Florenza

Material ohne Ende, eine sehr schön bebilderte und verständlich geschriebene Spielregel über 24 Seiten und ein Spiel, welches selten unter 2 Stunden Spielzeit auskommt - das ist Florenza, das Erstlingswerk des italienischen Autors Stefano Groppi. Und weil Spiele in allen erdenklichen Städten momentan hipp sind, passt Florenza gut in die Reihe mit Verona, Firenze, London, Bangkok Klongs oder Jerusalem.

Wenn auch die umfangreiche Spielanleitung erst mal abschreckt, gebe ich zu bedenken, dass Florenza mit einem historischen Hintergrund aufwartet, auch wenn der Autor sich in dieser Hinsicht erhebliche Freiheiten genommen hat. Auf den letzten 6 Seiten sind deshalb lediglich "Historische Anmerkungen" zu den Künstlern und Geistlichen vermerkt, die im Spiel vorkommen und teilweise bedeutsame Rollen spielen. Diese Personen waren alle irgendwie mal in Florenz und hatten mehr oder weniger Anteil an der Geschichte der Stadt. Wer Florenza spielen möchte, muss aber neben der üppigen Zeit auch über einen sehr großen Tisch verfügen, denn das qualitativ hochwertige Material benötigt ordentlich viel Platz und Raum.

Die 2 - 5 Spieler stellen die Oberhäupter einflussreicher Familien in Florenz zur Zeit der Renaissance dar. Jeder versucht die besten und berühmtesten Künstler der damaligen Zeit für sich zu gewinnen und als Mäzen ihre Kunstwerke zu finanzieren. Wer am Ende den meisten Ruhm erworben hat, gewinnt das Spiel und wird in den Geschichtsbüchern Einzug halten.

Der Hauptspielplan besteht aus Piazza, Kathedrale und sechs Florentiner Gebäuden, auf denen Materialien in Form von kleinen farbigen Holzwürfeln und Geld gelegt werden. Insgesamt 19 Kunstwerke können die Spieler auf dem Hauptspielplan vollenden, was ihnen Ruhmespunkte und sonstige Vorteile einbringt.

Die Spieler erhalten neben ihrem eigenen Stadtviertel-Spielplan diverse Materialien und Geld, das sie offen vor sich auslegen. Im eigenen Stadtviertel sind bis zu acht Bauplätze für Gebäude vorhanden. Gebäude sind nach ihrer Fertigstellung wichtigste Quelle für die Material- und Geldbeschaffung. Auf der Gebäudeübersichtstafel sind die Kosten für deren Bau und die Vorteile nach Fertigstellung und Aktivierung aufgeführt. Neben dem eigenen Viertel hat jeder Spieler zusätzlich eine Kirche und einen Palazzo, in denen jeweils vier Kunstwerke auf ihre Erschaffung warten.

Sehr innovativ wie ich finde, ist der Verbleib der vielen Künstler und Geistlichen gelöst, die während der Renaissance unterschiedlich lange in Florenz weilten. Die 7 Karten „Leben in Florenz“ werden nach ihren römischen Ziffern sortiert nebeneinander gelegt und stehen als Platzhalter für die Dauer des Verbleibens einer Person in der Stadt dar – zumindest im Spiel (von wegen Freiheiten des Autors und so).
Die Karten II bis V symbolisieren zudem namenlose Künstler und Geistliche, deren Plättchen auf die Karten gelegt werden. Alle restlichen Personenplättchen kommen in den Stoffbeutel, aus dem zu Beginn des Spiels eine bestimmte Anzahl gezogen wird. Zu jedem Plättchen gehört eine Personenkarte, die jetzt aus dem Stapel herausgesucht und entsprechend der aufgedruckten Rundenzahl unter die entsprechende Karte „Leben in Florenz“ einsortiert wird. Am Ende jeder Runde werden die Personenkarten zur nächst niedrigeren Karte geschoben, bis sie ganz aus dem Spiel ausscheiden, weil sie die Stadt verlassen haben. Nur dann werden entsprechend der ausgeschiedenen Personen neue aus dem Beutel gezogen und einsortiert.
Während die Künstler von den Spielern finanziell für ihr Schaffen unterstützt werden und damit einmalig Ruhmespunkte einbringen, stellen die so entstandenen Kunstwerke eine gute Quelle für Dauereinnahmen in Form von Ruhmes- und Bischofspunkten, Geld, aber auch Baumaterialien dar. Ein auf dem Kunstwerk abgelegtes Familienwappen zeigt den entsprechenden Finanzier an. Bei der Auswahl der Künstler ist jedoch darauf zu achten, dass die zu schaffenden Kunstwerke unterschiedliche Begabungen der Künstler voraussetzen. Da gibt es Maler, Bildhauer und Architekten. Supertalente wie Michelangelo sind da auch schon mal für alle drei Bereiche geeignet.
Geistliche dagegen schaffen keine Werke, sondern akquirieren neue Arbeiter für die laufende Runde. Hierzu bedarf es allerdings einer Spende in der Höhe, wie es auf der Karte des Geistlichen angegeben ist.

Auf der Spielanzeige-Tafel werden in der oberen Leiste, der so genannten Anzeige "Hauptmann des Volkes", die Ruhmespunkte der Spieler angezeigt. Wer am Ende einer Runde mit seinem Anzeiger ganz vorne steht, übernimmt die entsprechende Rolle und bekommt sofort seine Ruhmespunkte in Form von Zertifikaten ausbezahlt. Sein Anzeiger wird danach allerdings wieder auf Null gesetzt und ermöglicht so den anderen Spielern, diese Rolle als nächstes zu übernehmen.
Gewonnene Bischofspunkte werden auf der darunter liegenden Bischofsanzeige markiert. Derjenige Spieler, der die meisten derartigen Punkte und dabei mindestens drei davon hat, übernimmt die Rolle des Bischofs. Sein Anzeiger wird danach allerdings nicht zurückgesetzt. Eine Rundenanzeige, eine Anzeige für die Spielerreihenfolge und eine Materialanzeige runden die Spielanzeige-Tafel ab.

Um die verschiedenen Anzeigen und Rollen verstehen zu können, aber auch ein Gefühl für die Komplexität der Planung zu bekommen, möchte ich jetzt näher auf den Ablauf einer Runde eingehen. Diese durchläuft insgesamt neun Phasen, in denen die Spieler sowohl geistige Arbeit als auch handwerkliche Tätigkeiten vollbringen müssen.

Phase 1
Alle Spieler erhalten Material, Geld und Punkte und entscheiden dann, wie viele Arbeiter sie in dieser Runde einsetzen wollen. Neben dem allgemeinen Einkommen erhält jeder Spieler ein Zusatzmaterial, welches durch den Startspieler ausgewürfelt wird. Danach gibt es das persönliche Einkommen durch die gesponserten Kunstwerke in der Kathedrale und Florentiner Gebäuden.

Phase 2
Der Hauptmann des Volkes wendet jetzt seine Fähigkeiten an. Er ist Startspieler und darf zusätzlich einen Arbeiter oder Künstler bewachen. Den Arbeiter nimmt er aus dem persönlichen Bereich einer anderen Familie, sprich, er verringert damit die verfügbaren Möglichkeiten eines Gegenspielers. Möchte er stattdessen einen Künstler bewachen, nimmt er das entsprechende Plättchen von der Künstlerkarte und legt es auf die Karte VI "Leben in Florenz". Der Hauptmann kann im weiteren Verlauf dieser Runde den Künstler einsetzen, um ein Kunstwerk zu schaffen.

Phase 3
Hier wendet der Bischof seine Fähigkeiten an, in dem er entweder einen fremden Arbeiter konvertiert und diesen selber einsetzt oder einen Geistlichen verstößt und diesen für die Runde aus dem Spiel nimmt.

Phase 4
Dies ist die wichtigste Phase des Spiels, aber auch die Phase, in der die meisten Fehler gemacht werden können. In Spielerreihenfolge, beginnend mit dem Hauptmann, werden die Arbeiter eingesetzt, um Gebäude zu aktivieren oder zu planen, Kunstwerke zu schaffen, zum Markt zu gehen oder einem Geistlichen zu spenden. Warum diese Phase am schwierigsten zu meistern ist, kann vielleicht an der Tatsache festgemacht werden, dass ein geplantes und am Ende der 7.Phase unvollendetes Gebäude oder Kunstwerk den betroffenen Spieler Ruhmespunkte kostet. Ein Gebäude wird aktiviert, in dem ein Arbeiter auf das fertig gebaute Gebäude gesetzt wird – dies muss nicht zwingend ein eigenes sein, kostet dann aber 1 Rumespunkt. Zur Planung eines Gebäudes wird selbiges aus dem Vorrat genommen und mit der dunklen Seite samt ausführendem Arbeiter auf das nächste freie Feld des eigenen Viertels gelegt. Wer ein Kunstwerk erschaffen möchte, nimmt sich einen der verfügbaren Künstler und legt ihn auf das Kunstwerkfeld. Im Gegenzug wird ein Arbeiter auf die Künstlerkarte gelegt. Den Marktbesuch kennzeichnen die Spieler ebenfalls mit dem Ablegen eines Arbeiters auf dem Marktfeld des Hauptspielplans. Soll einem Geistlichen gespendet werden, wird dessen Marker auf die Kanzel der Kirche im eigenen Viertel gelegt, ein Arbeiter als Platzhalter auf die Karte des Geistlichen.
Sind alle Arbeiter der Spieler eingesetzt, ist die Planung abgeschlossen. In den weiteren Phasen wird sich dann zeigen, ob die Spieler alles bedacht und ihre verfügbaren Mittel richtig verplant haben.

Phase 5
Die Spieler, die einen Arbeiter im Markt platziert haben, können nun entweder Material kaufen, verkaufen oder tauschen. Jede dieser drei Aktionen dürfen die Spieler ausführen, allerdings nur jeweils einmal.

Phase 6
In Spielerreihenfolge werden jetzt die Aktivitäten im eigenen Viertel bei Feld 1 beginnend abgearbeitet. Ein fertig gestelltes Gebäude mit einem darauf liegenden Arbeiter ist aktiv und wirft die abgebildeten Materialien und/oder Geld ab. Ein Gebäude im Bau muss nun durch die Abgabe der geforderten Mittel vollendet und dann umgedreht werden. Kann ein Spieler dies nicht, da er falsch geplant hat und ihm Ressourcen fehlen, verliert er sofort 1 Ruhmespunkt und muss das Gebäudeplättchen zurück in den Vorrat legen.

Phase 7
Hier werden jetzt die geplanten Kunstwerke vollendet. Dazu bezahlt der Spieler sämtliches auf dem Feld angegebenes Material und Geld sowie das auf der Künstlerkarte ausgewiesene Künstlerhonorar. Sind sämtliche Kosten bezahlt, erhält der Spieler alle Ruhmes- und Bischofspunkte, die unten rechts auf dem Feld abgebildet sind. Er legt sein Familienwappen auf das Feld und würfelt entsprechend der Künstlerkarte seine zusätzlichen Ruhmespunkte aus. Alle Künstler, außen den Namenlosen, können ein einziges Meisterwerk erschaffen, wenn ein Wert erwürfelt wird, der auf der Künstlerkarte golden hinterlegt ist. Die Karte wird dann umgedreht und fortan bringen alle weiteren Kunstwerke dieses Künstlers weniger Ruhmespunkte ein. Sollte ein Spieler die Kosten für ein Kunstwerk nicht aufbringen können, wird dieser Misserfolg durch den Verlust von Ruhmespunkten in Abhängigkeit des Ortes bestraft. Immerhin drei Ruhmespunkte gehen zum Beispiel verloren, wenn die Schaffensphase in der Kathedrale misslingt.

Phase 8
In dieser Phase kommt es zur Ernennung von Hauptmann und Bischof, die die Spielreihenfolge der nächsten Runde beeinflusst. Der Spieler mit den meisten Punkten wird mit Ruhmespunkt-Zertifikaten in Höhe seines aktuellen Punktestands belohnt, erhält die Hauptmannkarte und wird Startspieler. Sein Marker wird auf Null zurück gesetzt.
Wer als einziger auf der Bischofs-Anzeige ganz vorne steht und dabei mindestens drei Punkte hat, wird Bischof und ist damit nach dem Startspieler an der Reihe. Hat der gleiche Spieler bereits aus der laufenden Runde dieses Amt inne, wird er Kardinal und erhält sofort 5 Ruhmespunkte. Das gleiche passiert, wenn der Bischof bereits 10 oder mehr Punkte hat. Für die Ernennung eines Kardinals wird der Marker des betroffenen Spielers wieder auf Null zurückgesetzt.

Phase 9
Das Ende einer Runde wird jetzt abgehandelt. Vom Bischof verbannte oder vom Hauptmann bewachte Personen kehren zurück, die Geistlichen auf den Kanzeln werden wieder auf ihre Karten gelegt und die Personenkarten wandern eine Position nach links und scheiden eventuell ganz aus dem Spiel aus. Für alle ausgeschiedenen Personen werden entsprechend viele Personen aus dem Beutel gezogen und unter die Karten „Leben in Florenz“ einsortiert. Der Rundenanzeiger wandert ein Feld weiter und die nächste Runde beginnt. Lag er bereits auf Feld 8, ist das Spiel zu Ende und es kommt zur Abrechnung.

Die Spieler rechnen nun ihre Ruhmespunkte zusammen, wobei noch Punkte für die Hauptmann- und Bischofs-Anzeige vergeben werden. Für je drei Materialien und Florin gibt es noch einen Ruhmespunkt, Abzüge für jedes unbebaute Feld im eigenen Stadtviertel und sogar jeweils 4 Punkte Abzug, wenn im Palazzo oder der eigenen Stadtviertel-Kirche keines der Kunstwerke vollendet wurde.
Es verwundert nicht, wenn jetzt der Spieler mit den meisten Punkten das Spiel gewinnt. Gleichstände werden durch die Anzahl der noch verbliebenen Materialien und restlichen Florin aufgelöst.

Spieletester

20.04.2011

Fazit

Um es schon mal vorweg zu nehmen: Florenza hat mich in den Bann gezogen und ist für mich eines der aktuell schönsten Spiele. Das opulent ausgestattete Worker-Placement-Spiel begeistert mit reichhaltigem Material von hervorragender Qualität. Die Fülle an Möglichkeiten erschlägt einen quasi und lädt damit natürlich auch zu Fehlern ein. Ein wichtiger Aspekt im Spiel ist die Wahrnehmung der richtigen Reihenfolge bei der Materialgewinnung und Fertigstellung von Gebäuden und Kunstwerken. Da muss schon wirklich genauestens geplant werden, um nicht mit dem Verlust von Ruhmespunkten für Planungsfehler bestraft zu werden. Und wenn einem dann auch noch die Gegenspieler in die Quere kommen, sollte man immer einen Notfallplan parat haben, um flexibel reagieren zu können. Das umfangreiche Material hat aber auch einen Nachteil, denn in der Höchstbesetzung wird schon ein immens großer Spieltisch benötigt. Dadurch leidet natürlich auch die Übersichtlichkeit, da man manchmal nicht erkennen kann, welches der Gebäude, die teilweise nur einmal vorkommen, die anderen Spieler in ihren Vierteln gebaut haben und die man gerne nutzen möchte. Bei den vielen Tafeln hätte eine zusätzliche Übersichtstafel der bereits gebauten Gebäude dem Spiel sicherlich gut getan. Auch ist die Unterscheidung von weißen oder silbernen Materialien nicht deutlich genug, um Baufehler zu vermeiden. Aber trotz der kleinen Beanstandungen, so genanntes "Edelmeckern", geht für mich der Daumen ganz deutlich nach oben - tolles Spiel!!!
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 5
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 150 Minuten
Preis: 50,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2010
Verlag: Placentia Games
Grafiker: Ivan Zoni
Genre: Taktik
Zubehör:

1 Hauptspielplan aus 8 Teilen 1 Spielanzeige-Tafel 5 Gebäude-Übersichtstafeln 45 Stadtviertel-Gebäudeplättchen 48 Personenplättchen 90 Ruhmespunkt-Zertifikate 40 Münzen 34 Künstler-Karten 6 Geistliche-Karten 7 Karten "Leben in Florenz" 2 Übersichtskarten 5 Spielreihenfolgekarten 84 Holzwürfel 1 W6-Würfel 1 Rundenanzeiger 1 Stoffbeutel Je Familie/Spieler: 4 Familienanzeiger 8 Arbeiterchips 15 Familienwappen 1 Stadtviertel-Spielplan

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