Viel (B)Loot zu ver-craften
Auf unserer Mission nutzen wir dafür hauptsächlich selbst gebastelte Waffen. Um diese herstellen zu können, sammeln wir wie aus der Serie gewohnt allerhand Rohstoffe wie Steine, Holz und Pflanzen und begeben uns auf die Jagd nach wertvollen Tierfellen. Zwar ist dieses Craftingsystem bereits aus den Vorgängern mehr als bekannt, fügt sich diesmal aber so glaubwürdig wie nie zuvor in das Setting ein.
Neben verschiedenen Bögen für den Fern- und Keulen für den Nahkampf fertigen wir Speere an, die wir für beide Kampfarten gut einsetzen können. Als Granatenersatz halten Bienen-, Gift- und Brandbomben her, aus Steinsplittern basteln wir eine Art Wurfmesser. Pflanzen und Fleisch verwenden wir, um uns zu heilen oder kurzfristig zu dopen, um beispielsweise schneller zu laufen oder gegen Feuerschaden immun zu sein.
Jedoch können wir uns nicht nur selbst heilen, sondern auch unsere tierischen Begleiter. Nicht umsonst werden wir von unserem Volk der "Bestienmeister" genannt. Durch eine spezielle Gabe können wir nämlich wilde Tiere bändigen, die uns fortan begleiten und an unserer Seite kämpfen. Vom hyänenartigen Rothund über Wölfe, bis hin zu Säbelzahntiger, Bären und Mammuts können wir allerhand Getier zähmen. Und letztere drei lassen sich sogar reiten. Diese sind also ein guter Ersatz für die logischerweise nicht vorhandenen Fahrzeuge, die das urzeitliche Setting schlichtweg nicht hergibt.
Zusätzlich zu einem dieser Säugetiere werden wir das ganze Spiel über noch von einem weiteren tierischen Weggefährten begleitet: einer Eule. Die übernimmt für uns die Aufgabe der Drohne, mit der wir die Umgebung nicht nur aus der Vogelperspektive ausspähen und Gegner markieren können, wir können auch unsere naturbelassenen Bomben aus der Luft auf Gegner fallen lassen oder diese sogar direkt Angreifen. Ziemlich cool.
Apropos Angriff: Far Cry Primal spart nicht bei der Darstellung von Blut und Gore. Die per se schon brutale Kampfmechanik, bei der den Gegnern Pfeile im Kopf stecken bleiben und sie auf unsafte Weise mit der Keule bearbeitet werden, ist nämlich nicht das höchste der Gefühle. Oft treffen wir auf gepfählte, teilweise verspeiste Menschen, deren Eingeweide über den Boden verteilt wurden. Oder Leichen von Stammesmitgliedern, die einen Tierangriff mit dem Leben bezahlt und ebenfalls Fleisch gelassen haben. Ja, das Jägersein ist sichtlich ein Knochenjob.
Wir sind nicht sprachlos
Optisch hat sich Far Cry Primal absolut nichts vorzuwerfen. Das Spiel sieht sehr beeindruckend aus. Die Optik ist auch der Grund, warum wir nicht durchgehend mit aktivierter "Jägersicht" herumlaufen, einem System wie beispielsweise dem Detektivmodus in den Batman-Spielen, das die Spielwelt leicht ausgraut und uns Ziele, Gegner und Ressourcen gelb oder rot leuchtend präsentiert.
Das Charakterdesign lässt Freund und Feind nicht nur absolut stimmig aussehen, sondern auch so klingen. Hierfür hat Ubisoft zusammen mit Sprachwissenschaftlern eine eigene Steinzeitsprache entwickelt. Um der - zugegebenermaßen sehr seichten - Handlung folgen zu können, sind wir also auf das Lesen von Untertiteln angewiesen. Da das aber nicht nur die Lokalisierung für den Publisher billiger macht, sondern auch enorm zur Atmosphäre beiträgt, nehmen wir diesen Kniff sehr gerne in Kauf.
Mit offenen Karten Spielen
Nun aber zur Frage, ob für Besitzer von Far Cry 4 eine (sofortige) Anschaffung von Far Cry Primal lohnend ist, oder ob es sich hier eher um ein Art Mod handelt, bei der der Vollpreis nicht wirklich gerechtfertigt ist. Das Problem ist, dass die Wahrheit vermutlich irgendwo dazwischen liegt. Die Karte scheint - vergleicht man beispielsweise den Flussverlauf - tatsächlich zumindest topografisch von Far Cry 4 recycelt worden sein. Dennoch fühlt sich Oros nicht an wie Tibet, da uns hier mitteleuropäische Flora und Fauna von vor etwa 10.000 Jahren präsentiert wird.
Am Spielpinzip selber ändert sich allerdings nicht wirklich viel, auch wenn die Waffen Marke Eigenbau natürlich in gewissem Maße ein Alleinstellungsmerkmal sind. Trotzdem kommt wieder die allseits "beliebte" Ubisoft-Formel zum Einsatz, also das Einnehmen von Lagern zum Aufdecken von Missionen und allerhand Zeug auf der Karte, das gesammelt werden möchte. Ja, das ist repetitiv, ja, das haben wir nun schon oft genug so gespielt, aber ja, man kippt dennoch nach spätestens einer Spielstunde wieder hinein und vergisst, dass man dem Spiel eigentlich dafür böse sein wollte. Vorausgesetzt natürlich, man ist für den provozierten Sammel- und Entdeckerwahn empfänglich. Viele Sehenswürdigkeiten (außer der Natur selbst) gibt es nämlich nicht zu endtecken. Wald ist nun mal eben Wald.
Fazit
Far Cry Primal besticht mit einem absolut unverbrauchten Setting. Die dem Spielprinzip zugrunde liegende "Ubisoft-Formel" datiert zwar noch nicht aus der Steinzeit, könnte aber mit dem nächsten Ableger gerne wieder einer Auffrischungskur unterzogen werden.
Aus Charakteren und Story hätte man auch noch etwas mehr Potential kitzeln können, wie man am vermutlichen Spielerliebling Urki, einer Art verrücktem DaVinci der Steinzeit, sieht, mit dem wir gerne noch mehr Zeit verbracht hätten. Leider sind die meisten Nebenmissionen (und nicht nur die) etwas fantasielos.
Nichtsdestotrotz machen das endlich nachvollziehbare Crafting und die sehr hübsche und glaubwürdige, wenn auch etwas highlightlose Spielwelt Far Cry Primal zu einer durchaus lohnenden Anschaffung.
PS: Über den etwas mauen "Legend of the Mammoths"-DLC kann man dies übrigens nicht wirklich behaupten.
Redaktionelle Wertung:
Spieleranzahl: 1
Preis: 59 Euro
Erscheinungsjahr: 2016
Entwickler: Ubisoft
Publisher: Ubisoft
Erschienen für: PC, PlayStation 4, Xbox One
Getestetes System:
PC
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