Ein Buch und ein Spiel zu Jules Vernes In 80 Tagen um die Welt

In 80 Tagen um die Welt. Was damals im Jahre 1872 noch eine ungeheure Herausforderung an die Machbarkeit eines solchen Projektes stellte, scheint heute schon beinahe lachhaft. In der Gegenwart mit seinen Passagierflugzeugen und Überschalljets ist es kaum noch vorstellbar, welche hohen Anforderungen an damalige Reisende gestellt wurden, um von einem Land zum anderen oder von einem Kontinent zum anderen zu kommen. Bevor der Suez-Kanal 1869 eröffnet und die Eisenbahnstrecken vor allem quer durch die USA entsprechend ausgebaut waren, erschien es überhaupt unmöglich, in 80 Tagen um die Welt zu reisen. Auch die Entwicklung von robusten und schnellen Dampfschiffen trug einschlägig zur Erhöhung der Reisegeschwindigkeit und zur damaligen Globalisierung durch das britische Empire bei. Vor allem die Kolonialisierung der Welt durch das britische Empire und dadurch die Vernetzung des Welthandels trieb den Ausbau von Eisenbahnstrecken und von Dampfschifflinien immens voran. Die Kolonialisierung der Briten ist ein weiterer Grund, warum der Engländer Phileas Fogg die Reise wagen kann. Damals konnte man sich als Brite in den britischen Kolonien völlig frei bewegen und auch in Amerika und Japan unbehelligt ein- und ausreisen.

Diese und viele weitere spannende und interessante Hintergrundinformationen und Abhandlungen über Stationen, Akteure, Milieus und Intertexten der Reise sowie historische Zusatzdokumente sind im beiliegenden Buch gesammelt.

Das Buch und das Spiel, also das gesamte Projekt, entwickelten sich aus der Frage nach der spezifischen Bedeutung literarischer Texte für die Globalisierung in der Moderne. Dabei entstand der Wunsch, die darüber geführten Diskussionen zu diesem Kontext in ungewöhnlicher Form zu präsentieren. Und voilà, die vorliegende Mischung aus Buch & Spiel ist dabei herausgekommen.

Nun zum Spiel:

Die Mitspieler verfolgen Phileas Fogg Reise um die Welt. Sie unterstützen verschiedene Personen und wetten auf den Ausgang der Reise. Für folgende Personen bzw. Rollen kann man Partei ergreifen: Phileas Fogg, Passepartout, Detektiv Fix und Jules Verne.
Zu beginn des Spiels zieht jeder Mitspieler verdeckt eine Rolle. Diese ist geheim und darf zu keinem Zeitpunkt verraten werden. Zusätzlich bekommt jeder Spieler vier Reisekarten und 5000 Pfund. Weitere sechs Reisekarten kommen in eine offene Auslage, die jederzeit und jeweils eine um 1000 Pfund mit einer Handkarte getauscht werden können. Die Reisekarten treiben das Spiel voran und bestimmen, wie weit die Reisegruppe zieht bzw. wie weit der Zeitstein vorgerückt wird. Der Zeitstein symbolisiert dabei den Zeitplan. Ist die Reisegruppe vor dem Zeitstein, ist sie schneller unterwegs als geplant, befindet sich die Reisegruppe gleichauf mit dem Zeitstein, ist sie pünktlich und nach Plan unterwegs und ist die Reisegruppe hinter dem Zeitstein, ist sie zu langsam. Je nachdem wie die Reisegruppe im Verhältnis zum Zeitstein steht, ist es für die verschiedenen Rollen ein Vor-/Nachteil. Phileas Fogg ist darauf bedacht, die Reise so pünktlich wie möglich zu absolvieren und bekommt folglich die meisten Punkte, wenn die Reisegruppe und der Zeitstein gleich auf sind. Passepartout will so schnell wie möglich wieder nach Hause und bekommt die meisten Punkte, wenn die Reisegruppe weit vor dem Zeitstein ist. Detektiv Fix bekommt Punkte, wenn die Reisegruppe verspätet ist. Jules Verne steht in diesem Punktewettkampf eine besondere Rolle zu. Er steht auf der Punkteleiste immer beim Zweitplatzierte, hat also immer gleich viele Punkte wie dieser. Das bedeutet, dass Vernes Rolle nur gewinnen kann, wenn er den Zweitplatzierten, wer immer das gerade ist, unterstützt und so knapp wie möglich hinter den Erstplatzierten bringt bzw. es schafft, dass Erst- und Zweitplatzierter gleich viele Punkte haben.
Nun wird Reihum von jedem Mitspieler eine Reisekarte gespielt und danach eine vom Nachziehstapel nachgezogen. Nach jeder Runde wird der momentane Stand ausgewertet und die Spielfiguren werden entsprechend auf der Punkteleiste nachgezogen.

Wenn die Reisegruppe Kalkutta, den 23. Reisetag passiert, kann die eigene Rolle verdeckt mit einer beliebigen Rolle eines Mitspielers getauscht werden. Diese Aktion Kostet 2000 Pfund und ist natürlich nur sinnvoll, wenn die eigene Rolle gegenüber den anderen auf der Punkteleiste sehr weit hinten ist. Die 2000 Pfund bekommt derjenige, der zum Tausch ausgewählt wurde, als Entschädigung. Der Rollentausch ist mehrmals, aber nur bis zum 180. Meridian möglich. Wird dieser passiert, können keine Handkarten mehr nachgezogen werden und das Spiel wird sofort für eine Wette unterbrochen. Gewettet wird geheim auf den Ausgang des Rennens. Entweder erreicht die Reisegruppe London rechtzeitig in 80 Tagen oder nicht. Danach läuft das Spiel bis zum Ende weiter. Jeder deckt seine Rolle auf und kassiert die Punkte, die seine Rolle jeweils auf der Punkteleiste geschafft hat. Danach wird die Wette aufgedeckt und ausgewertet. Der jeweilige Wetteinsatz wird zu den Punkten dazugezählt und das restliche Geld wirft pro 1000 Pfund auch noch mal einen Punkt ab.
Da man ab dem 55. Reisetag keine Handkarte mehr nachzieht, kann es auch passieren, dass einem Mitspieler die Handkarten vor dem Ziel ausgehen. In diesem Fall ist die Reisegruppe gescheitert und das Spiel wird sofort ausgewertet. Die Wette gilt dabei als verloren.

Spieletester

31.10.2013

Fazit

Das Spiel ist durch die sehr gut ausgearbeitete Spielanleitung schnell erlernt, einfach im Ablauf und trotzdem sehr spannend und kurzweilig. Die verschiedenen Phasen wie Rollentausch oder eine Wette abschließen bringen „Würze“ ins Spiel und ermöglichen zusätzliche Einflussnahme auf den Spielablauf bzw. Spielausgang. Spannung wird bis zum Schluss durch die geheime Rollenzuteilung und die geheime Wette erzeugt. Das Spielmaterial und die Ausstattung sind von guter Qualität (Spielfiguren aus Holz). Das gut durchdachte Rollenspiel ist für ein Spielchen zwischendurch, aber auch für mehrere Runden hintereinander geeignet. Geeignet ist das Spiel ab zwei Personen, macht aber zu viert ungleich mehr Spaß, da alle Rollen vergeben sind und daher auch alle Charaktere von einem Mitspieler vorangetrieben werden. Besonders interessant finde ich es das Spiel mit einem Buch zu kombinieren. Obwohl das Buch eher für literarisch Interessierte und Verne-Spezialisierte geeignet ist, da es Hintergrundinformationen und literarische Abhandlungen enthält und nicht den Roman. Auch wenn du nicht in diese Kategorie fällst, lassen sich einige lesenswerte Kapitel in diesem Buch finden. Zumindest regt es zum Schmökern an. Zuerst stand ich dem Spiel kritisch gegenüber, weil ich dachte, der Hauptbeweggrund ist die Vermarktung eines Buches. Nach dem ersten Spiel war ich aber schon positiv überrascht, weil man sofort den Eindruck gewinnt, dass sich auch bei dem Spiel einer Gedanken gemacht hat. Das Projekt vermittelt insgesamt den Eindruck, dass man hier versucht, spielerisch Weltliteratur näherzubringen, was an sich sehr gut gelungen ist. In die Punktevergabe hab` ich persönliche Vorlieben für Verne-Romane einfließen lassen. Also wenn du mit Verne nichts anfangen kannst... sei es dahingestellt.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 Minuten
Preis: 39,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2013
Autor: Steffen Bogen
Zubehör:

1 Spielplan, 56 Reisekarten, 4 Rollenkarten, 1 Spielfigur, 1 Zeitstein, 4 Wertungssteine (rot, gelb, grün, weiß), 20 Banknoten;

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