The Looney Bin

Kleinverlage haben den großen Vorteil, sich nicht um mainstreamtaugliche Themen kümmern zu müssen. Natürlich hat das Spielmaterial manchmal den Nachteil, etwas improvisiert zu wirken. Bei "The Looney Bin" sind 168 schlecht gestanzte Marker aus zu weichen Stanzbögen auszubrechen. Aber das ist kein wirklicher Grund zum Jammern. Auch die seltsame Art der Verpackung nehme ich gelassen hin und freue mich auf ein skurriles Spiel in der psychatrischen Anstalt, Abteilung schwer erziehbare Rezensenten. Loony ist ein Verrückter, in Amerika schreibt man es Looney, Looney Bin ist die Klapsmühle. Da werde ich mich wohl fühlen....

Vor dem Seelenstriptease, falls nötig, der Schachtelstrip. Überhülle runter und es kommt der nackte weiße Karton mit Seitenbeklebung zum Vorschein. Originell! Das Ausbrechen der 168 Marker gestaltet sich durch das zu dünne Material etwas mühsam, zum Verrücktwerden. Steckt da System dahinter und gehört das schon zum Spiel?
Nicht zuletzt scheint der Behälter für diese Therapiechips auch als Pillenbehälter verwendbar zu sein. Wenigstens die Pillen selbst sind nicht mit dabei....

"The Doctor is in“, ein geklautes Zitat von Lucy van Pelt aus der Welt von Snoopy und Charlie Brown, hat absolute Gültigkeit. Jeder Spieler ist Doc seiner eigenen Station in dieser seltsamen Anstalt und versucht, seine Patienten durch geeignete Behandlungen zu heilen. Geeignete Behandlungen sind Hypnose, Elektroschockbehandlung, Drogen, Zwangsjacke, Gummizelle, Gruppentherapie und eine Lobotomie. Den Docs steht demach ein wahres Arsenal an Waffen zur Verfügung.
„Wo ist der Chef dieser seltsamen Anstalt?“ hätte wohl auch Franz Morak um 1980 gefragt, hätte es das Spiel schon gegeben und hätte gleich auch noch vom „schneeweißen New-Wave-Schizo-Punk“ gesungen.
Zwangsjacke an, Pillen rein und Gummizelle!
Wäre das ein vernünftige Behandlung gewesen?

Fünf Patienten der eigenen Abteilung gilt es zu kurieren oder die Abteilung zu leeren, wie auch immer man das schafft. Dann gewinnt man und wird Oberarzt der Klinik. Jeder Doc bekommt vier Patienten(karten) - sie sind in trostlosem s/w gehalten - auf die Station geliefert und legt sie offen vor sich aus. Die fünf (oder drei in der deutschen Übersetzung, in der französischen sind es auch fünf) Aktionskarten, die jeder erhält, bleiben geheim. Jeder Patient bekommt seine Symptome durch ein verdecktes Symptomplättchen diagnostiziert. Die restlichen Karten und Plättchen bleiben verdeckt in Tischmitte. Die Pillenschachtel mit den Therapiechips liegt ebenso bereit. Startspieler ist der Doc mit dem Patienten mit der höchsten Nummer. Von 37 bis 81 sind sie nummeriert, spieltechnisch völlig IRRelevant, aber thematisch passend auch ein wenig krank…

Ein Spielzug besteht aus dem Spielen von beliebig vielen Aktionskarten (es gibt kein Handkartenlimit) und beliebig vielen erfolgreichen Therapieversuchen. Diese beiden Möglichkeiten können in freier Abfolge genutzt werden. Bei einem Therapieversuch nimmt der aktive Doc einen Therapiechip und wendet diese Therapie auf einen seiner Patienten an. Der nächste Spieler im Uhrzeigersinn kontrolliert, ob die gewählte Therapie auf dem für diesen Patienten definierten Therapieplättchen vorgesehen ist. Wenn ja, bleibt der Chip offen liegen und der Patient ist teilweise therapiert und der Doc bleibt im Dienst. Wenn nein, bleibt der Chip mit der "Therapie nicht wirksam"-Seite bei dem Patienten liegen und der nächste Doc im Uhrzeigersinn tritt seinen Dienst an. Es sei denn, der Doc hat noch spezielle Aktionskarten, die weitere Therapieversuche erlauben. Am Ende eines Zugs zieht man eine neue Aktionskarte.

Die Aktionskarten teilen sich in Karten mit schwarzem Rand, sie dürfen nur im eigenen Spielzug gespielt werden, und solche mit verzierten Rändern, die immer gespielt werden dürfen (play anytime). Diese Randmuster erinnern mich sehr an die Zierleisten, die ich in der Volksschule am Ende jeder Schönschreibseite malen musste. Mit den Aktionskarten kommen neben den therapiebedingten Unwegsamkeiten auch viele ärztliche Einflussmöglichkeiten ins Spiel. Patienten können auf andere Stationen verlegt werden, eine Station kann für eine Runde keine Therapie bekommen oder alle Patienten einer Station bekommen eine Schocktherapie. Nachdem gegen fast jede Krankheit ein Kraut gewachsen ist, gibt es auch für viele Aktionskarten andere, mit denen man das Ansinnen böser Ärzte abwehren kann.
Ist ein Patient schließlich mit drei richtigen Therapien kuriert, wird er als Siegpunkt bei dem erfolgreichen Doc abgelegt. Sein Therapieplättchen bleibt offen in Tischmitte liegen. Da es jede Kombination aus 3 Therapien nur einmal gibt, kann man mit den bereits erfolgreichen Behandlungen Fehlversuche in der eigenen Station vermeiden oder zumindest die Möglichkeiten zur effektiven Behandlung verbessern. Zu einem Spiel mit deduktivem Charakter wird „The looney bin“ damit aber noch lange nicht. Auch wenn es auf der Webseite des Verlags steht.

Das Spiel endet mit dem fünften kurierten Patienten eines Doc oder wenn ein Doc seine Station leeren konnte. Die bei dieser Gelegenheit gespielte Aktionskarte „Clean Sweep“ zwingt das Spiel, ohne Abwehrmöglichkeit des fast siegreichen Arztes, in eine Verlängerung.

Spieletester

19.04.2011

Fazit

Wie so oft kommen die schrägsten Ideen aus dem prüden Amerika, hier konkret aus Los Angeles. Das Spiel ist witzig, die Figuren sind in bestem Underground-Comic-Stil gestaltet, die Kartentexte sind englisch und wohl nicht jeder ist für non-native speaker in jeder hintergründigen Facette verständlich. Das macht aber nichts. In der Klapsmühle muss man nicht alles verstehen, man muss nur darauf achten, nicht selbst verrückt zu werden. Leider ist auch das möglich. Die Karte „instant insanity“ lässt einen ausliegenden Doc zum Patienten werden. Glücklicherweise greift auch Gott hin und wieder ein und heilt einen Patienten. Gott sei Dank!
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 3 bis 7
Alter: ab 9 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: 30,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2009
Verlag: Numbskull Games
Genre: Karten
Zubehör:

Patientenkarten, Aktionskarten, 168 Therapiechips, Behälter für die Therapiechips, Symptomplättchen, Spielanleitung (englisch), Spielanleitungen in anderen Sprachen sind auch auf www.numbskullgames.com verfügbar

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