Leise, leise, nur nicht weinen
Ein Alptraum, der das Leben der Protagonistin René für immer ändert. In The Town Of Light schlüpfen wir in ihre Haut und besuchen die Nervenheilanstalt in Volterra – allerdings viele Jahre nach den traumatischen Ereignissen. Von der psychiatrischen Einrichtung ist nur noch eine Ruine übrig. Aber unter dem Schutt und dem Dreck verbirgt sich noch etwas anderes: Erinnerungen. Auf der Suche nach Antworten durchstreifen wir also jenen Ort, der uns wie kein zweiter geprägt hat.
In dieser unwirtlichen, kalten Umgebung suchen wir die Konfrontation mit der Vergangenheit. Und die kommt in vielen Gestalten. Etwa in Form einer alten Puppe, die einsam in einem Rollstuhl sitzt. Einst hat sie uns alles bedeutet. Oder in einer alten Gemeinschaftsdusche, in der wir mit einer engen Freundin seltene Momente des Gefallens geteilt haben. Aber auch in sehr viel düstereren Ausprägungen: Elektroschocktherapien, Missbrauch, quälende Einsamkeit und noch schlimmeres. Unsere Flashbacks sind dabei manchmal erstaunlich klar. Dann sehen wir gezeichnete Zwischensequenzen, die die Vorkommnisse in der alten Nervenheilanstalt näher beleuchten. In anderen Momenten übermannen uns hingegen alte Ängste und das Umfeld, durch das wir uns bewegen, erscheint plötzlich seltsam verzerrt. Gänge ziehen sich unendlich in die Länge oder enden völlig abrupt. Künstlerisch-abstrakte Elemente und eindeutige Hinweise halten sich dabei die Waage und die Mischung ist den Entwicklern unglaublich gut gelungen. Einige Dinge können wir explizit sehen, aber wir können das Geschehen nicht vollinhaltlich erfassen, ohne uns Gedanken dazu zu machen. An manchen Stellen ist das ganz schön starker Tobak, wenn wir etwa in First Person Erinnerungen durchmachen, die wir am liebsten längst vergessen hätten.
Trotzdem wird die Geschichte rund um René dabei erfreulicherweise alles andere als pathetisch erzählt. Eher das Gegenteil ist der Fall: Alles wirkt greifbar, nachvollziehbar und sehr intim. Das überrascht wenig, wenn man sich ein wenig mit den Hintergründen des Spiels befasst. Denn The Town Of Light nimmt historische Bezüge durchaus ernst. Die Nervenheilanstalt in Volterra hat es wirklich gegeben, sie wurde von den Entwicklern detailgetreu nachgebaut. Auch die unmenschlichen Behandlungsmethoden – aus heutiger Sicht völlig unvorstellbar und Gott sei Dank nicht mehr state of the art – sind nicht völlig aus der Luft gegriffen. Der entwürdigende Umgang des Personals mit René und anderen Klienten ist ebenso hart, aber vorstellbar. Die hervorragende Vertonung, vor allem die Arbeit der Sprecherin, trägt zusätzlich zur Atmosphäre bei. The Town Of Light versteht sich als psychologischer Thriller, und das auch völlig zurecht.
Spielerisch reiht sich der Titel in Spiele wie Gone Home, Everybody's Gone To The Rapture oder Virginia ein, er ist also ein First Person Exploration Game. Böse Zungen bezeichnen diese Spiele manchmal als „Walking Simulation”, denn tatsächlich haben wir nicht mehr zu tun, als durch die verfallene Nervenheilanstalt zu gehen und ab und zu mit bestimmten Dingen per Knopfdruck zu interagieren. Ausgefeiltes Gameplay ist aber auch schlicht nicht das Ziel von solchen Spielen. Ein Titel wie The Town Of Light braucht gerade diese Unaufgeregtheit, um dafür die volle erzählerische Wirkung entfalten zu können.
Kleinere Schwächen orten wir bei der Grafik. Natürlich stecken hinter einem solchen Indie-Spiel ganz andere Teamgrößen als hinter den großen Tripel As da draußen. Auch ist die Präsentation hervorragend gelungen, in Sachen Texturen hinkt das Spiel aber einfach hinterher. Natürlich ist aber auch das nicht das Hauptaugenmerk bei The Town Of Light, betrachten wir das also als Meckern auf hohem Niveau. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Devs hier verdammt viel richtig gemacht haben.
Fazit
Wer sich an einer sehr erwachsenen Geschichte erfreuen kann, die sich mehr durch ihre Intimität, die psychologische Tiefe und den realen Background definiert als über ausgefeiltes Gameplay, der ist mit The Town Of Light bestens beraten. Bei mir hat der Einblick in die italienische Nervenheilanstalt jedenfalls nachhaltig Eindruck hinterlassen – die Reise nach Volterra war es wert.
Redaktionelle Wertung:
Spieleranzahl: 1
Preis: 20 Euro
Erscheinungsjahr: 2017
Entwickler: LKA
Publisher: LKA
Erschienen für: PC, PlayStation 4, Xbox One
Getestetes System:
PlayStation 4
Genre: Adventure
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