Für Uedas Stil absolut typisch haben wir anfangs zunächst so überhaupt keinen Plan, was eigentlich Sache ist. Wir erwachen als kleiner Junge in einer feuchten Höhle. Unser ganzer Körper ist mit mysteriösen Symbolen übersät, die nicht nur uns von außen, sondern offenbar auch den Jungen selbst etwas beunruhigen. Allerdings weit weniger als das, was wir als nächstes erblicken: Ein meterhohes, gefiedertes Wesen liegt nur eine Armlänge von uns entfernt. Sein Atem geht schwer, Speere sind in seinen Körper gebohrt.
Dies ist unsere erste Begegnung mit Trico. Im Verlauf des Spiels werden wir vieles zusammen erleben und dabei eine innige Beziehung aufbauen. Wir werden Freunde sein. Für jetzt wirkt das greifenartige Ungetüm aber ganz schön beängstigend. Trotzdem überwinden wir uns, verarzten das Tier, so gut es möglich ist, geben ihm etwas Futter, streicheln es, um es zu beruhigen. Und siehe da: Nur wenig später ist es quasi handzahm und erwidert die Hilfestellung.
Jetzt sind wir also mit einer riesenhaften Hund-Vogel-Stier-Mischung in einer schummrigen Höhle, in der wir immer wieder auf eigenartige Ruinen stoßen, unser Körper bemalt mit lauter fremdartigen Symbolen. Wir wissen nicht, wie wir hier hergekommen sind, was es mit Trico auf sich hat, was die Symbole bedeuten oder was wir hier sollen. Ein relativ klarer erster Ansatz: Dann gehen wir halt heim. Dafür müssen wir aber erstmal die Höhle und die dahinter liegende Ruinenanlage durchqueren, und das stellt sich als gar nicht so leicht heraus.
Eine Hassliebe par excellence
Relativ schnell stellt sich nämlich heraus, dass wir ohne Trico ganz schön aufgeschmissen wären – er ohne uns aber auch. Als wortkarges Duo versuchen wir also, kleinere Rätsel zu lösen und aus den Ruinen zu entkommen.
In den meisten Fällen reicht es dafür zunächst, den weiteren Weg zu finden. Schon hierbei spielt unser Begleiter eine essentielle Rolle, denn wir können jederzeit auf Trico herumklettern, um eine bessere Aussicht zu haben. Nachdem wir ein wenig der Story gefolgt sind, erhalten wir dann auch die Möglichkeit, Trico ein paar Befehle zu geben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird der Hunde-Hüne Dreh- und Angelpunkt des Spiels. Wir müssen irgendwo hoch hinauf? Trico macht Männchen, wir klettern seinen Rücken hinauf. Nach unten? Wir ziehen Tricos Schweif zu einem Loch oder Abhang und lassen ihn hinuntergleiten, das ist ein hervorragender Leiter-Ersatz. Ein großer Abhang ist zu überwinden? Einfach auf unseren gefiederten Freund springen und das ihn machen lassen – mit einem Satz kann Trico gewaltige Distanzen überspringen.
Um solche Wege auszumachen, ist die Kamera theoretisch zu jedem Zeitpunkt frei beweglich – aber eben nur theoretisch. Hier offenbart sich die erste Schwachstelle des Abenteuer-Epos: Vor allem in Räumen, in denen Trico bis an die Decke reicht bzw. viel Raum einnimmt (das ist recht oft der Fall), spinnt die Kamera komplett. Dann kann es ewig dauern, bis wir den Winkel richtig eingestellt haben. Das ist noch nicht das größte Problem, aber schon lästig.
Manchmal gilt es, kleinere Rätsel zu lösen. Wir müssen etwa die Quelle eines verlockenden Geruchs beseitigen, der Trico hypnotisieren zu scheint und so komplett nutzlos macht. Dann wieder gibt es Jump 'n' Run artige Passagen. All das ist vom Weltdesign stets stimmig und die Reise wäre entsprechend spannend und abwechslungsreich – müssten wir nicht ständig einem unserer Protagonisten wüste Beschimpfungen an den Kopf werfen. Denn das ist das Problem, das uns The Last Guardian tatsächlich etwas madig macht, noch viel mehr als die Kamera: die Steuerung. Wir sind leider dazu gezwungen, uns unglaublich unpräzise und hakelig durch die labyrinthartige Welt zu bewegen. Das gilt sowohl für den Jungen, mit dem wir deshalb immer wieder Sprünge in den Tod ausführen, als auch für Trico, der dann manchmal einfach partout nicht das machen möchte, was wir eigentlich von ihm wollen. Lästig, denn so zieht wirklich viel Zeit ins Land, in der wir nur versuchen, mit unserem Tastendrücken das richtige Resultat zu erzielen. Und wir scheitern dabei immer wieder nicht deshalb, weil es hektisch ist oder technisch anspruchsvoll, sondern weil die Steuerung so verhunzt ist. So, das musste gesagt werden.
Wären diese Probleme nicht, wäre The Last Guardian aber ein wahres Meisterwerk. Denn Trico überzeugt uns als Charakter dennoch. Sein ganzes Verhalten wirkt einfach unglaublich echt, dazu tragen auch die hervorragenden Animationen bei. Und letztlich haben wir eben doch viel miteinander erlebt – ein bisschen Streit belebt doch nur die Beziehung. Die gut zehn Stunden Story, in der wir Trico füttern, beruhigen, streicheln, führen, helfen usw. sind dann eben doch nicht spurlos an uns vorüber gegangen. Dass die Grafik bei allem, was nicht Trico ist, deutlich angestaubt wirkt, können wir dann auch vernachlässigen – darum geht es in The Last Guardian sowieso nicht. Wir können jedenfalls aus ganzem Herzen sagen: Trico, wir hassen dich, aber Trico, wir lieben dich auch!
Fazit
Leider machen die Kameraführung und die elendiglich unpräzise Steuerung einen Strich durch die Rechnung. Mehr als einmal war ich wirklich sauer, weil ich schon längst verstanden habe, was getan werden muss, um weiterzukommen, aber das Spiel – und eben meistens Trico selbst – einfach nicht so wollten, wie ich es gemeint habe. Das war nicht nur ein wenig mühsam, sondern stellenweise wirklich ich-tanze-einen-Tobsucht-Tanz-ärgerlich – um nicht zu sagen zum K*****.
Trotzdem war unser Abenteuer einzigartig und schön, und irgendwie bin ich auch dankbar für dieses Erlebnis. Ueda hat es jedenfalls wieder mal geschafft: Wer genug Geduld mitbringt, um die spielerischen Schwächen zu bewältigen, wird belohnt. The Last Guardian ist ein ganz besonderes Spiel mit einer intimen Erzählweise und berührenden Momenten. Ein Spiel, das wir trotz seiner Mängel ins Herz geschlossen haben.
Redaktionelle Wertung:
Spieleranzahl: 1
Preis: 70 Euro
Erscheinungsjahr: 2016
Entwickler: Sony Computer Entertainment
Publisher: Sony Computer Entertainment
Erschienen für: PlayStation 4
Getestetes System:
PlayStation 4
Genre: Adventure
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