Zugegeben: Wir haben den Trailer gesehen und waren von der ersten Minute an Fans. Und dennoch hat uns Nintendo Labo noch einmal überrascht. In vielerlei Hinsicht. Aber was ist dieses Nintendo Labo denn jetzt eigentlich?
Karton wird aus Holz gewonnen
Das Konzept ist so einfach wie genial. Nintendo bietet Bastelbögen aus Karton, in die, sobald diese zusammengebaut wurden, die Nintendo Switch integriert wird. Neben dem obligatorischen Touchdisplay sind es vor allem die Joy-Cons, die für das Funktionieren des Werks sorgen. Und da spielen nicht nur die Gyrosensoren und die HD-Rumble-Funktion, sondern auch die Infrarotkamera im rechten Controller eine maßgebliche Rolle.
Zwei verschiedene Sets bietet Nintendo zum Start an: Das Multi Set, das mehrere „kleine” Objekte beinhaltet, und das Robo-Set, bei dem man sich selbst in einen gigantischen Zellulose-Roboter verwandeln kann. Wir widmen uns in diesem Test ersterem.
Kannst du knicken
Die Software ist in drei Kategorien eingeteilt: Basteln, Spielen, Entdecken.
Das Bastel-Menü bietet für jedes der Objekte eine detaillierte Video-Anleitung. Wobei es sich hier weniger um ein Video, als um eine Animation handelt, die Schritt für Schritt jeden einzelnen Falz demonstriert. Da es sich um 3D-Modelle handelt, kann das Objekt in der Anleitung jederzeit frei gedreht und gezoomt werden. Und so stellt diese Anleitung auch den größten Bastel-Legasteniker - der IKEA-Regale jedes mal kurz vor Bauende nochmal halb auseinandernehmen muss, weil irgendeine Platte zuvor irrtümlich falsch herum eingesetzt wurde - vor keine großen Herausforderungen. Ehrenwort. Die perfekt gestanzten und leicht vorgefalzten Bastelbögen tragen da ihren Teil dazu bei.
Etwas mühsam ist es, dass die Animation nicht automatisch abgespielt werden kann, sondern quasi eine „Push to play”-Funktion besitzt. Am effizientesten bastelt es sich also zu zweit, damit jemand anders gleichzeitig den „Totmannschalter” am Controller bedienen kann.
Spiel mir das Lied vom Karton
Zugegeben, das Basteln selbst ist natürlich das Highlight von Nintendo Labo. Es macht unheimlich viel Spaß, die Kartonteile zurechtzubiegen und im Entstehungsprozess der Objekte draufzukommen, was man da eigentlich gerade baut. Gleichermaßen aufregend ist es jedoch, das erste Mal den Controller in das Gebilde zu stecken und sich davon überraschen zu lassen, dass und wie gut das System tatsächlich funktioniert. Einen großen Teil dazu trägt die Infrarotkamera im Joy-Con bei. Erstmals wird hier sogar in einem Spiel das Bild der Kamera auf den Bildschirm übertragen.
Fünf Objekte lassen sich mit dem Multi-Set bauen: Eine Art ferngesteuertes Auto, ein Haus, eine Angelrute, ein Klavier und ein Motorradlenker.
Als wäre es nicht schon faszinierend genug, dass sich die Tasten eines Kartonklaviers problemlos bedienen lassen und dann beim Drücken selbiger auch noch Töne aus dem Klavier kommen, setzt Nintendo hier nochmal einen drauf. Mit Register-Knöpfen, die oben in das Klavier gesteckt werden, kann der Sound der Tasten angepasst werden. So lassen die vier Register-Knöpfe das Klavier wie Katzen oder einen Chor erklingen, beim Drehen der Register lässt sich sogar die Stärke des Halls einstellen.
In einen weiteren Schlitz können Kartonkarten mit unterschiedlichen Wellenformen gesteckt werden. Auch damit wird der Sound angepasst. Auf die beigelegten Karten ist man dabei nicht beschränkt. Dank Schablone können auch eigene Wellen aus Papier ausgeschnitten, und ausprobiert werden, was für Töne dabei entstehen. Das steigert die Experimentierfreude ungemein.
Mit einem Schalter auf der Seite kann die Oktav verstellt werden.
Wer sich nicht auf Spielen alleine beschränken will, bekommt ein ganzes Soundstudio mitgeliefert. Über ein Lochkartensystem kann ein Schlagzeugbeat erstellt und vom Klavier eingelesen werden. Einen Klick auf den (ebenfalls gebastelten) „Record”-Button, und schon kann man seine eigenen Musikstücke aufzeichnen und speichern. Die Register funktionieren hier als Regler für sämtliche Einstellungen.
Und das war jetzt nur das Klavier.
Das radlose ferngesteuerte Auto funktioniert durch die Joy-Cons, die am Auto angebracht werden und die Beine durch unterschiedliche Vibrationsfrequenzen zum Vibrieren bringen. Zwei Autos sind inkludiert, wer vier Joy-Cons sein Eigen nennt, kann damit Ringer-artige Kämpfe gegeneinander austragen.
Auch besitzen die Autos einen Automatikmodus. Hierzu wird von der Infrarotkamera und kleinen Pappaufstellern mit Reflektorfolie (die wir auch in anderen Objekten immer wieder benötigen) Gebrauch gemacht. Die Kamera scannt die Umgebung, und bewegt sich dabei zielgerichtet auf die Reflektoren zu. Außerdem kann aus Reflektorfolienstreifen ein Weg gebastelt werden, den das Auto dann vollautomatisch abfahren kann.
Die Angel beinhaltet ein Spiel, in dem zum richtigen Zeitpunkt an der Angel gezogen, gekurbelt und in die richtige Richtung gegengelenkt werden muss. Auch hier sind es wieder die Kleinigkeiten, die positiv auffallen, wie ein kleines Kartonplättchen, dass so in die Kurbel geschoben wird, dass es das typische Rattergeräusch einer Angel fabriziert.
Im Haus kümmern wir uns um ein kleines Lebewesen, das wir mit kulinarischen Köstlichkeiten füttern, die wir in Minispielen verdienen und zubereiten. Durch den Verzehr unterschiedlicher Speisen verändern sich Farbe und Muster des Fells.
Für das Haus gibt es drei Bedienelemente. Eine Kurbel, einen Knopf und einen Kippschalter. Je nachdem, in welcher Kombination man diese in die drei Löcher des Hauses steckt, werden die zwölf unterschiedliche Minispiele und Funktionen freigeschalten.
Und auch beim Motorrad hat sich Nintendo nicht damit begnügt, einen einfachen Lenker zu erschaffen. Neben dem mit drehbarem Gasdrehgriff, Bremshebel und Startknopf voll ausgestatteten Lenker gibt es noch ein kleines Mini-Bike. Dieses wird verwendet, um im Sandkastenmodus strecken zu kreieren. Dabei werden die Bewegungen des Motorrads im Raum direkt ins Spiel übertragen und die Strecke somit erstellt.
Keiner muss dumm sterben
Was Nintendo Labo dann noch vom einfachen Spielzeug in die höheren Sphären des interaktiven Experimentierkastens hebt, ist die Tatsache, dass im Entdeckermodus genau erklärt wird, welche Funktionen integriert sind und wie und warum die einzelnen Elemente der Objekte funktionieren. Statt den Spieler also einfach hinnehmen zu lassen, dass das eben funktioniert, wird jede Kleinigkeit genau erklärt und so gerade bei Kindern das Technikverständnis spielerisch erweitert - doch auch Erwachsene können hier noch das ein oder andere lernen oder sich einfach von der Genialität der Konstruktionen begeistern lassen.
So wird hier zum Beispiel ein Blick in das Klavier gewährt, und sichtbar gemacht, was sich im Korpus tut, während man die Tasten betätigt und wie das Spiel diese Daten interpretiert. Möglich macht das die Infrarotkamera im Joy-Con, die quasi als Nachtsichtgerät fungiert.
Was, wenn mal etwas kaputt geht? Ist ja schließlich nur Karton? Auch hieran hat Nintendo gedacht und erklärt in kurzen Videos, an welchen Stellen Klebeband angebracht werden muss, um zum Beispiel ausgeleierte Kartonfedern wieder fit zu machen.
Programmierter Hit
Im Entdeckermodus versteckt sich außerdem das Geheimlabor. Hierbei handelt es sich um eine grafische Programmierschnittstelle, die es ermöglicht, ganz eigene Funktionen zu erschaffen. Verschiedene Inputs lassen sich beliebig mit unterschiedlichen Outputs verbinden.
Beim Drücken einer Taste soll der blaue Joy-Con vibrieren? Beim Schütteln des Controllers der Ton F einer Elektrogitarre gespielt werden? Beim Drehen des Gasdrehgriffs der Bildschirm aufleuchten? Alles kein Problem.
Zu welch genialen Ergebnissen eine solche Tüftelei führen kann, hat Jimmy Fallon eindrucksvoll mit einem komplett auf Nintendo Labo basierenden Bandequipment demonstriert.
Fazit
Wow! Selten haben wir einen derart innovativen und kreativen Umgang mit dem Thema Videospiele erlebt. Hier hat Nintendo im wahrsten Sinne des Wortes „outside the box” gedacht.
Am meisten fasziniert, dass die Entwickler nicht bei „schau, wir können ein Klavier aus Karton machen” halt machen. Nein, es wird noch eine weitere Idee hineingesteckt, an anderer Stelle noch erweitert, noch weitere Features hineingesteckt und am Ende wird auch noch erklärt, wie das alles funktioniert. Und wenn dir das alles noch nicht genug ist, darfst du noch selber deine eigenen Ideen einprogrammieren. Was kann man mehr wollen?
Der Karton ist robust und sauber gestanzt, löst sich quasi fast selbst aus dem Bogen, und auch die Kanten zum Falzen sind so schön präpariert, dass man sich hier kaum vertun kann. Das und das Stecksystem sorgen dafür, dass die Zeiten des Bastelbogens, der mit Stenleymesser und Klebstoff bearbeitet werden muss, gezählt sind.
Da wird man selbst als Erwachsener schnell wieder zum Kind. Wir können es kaum erwarten, mehr von Nintendo Labo zu sehen!
Redaktionelle Wertung:
Spieleranzahl: 1 bis 2
Preis: 61.99 Euro
Erscheinungsjahr: 2018
Entwickler: Nintendo
Publisher: Nintendo
Erschienen für: Nintendo Switch
Getestetes System:
Nintendo Switch
Genre: Action, Geschicklichkeit, Rennspiel
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