Mit einer Yak-Karawane von Bergdorf zu Bergdorf durch die unwirtliche Schneelandschaft des Himalya zu ziehen - das ist das Los der Spieler in
Himalaya. Dabei müssen sie „Aufträge“ erfüllen, das bedeutet: Rohstoffe aufladen und zu jenen Dörfern bringen, die im Moment danach verlangen. Als Belohnung dafür dürfen sie ihren religiösen, politischen oder wirtschaftlichen Einfluss erhöhen und so ihre Siegchancen verbessern.
Im Herzen ist
Himalaya ein Lauf- und Sammelspiel mit einem interssanten und spannenden Mechanismus für die „Routenplanung“:
Insgesamt zeigt der Spielplan 20 Dörfer, zwischen denen man sich mit seiner Yak-Karawane während des Spiels fortbewegt. Zu Beginn jeder Runde liegen auf jeweils 5 Dörfern Rohstoffe, auf 5 anderen Aufträge die zeigen, welche Rohstoffe benötigt werden. In jeder der 12 Runden müssen alle Spieler gleichzeitig eine Abfolge von 6 Aktionen im vorhinein Planen, indem sie hinter ihren Sichtschirmen geheim je 6 Aktionsmarker auslegen. Dann werden die Sichtschirme gelüftet und reihum führt jeder seine 1. Aktion aus, danach jeder seine 2. Aktion, usw. (Richtig! Genau wie in
Robo Rally). Das Planen von 6 Aktionen ist einfacher als es zunächst klingen mag, denn bei jeder Aktion muss man nur zwischen Reisen und Handeln entscheiden. Für die Reise muss man einen von bis zu 3 möglichen Wegen zu einem Nachbardorf wählen. Das Handeln ist zum Aufladen der Rohstoffe bzw. zum Erfüllen der Aufträge notwendig.
Knifflig wird es allerdings dadurch, dass man die Überlegungen der Mitspieler in seine Planung miteinbeziehen sollte. Sonst kann es nur allzu schnell passieren, dass einem ein anderer einen Auftrag, und damit wertvolle Punkte für den Sieg, vor der Nase wegschnappt. Außerdem gilt es beim Aufladen der Rohstoffe zu beachten, dass man in der gleichen Runde pro Dorf nur einen einzigen Rohstoff nehmen darf. Damit nicht genug, muss man immer den Rohstoff mit dem geringsten Wert in einem Dorf nehmen. Es gibt nämlich 5 verschiedenfarbige Rohstoffe (dem Wert nach: Salz, Gerste, Tee, Jade und Gold). Das ergibt in Summe ein schönes „Ich glaube, dass du denkst, dass ich weiß, dass du glaubt ...“-Gefühl beim Planen der Aktionen und führt letzten Endes immer wieder zu kleineren und größeren Wettrennen um Rohstoffe und Aufträge.
Klingt interessant und spannend ,ohne übermäßig kompliziert zu sein? Ist es in der Tat auch. Hier liegt auch meiner Meinung nach eine der größten Stärken des Spiels: Der Spielfluss ist angenehm hoch und der Ablauf unkompliziert. In der Planungsphase kann der notorische Langgrübler natürlich etwas länger brauchen als der impulsive Schnellspieler, doch selbst mit mir als Mitspieler (bin nicht gerade für meine schnellen Züge bekannt) gab es eigentlich keine Probleme in dieser Hinsicht.
Aber
Himalaya ist weit mehr als nur ein einfaches Lauf- und Sammelspiel. Denn beim Erfüllen eines Auftrags darf man 2 von 3 möglichen Aktionen durchführen. Jede Aktion kann helfen entweder den
a) religiösen --> Man darf ein seltsames spitzes Bauwerk, genannt Stupa, im Dorfzentrum aufstellen. Die Dörfer haben dabei unterschiedliche Wertigkeiten (1-3).
b) politischen --> Man darf 1-3 glatzköpfige Mönchsfiguren in eines der 8 Gebiete, welche durch die Dörfer und die sie verbindenden Wege begrenzt sind, entsenden.
c) wirtschaftlichen --> Man darf den erfüllten Auftrag mit einem Wet von 2-9 behalten.
Einfluss zu vergrößern.
Weiters positiv überraschen kann der Mechanismus bei der Endabrechnung, zumindest bei 4 Spielern. Nach K.O. System fliegt zuerst der Spieler mit den wenigsten Stupa-Punkten raus, egal wie groß sein politischer und wirtschaftlicher Einfluss sind. Als nächstes verabschiedet sich der Spieler mit den wenigsten politischen Punkten. Nun sind nur noch 2 Spieler übrig und es gewinnt derjenige mit den meisten wirtschaftlichen Punkten. Bei 3 Spielern gewinnt hingegen derjenige, der in 2 der 3 Bereiche die meisten Punkte hat.
Hier wird also der Taktiker in uns gefordert. Stets muss man den Überblick behalten, welche Punkte wohl wo am sinnvollsten bzw. billigsten zu holen sind. So darf beispielsweise in jedem Dorf nur ein einziger Spieler eine Stupa aufstellen (die Stupa-Punkte sind aber das erste K.O.-Kriterium bei der Endwertung). Da werden gegen Ende hin die freien Bauplätze mitunter frustrierend knapp. Außerdem kann man seine Mönchsfiguren nur in jene Gebiete entsenden, die an das Dorf angrenzen, in dem man sich gerade befindet. Es ist also auch entscheidend, auf welchem Dorf die Aufträge liegen, um über dessen persönlichen Nutzen zu entscheiden.
An dieser Stelle eine kleine Warnung für Vollblut-Strategen sowie Spieler mit besonders niedriger Frust-Resistenz: Obwohl das Spiel einiges an taktischen Möglichkeit bietet, ist der Glücksfaktor doch relativ hoch. Denn wo neue Rohstoffe und Aufträge auftauchen und um welche es sich dabei handelt, entscheidet allein der Zufall. Da kann es schon mal vorkommen (ist es bei unseren Testspielen auch), dass einem Mitspieler mehrmals die besten Rohstoffe bzw. Aufträge direkt vor der Nase auftauchen, während man selbst recht hilflos über das ganze Spielbrett irrt, nur um erst mal überhaupt an Rohstoffe zu kommen, vom Aufträge erfüllen derweil nur träumend. Verstärkt wird das dadurch, dass Rohstoffe mitunter recht knapp sind, es 5 verschiedene Rohstoffsorten gibt und außerdem Aufträge und Rohstoffe erst einmal zueinander passen müssen. Auf mich wirkt es deshalb so, als ob das Spiel an dieser Stelle noch etwas mehr Fein-Tuning gebraucht hätte.
Vielspieler wünschen sich wohl außerdem auf Dauer, spürbarer der wahre Herr ihres eigenen Schicksals zu sein. Sie sollten deshalb bald zu den in der Regel enthalten Zusatzregeln greifen. Diese sind relativ einfach, bieten aber deutlich mehr Einflussmöglichkeiten und können den zuvor genannten, glücksbedingten Frustmomenten etwas entgegenwirken. Aus diesem Grund sollten sie meiner Meinung nach auch von interessierten Gelegenheitsspielern, die vor „Profi-Regeln“ sonst eher zurückschrecken, zumindest einmal ausprobiert werden.
Das Spielmaterial ist von ausgezeichneter Qualität, mit einer Ausnahme: Die Sichtschirme haben in der uns vorliegenden Version einen offensichtlichen Produktionsfehler, denn sie lassen sich schlicht und einfach nicht sinnvoll zusammenbauen und aufstellen. (Anm: Das gibt einen Punkt Abzug bei der Note für die Ausstattung). Hier sollte der Verlag unbedingt nachbessern. Mit jeweils 2 großen Büroklammern je Sichtschirm lässt sich das Problem aber auch jetzt schon zufriedenstellend lösen (siehe Foto). Ob man nun modellierte Kunststofffiguren à la „Siedler von Catan-neu“ mag oder nicht, ist sicher Geschmackssache. Mir persönlich gefallen sie durchaus (die glatzköpfigen Mönche und der Karawanenführer samt Yak sind richtig putzig). Die Figuren hätten aber ruhig etwas größer ausfallen können.
So trägt ein großflächig weißer Spielplan mit teilweise recht kleinen cremefarbenen und blassblauen Spielfiguren (2 der 4 Spielerfarben) darauf nicht gerade zur Übersicht bei. Der ganze Spielplan wirkt irgendwie ein wenig "unscharf". Überhaupt ist die Übersichtlichkeit nicht besonders gut, besonders gegen Ende hin, wenn dann neben Rohstoffen und Aufträgen auch noch zahlreiche Figuren der Spieler auf dem Spielplan stehen. Es ist dann nicht möglich auf einen Blick zu sagen, wie denn gerade der Spielstand ist. Das bremst in der Endphase unnötigerweise das Spieltempo etwas herab. Nicht zuletzt deshalb waren die Testspieler über die Gestaltung und Farbgebung des Materials geteilter Meinung.
Die Spielregel liest sich unnötig schwer, was besonders für eher unerfahrene Spieler schade ist, denn sie finden hier ein Spiel, welches wesentlich leichter zu spielen ist, als es zuerst den Anschein haben mag. Also: Von der verbesserungswürdigen Struktur und der nicht ganz sauberen Übersetzung der Regel aus dem Französischen nicht abhalten lassen und möglichst früh das äußerst hilfreiche Beispiel über eine komplette Runde eines Spielers lesen, welches sich etwas unscheinbar in der Mitte der Regel versteckt hat.