftank für jeden Motor
    • wenigstens ein Getriebe
    • wenigstens zwei Achsen
    • höchstens eine Lenkung
  • Jedes farbige Bauteil benötigt Motor und Treibstofftanks in der gleichen Farbe, um einsatzfähig zu sein.
  • Jedes Teil in der oberen Baureihe benötigt ein Gegenstück in der unteren Reihe und umgekehrt.
  • Jedes Teil benötigt die Unterstützung durch eine Achse. Jede Achse kann bis zu fünf Teile, die direkt an das Achsenbauteil anstoßen (rechtwinklig oder diagonal), unterstützen.
  • Ein Automobil mit mehr als einer Antriebsform benötigt für jeden der unterschiedlichen Antriebe einen entsprechenden Motor und Zubehörteile, um einsatzfähig zu sein.

Sobald alle Spieler alle ihre verfügbaren Aktionsmarker eingesetzt haben, ist die Planungsphase vorüber und die Aktionen werden nach Reihenfolge des Aktionsortes ausgeführt:

  • Volatilität anpassen und Entwürfe abwerfen

    Jeder Spieler passt seine Volatilität, also die Zuverlässigkeit seines Automobils, entsprechend der Anzahl der Volatilitätssymbole auf den bereits verbauten Teilen an. Danach kann jeder Spieler in Spielerreihenfolge einen Entwurf aus der Hand abwerfen, da nie mehr als fünf Plättchen auf der Hand gehalten werden dürfen.

  • Hinterhof

    Der Hinterhof ist das Feld für die hinterlistigen Aktionen, für die Abfindung zwielichtiger Gestalten und für den Einsatz bestenfalls halblegaler Methoden um sich einen Vorteil zu verschaffen:
    • Spionage: Den Entwurf (also ein Bauplättchen) aus der Hand eines anderen Spielers selbst auf die Hand nehmen.
    • Gewerkschaftseinfluss: Die Position eines beliebigen eigenen Aktionsmarkers auf einem beliebigen Aktionsort kann verändert werden.
    • Schwarzmarkt: Die obersten drei Plättchen des Neubauteilplättchenstapels können eingesehen und eines dieser Plättchen auf die Hand genommen werden.
    Um die Risiken beim Einsatz derartiger Methoden widerzuspiegeln kann ein hier eingesetzter Aktionsmarker erst in der übernächsten Planungsphase wieder verwendet werden.

  • Patentamt

    Wer im Patentamt einen Aktionsmarker eingesetzt hat, muss ein Neubauteilplättchen ziehen. Hierbei kann er wählen, ob er eines der sechs offen ausliegenden Neubauteilplättchen wählt oder ein verdecktes vom Neubauteilplättchenstapel.

  • Schrottplatz

    Wer hier einen Aktionsmarker eingesetzt hat, muss ein oder zwei Schrottbauteilplättchen nehmen. Der Spieler ist dabei frei, ob er eines von den offen ausliegenden Plättchen nimmt oder eines vom verdeckten Stapel. Nimmt er zwei Plättchen, kann er jede Kombination von freien und verdeckten Plättchen wählen. Wird eines der drei offen ausliegenden Plättchen gewählt, wird sofort ein neues Plättchen nachgezogen, so dass auf dem Schrottplatz immer drei Plättchen offen ausliegen.

  • Werkstatt

    Durch einen hier eingesetzten Aktionsmarker kann ein Spieler Teile anbauen, abbauen oder verbessern. Oberhalb der Flächen für die Platzierung der Aktionsmarker auf der Werkstatt sind Zahlen abgedruckt. Diese Zahlen entsprechen der Anzahl von Aktionen, die der Spieler, dem der jeweilige Aktionsmarker gehört, ausführen kann. Die gleiche Aktion kann mehrfach ausgeführt worden.
    Die möglichen Aktionen sind:
    • Bauen: Der Spieler kann einen Entwurf aus der Hand zu seinem Automobil hinzufügen.
    • Abbauen: Der Spieler kann ein Plättchen von seinem Automobil entfernen und entsorgen.
    • Verbessern: Der Spieler kann eine beliebige Anzahl von Plättchen seines Automobils mit Entwürfen aus der Hand ersetzen. Die ersetzten Plättchen müssen von gleicher Art und Farbe sein wie die neu eingesetzten Entwürfe von der Hand. Die ersetzten Plättchen werden in die jeweiligen Ablagestapel ihrer Art (Neubauteilplättchen oder Schrottbauteilplättchen) abgelegt.

  • Patentamt und Schrottplatz auffrischen:

    Nicht gezogene Plättchen aus der Auslage neben Patentamt und Schrottplatz werden auf die jeweiligen Ablagestapel gelegt und durch neu gezogene Plättchen der entsprechenden Sorte (Neubauteile beim Patentamt, Schrottbauteile beim Schrottplatz) ersetzt. Beim Auffüllen der Auslagen werden wieder sechs Neubauteile neben dem Patentamt und drei Schrottbauteile neben dem Schrottplatz ausgelegt. Alle Aktionsmarker werden nach Durchführung der Aktion auf einem Aktionsort auf dem Lager platziert. Die Marker können in der nächsten Planungsphase wieder verwendet werden. Aktionsmarker aus dem Hinterhof verbleiben im temporären Ablagebereich für eine Runde, bevor sie ins Lager verschoben werden. Der Spieler, der als Letzter seinen Aktionsmarker eingesetzt hat, wird der Startspieler der nächsten Runde.

Das Spiel endet sofort, wenn nicht mehr genug Plättchen vorhanden sind, um die offene Auslage des Patentamtes auf sechs oder die offene Auslage des Schrottplatzes auf drei aufzufüllen oder am Ende der Runde, in der einer der Spieler ein vollständiges Automobil mit mindestens zwölf Bauteilen gebaut hat. Die Spieler müssen danach noch, falls nötig, ihr Automobil mit Abfallbauteilplättchen ergänzen und die Siegpunkte werden ermittelt:
  • Siegpunkte entsprechend den Bedingungen der Investoren (zum Beispiel für die bronzefarbenen Symbole Komfort, Kraft oder Reichweite).
  • Ein Siegpunkt für jedes Bauteil im größten, zusammenhängenden Bereich eines Antriebstyps des Automobils. Der Bereich kann aus spezifischen Plättchen eines Typs, die die gleiche Farbe haben (Grün für elektrisch, Rot für Benzin und Kupfer für Dampf) oder für generische Bauteile (graue Farbe) bestehen.
  • Für jeden Punkt auf der Volatilitätsleiste wird ein Siegpunkt abgezogen.
Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat den besten Prototypen gebaut und gewinnt das Spiel.


Spieletester

09.11.2014

Fazit

Gear & Piston ist eigentlich ein nettes Familienspiel nach dem Worker Placement-prinzip. Hat man jemanden, der das Spiel erklärt, ist der Einstieg in zehn Minuten geschafft und mit fünf oder sechs Spielern macht es auch am meisten Spaß. Der Anteil an Taktik ist nicht zu hoch und gut ausgeglichen durch den Glücksanteil des Kartenziehens. Das Styling lässt die Spieler schnell in das Spielthema eintauchen und die Piktogramme auf den Plättchen und am Spielbrett geben alle benötigten Informationen. Durch die alternativen Regeln lässt sich noch einiges anpassen und das Spiel recht gut auf die Geschmäcker der Mitspieler abstimmen. Trotzdem hinterlässt Gear & Piston an manchen Stellen den Eindruck eines noch nicht ganz ausgereiften Spieles: Das Lesen der Spielregeln stellt vor allem für Wenigspieler eine nicht zu unterschätzende Einstiegshürde dar, die Siegpunkt- und die Volatilitätsleiste werden nur am Spielende benötigt, obwohl die Volatilität in jeder Runde ermittelt werden soll und das Aussortieren der Schrott- und Nebauteilplättchen beim Spiel mit weniger als vier Spielern nimmt recht viel Zeit in Anspruch. Das Thema hat viele unserer Tester sehr fasziniert und wenn man Gear & Piston einmal kennt macht es vor allem zu fünft oder sechst viel Spaß. Bis dahin kann es aber sein, dass Wenigspieler an den Regeln verzweifeln und es Vielspielern etwas zu wenig taktischen Tiefgang hat.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 6
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten
Preis: 40,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2013
Verlag: LudiCreations
Grafiker: Mateusz Bielski
Genre: Legen
Zubehör:

1 Spielplan 42 Neubauteilplättchen 42 Schrottbauteilplättchen 20 Abfallbauteilplättchen 12 Übersichtstafeln (6 Front- und 6 Heckbauteilplättchen) 14 Investorenplättchen 1 Startspielerplättchen 36 Aktionsmarker (Holz in 6 Farben) 1 Spielregel (deutsch, englisch, französisch)

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