Im neusten Werk aus dem Hause Bethesda durchstreifen wir als Morgan Yu (der bzw. die sowohl männlich als auch weiblich sein kann, ganz nach Belieben) eine kalte, gefährliche Raumstation – die Talos-1. Ursprünglich diente diese Einrichtung als Forschungsstation, aber jetzt wollen wir nur noch weg. Denn die einst für den technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt geschaffene Station ist jetzt nur noch ein Massengrab in den Tiefen des Alls. Schuld daran ist, wie in besagtem Setting kaum anders zu erwarten, eine mysteriöse Alienrasse. Diese sogenannten Typhons sind es, die beinahe jedes intelligente Leben auf Talos-1 ausgerottet haben und uns fortwährend demonstrieren, dass man Probleme auch anders lösen kann als durch ständiges Reden.
Schade eigentlich, denn zu Beginn sieht alles so gut aus. Nette Gespräche mit unserem Bruder, ein paar Tests machen, eigentlich business as usual. Aber schon in der ersten Spielstunde zeigt uns Prey, dass wir eines nie vergessen dürfen: Nichts ist, wie es scheint. Denn nach einem ziemlich heftigen Plot Twist kurz nach Spielbeginn, der übrigens eines der Highlights der Story darstellt, shit get's serious, wenn ich das hier mal so schreiben darf. Und ab diesem Zeitpunkt haben wir kaum noch Ruhe, um mal ein wenig zu verschnaufen.
Was also können wir tun, um uns der bösartigen Typhons zu erwehren? Vieles. In klassischer First Person-Manier manövrieren wir unseren Protagonisten durch die Talos-1. Und die ist ziemlich verwinkelt. Viele Areale sind relativ offen wie zum Beispiel die Lobby, die wir etliche Male besuchen, andere sind eher von schmalen Gängen und dunklen Ecken gekennzeichnet. Aber eines ist allen gemein: Es gibt IMMER verschiedene Wege zum Ziel. Die Augen genau offen zu halten und auch untypische Dinge einfach mal auszuprobieren, sind deswegen gute Maxime für das Spielen von Prey. An manchen Stellen ist es vielleicht tatsächlich der beste Weg, sich durchzuballern. Oft finden wir aber elegantere Lösungen, wenn wir nur ein wenig danach suchen. Und das zahlt sich aus! Die Typhons sind nämlich alles andere als wehrlos – stellenweise wird uns das Überleben arg schwierig gemacht. Sei es, weil in sicher geglaubten Bereichen auf einmal starke Gegner auftauchen, oder sei es, weil sich um uns herum plötzlich mehrere Alltagsgegenstände in die zwar schwachen, aber schwer zu treffenden Mimics verwandeln. Ein gutes Beispiel, um das zu illustrieren: Haben wir den Albtraum, seines Zeichens stärkster der (bekämpfbaren) Typhons, einmal encountered, wird er uns den Rest des Spiels in regelmäßigen Zeitabständen heimsuchen. Und völlig egal, wo wir dann sind: Das wird ungemütlich.
Arsenal
Unterstützung finden wir in unserer Ausrüstung. Zum einen natürlich insofern, als dass unsere Wummen im Verlauf des Spiels immer stärker werden. Schleichen wir anfangs noch mit dem obligatorischen Schraubenschlüssel durch die Gänge, erhalten wir schon bald nachdrücklichere Argumente in Form von Pistole oder Schrotflinte. Viel interessanter sind aber die Gadgets, die nicht primär als Tötungsinstrument dienen. Allen voran muss hier die Gloo-Kanone genannt werden.
Dieses Gerät verschießt Ladungen eines Zeugs, das ziemlich bald nach Austritt aus dem Lauf der Waffe erstarrt. Das ist zum einen recht praktisch gegen flinke und unruhige Gegner, denn die können wir so eine Zeit lang einfrieren. Genauso spannend ist aber die Verwendung als Kletterhilfe: Unsere erstarrenden Geschosse eignen sich zum Beispiel auch dazu, eine Treppe zu erschaffen, wo eigentlich keine ist. Überhaupt hat Prey an der Item-Front ein paar abwechslungsreiche Dinge im Angebot. Auch sehr schön ist zum Beispiel die Recycler-Granate, eine Granatenform, die alles im Detonationsradius in weiterverwendbare Ressourcen verwandelt.
Weiterverwendbar? Ganz richtig! Denn Prey beinhaltet ein Crafting-System. Überall auf Talos-1 können wir sogenannte Recycler und Fabrikatoren finden. Recycler sind Geräte, die alles, was wir dem Inventar hinzufügen können, in vier basale Stoffe zerlegen: mineralisches Material, organisches Material, synthetisches Material und exotisches Material. Diese Materialien können wir anschließend in einem Fabrikator wieder zu etwas Nützlichem verwandeln. Das Schöne ist: Wir können ALLES verwerten. Das weniger Schöne: Wir haben nicht mal ansatzweise genug Platz im Inventar für alles und die meisten Gegenstände werfen recht wenig Material ab. Das führt dazu, dass wir (ähnlich wie in BioShock) auch jeden noch so kleinen Aschenbecher umdrehen, es könnte ja eine verwelkte Tulpe darunter liegen, die wir zu wertvollem organischen Material machen können. Eine der größeren Schwierigkeiten bei Prey, vor allem anfangs, ist die notorische Materialknappheit. Looten kann also wirklich Leben retten!
Waffen können wir übrigens auch mit bestimmten Gegenständen Upgrades verpassen. In einer sehr ähnlichen Manier lässt sich auch unser Anzug aufbessern, der unser Leben mit einigen Rüstungspunkten beschützt. Wirklich spannend ist aber die Verwendung von Neuromods. Das sind in Prey gewissermaßen EXP. Denn auch der größte Kampfsieg gibt uns zwar eine Menge Material, aber keine Erfahrung und resultiert somit nicht direkt in einer Charakteraufwertung. Dafür brauchen wir Neuromods, mit denen wir anfangs drei, später sechs Skilltrees ausbauen können. Dabei können wir uns alles Mögliche aneignen: mehr Lebenspunkte, stärkere Schraubenschlüssel-Schläge oder auch die Fähigkeit, erledigte Typhons auszuweiden, um nur einige Beispiele zu nennen. Im Verlaufe des Spiels können wir dort auch mehrere Psi-Kräfte ausbilden – um Spoiler zu vermeiden, wollen wir hier auf die aber nicht näher eingehen.
Die Präsentation der Talos-1
Überhaupt ist es relativ schwierig, jetzt noch ohne Spoiler auf den nächsten wichtigen Punkt einzugehen; die Story. An dieser Stelle halten wir uns daher etwas Allgemeiner: Die Geschichte ist über weite Strecken recht offen. Es gibt diverse Sidequests und verschiedene Spielenden. Unser Spielstil und unsere ingame Entscheidungen können einen Unterschied machen. Trotzdem und trotz einiger durchaus starker Momente sind wir allerdings eher wenig von den Geschehnissen auf der dem Untergang geweihten Raumstation betroffen. Das liegt zum Teil an den Charakteren, die bis zum Spielende trotz sehr gelungener Leistung der Synchro zu flach bleiben. Außerdem hat man es an entscheidenden Momenten verabsäumt, echte Emotionen wie Sorge oder Angst in uns zu wecken. Und drittens muss gesagt sein, dass wir immer wieder davon abgehalten werden, gänzlich in die Atmosphäre abzutauchen, weil wir ständig konzentriert auf der Hut sein müssen. Das Kunststück, das From Software mit Bloodborne und den Dark Souls-Teilen fertig bringt, gelingt hier nicht: Der Schwierigkeitsgrad, das permanent notwendige Looten und die stellenweise einfach unfairen weil unvorhersehbaren Stellen lenken zu sehr ab.
Darüber hinaus ist die Station aber recht abwechslungsreich gestaltet und auch im freien Raum müssen wir einige Herausforderungen bestehen. Außerdem gibt es zig Stellen, an denen wir mehr über die Hintergründe dessen erfahren, was auf Talos-1 geschehen ist. Dieses environmental Storytelling, das wir so ähnlich aus Fallout kennen, ist aber nicht übermäßig motivierend, dafür überdeckt das Gameplay die Atmosphäre und die Story zu stark.
Grafisch fällt Prey eher in die Kategorie solide. Partikeleffekte, Texturen, Animationen und Mimik erreichen zwar nicht das Niveau eines Uncharted 4, unschön wird es aber nie. Das optische Highlight ist für uns das Gegnerdesign, die Typhons wirken fremdartig und ominös, aber sehr organisch. Und richtig gut gefällt uns der Sound, der den Überlebenskampf reduziert, aber effizient untermalt. Auch die Leistung des Synchron-Teams ist sehr anständig.
Fazit
Vielleicht sind es die Charaktere, die etwas zu schal sind, um die Story glaubhaft zu tragen. Vielleicht ist es das Gameplay, das an manchen Stellen nicht nur herausfordernd, sondern unfair ist. Vielleicht auch die Antagonisten, deren Handlungen mir bis zuletzt nicht ganz nachvollziehbar erscheinen. Vielleicht ist es auch einfach eine Mischung aus diesen und noch einigen kleineren Schwächen, wie recht regelmäßigen Framerate-Drops oder den viel zu langen Ladezeiten.
Jedenfalls konnte mich Prey nicht über die rund 20 Spielstunden hinaus fesseln – bis dahin über weite Strecken aber sehr wohl. In unseren Spiele-Olymp wird es dieses Spiel zwar trotzdem nicht schaffen, aber allen einigermaßen frustresistenten Gamern mit einem Faible für alternative FPS und/oder Science Fiction kann ich Prey definitv ans Herz legen.
Redaktionelle Wertung:
Spieleranzahl: 1
Preis: 35 Euro
Erscheinungsjahr: 2017
Entwickler: Arkane Studios
Publisher: Bethesda Softworks
Erschienen für: PC, PlayStation 4, Xbox One
Getestetes System:
PlayStation 4
Genre: Action-Adventure, Egoshooter
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