Was haben wir nicht gelitten, als wir anno 2010 in Ethan Mars schlüpften, und wie sehr konnten wir staunen, wenn Jodie und ihr schemenhafter Begleiter Aiden Unglaubliches vollbrachten? Mit Heavy Rain und Beyond: Two Souls sind nun zwei legendäre PS3-Titel für die nächste Generation aufpoliert und portiert worden. Die nervenaufreibende Jagd nach dem Origami-Killer und eine wahnsinnige Flucht vor der CIA – es geht wieder los. Meine Damen und Herren, Vorhang auf für die Quantic Dreams Collection!
Mord, Totschlag und Regen, Regen, Regen
Es gibt wohl wenige Developer Studios, die einen so unverwechselbaren Stil haben wie Quantic Dreams. Schon 2005 sorgten die Jungs und Mädels aus Frankreich mit Fahrenheit für viel Wirbel. Auch die beiden Nachfolger, die es jetzt im Remastered-Bundle auf die PS4 geschafft haben, teilten die Spielerschaft in jene, die mit einem solchen Spielkonzept so überhaupt nichts anfangen können, und die, die zu regelrechten Jüngern des sogenannten interaktiven Dramas wurden. Aber was macht diese Spiele so besonders?
Ein genauerer Blick auf die vorliegenden Titel offenbart schnell einige essentielle Punkte: Spielerische Tiefe, packende Atmosphäre, extrem glaubwürdige Charaktere und eine Story, auf die David Fincher wohl neidisch wäre. (Vielleicht ist er's ja sogar.) Man müsste schon ein besonderer Kostverächter sein, um diese Elemente im Spiel ernstlich zu kritisieren. (Ja, es gibt Logiklöcher. Gibt's bei fast allen Filmen ebenso, die trotzdem sehr gut sein können. Wir sehen uns da jedenfalls nicht in der Rolle der i-Tüpfelchenreiter.)
Die unbestreitbare filmische und inszenatorische Qualität geht allerdings auf Kosten vieler Dinge, die man klassischerweise mit einem Videospiel verbindet. Zum einen bestehen sowohl Heavy Rain als auch Beyond: Two Souls zu einem ziemlich wesentlichen Teil aus Zwischensequenzen, zum anderen sind die Anforderungen an den Spieler auch im freien Spiel alles andere als schwer zu erfüllen. Stressige Situationen und Kämpfe werden in der Regel in Quick Time Events abgehandelt, immer wieder gibt es Gespräche, in denen wir per Tastendruck aus mehreren Antwortmöglichkeiten wählen, ansonsten können wir mit so ziemlich allem interagieren, was wir an den Schauplätzen vorfinden – sei es der Kaffee, den wir trinken, oder die Toilette, auf der wir ihn dann gleich wieder loswerden. Die meisten Dinge sind für den weiteren Spielverlauf absolut unerheblich, an einigen Punkten können wir aber doch sehr viel Einfluss üben. Bei Beyond: Two Souls betrifft das eher die Art und Weise, wie wir bestimmte Situationen lösen, in Heavy Rain und seinen fast 20 verschiedenen Epilogen tragen wir auch schon mal die Verantwortung für das eine oder andere Leben. Ein Videospiel im klassischen Sinn liegt hier aber definitiv nicht vor!
Wem das nach zu wenig Einfluss oder schlicht spielerisch nicht fordernd genug klingt, braucht an dieser Stelle nicht weiterlesen – der Spielinhalt ist absolut ident, das vorweg. Alle anderen, die noch dazu die Originale nicht kennen, sollten jetzt schon zugreifen – der Inhalt ist eben auch packend wie eh und je, auch das sei jetzt schon auf den Punkt gebracht.
Ein Remastering sehen wir uns aber natürlich noch ein wenig differenzierter an. Nachdem so viel darüber geschrieben wurde, dass eh alles gleich bleibt, tut sich doch die Frage auf: Was ist denn dann neu?
Ich steh' auf die Angst in deinem Gesicht
Das Selbstverständliche zuerst: Natürlich haben die Entwickler an der Grafik geschraubt. Beide Spiele laufen jetzt nativ mit 1080p, dadurch sind Texturen und Details viel knackiger und schärfer. Vor allem beim bald sechs Jahre alten Heavy Rain fällt das deutlich auf. Ebendort hat man auch das Kantenflimmern weitestgehend unter Kontrolle gebracht, außerdem sind Partikeleffekte um einiges schöner. Die Animationen, besonders das Drehen von Körpern, sehen stellenweise immer noch etwas unnatürlich aus, trotzdem sind wir im Großen und Ganzen zufrieden mit der neuen Grafik. Bei Beyond: Two Souls fallen derartige Dinge zwar weniger auf, der Titel war aber 2013 schon für seine exzellente Grafik bekannt. Und um einen Ticken ist sie doch noch besser. Besonders spürbar ist das bei Unschärfeeffekten und auch das Leveldesign wirkt detaillierter. Bei manchen Stellen war es dann wirklich schwierig, das Spiel noch von einem Film zu unterscheiden.
Die allermeisten Chancen, die ein Remastering so mit sich bringt, sind allerdings vertan worden. In Heavy Rain gibt es einige Extras wie „Making of”-Videos oder Konzeptkunst, allerdings GAR KEINE spielerische Überarbeitung. Weder ist der DLC enthalten, noch wurde der allergrößte Kritikpunkt – die stellenweise ungenaue und generell kontraintuitive Steuerung – auch nur im geringsten überarbeitet. Da fragen wir uns schon, warum wir uns mit den gleichen Problemen wie vor sechs Jahren rumschlagen müssen. Beyond: Two Souls hat immerhin einen neuen Kampagnenmodus spendiert bekommen, in dem wir die Story chronologisch korrekt anpacken können. Außerdem ist hier der DLC „Fortgeschrittene Experimente” enthalten – immerhin.
Insgesamt müssen wir trotzdem sagen, dass da mehr gegangen wäre. Da dieser Test sich dezidiert auf das Remastering bezieht, leidet darunter natürlich auch die Wertung. Was uns an dieser Stelle ganz, ganz wichtig ist: Das liegt nicht an den Spielen! Die sind ungetrübt sehr gut. Für die Überarbeitung wäre aber doch mehr drin gewesen.
Fazit
Die Quantic Dreams-Spiele waren schon zum Zeitpunkt ihres ersten Erscheinens nicht Jedermanns Sache. „Zu wenig Spiel!”, heißt es häufig. Wir können das nur bedingt nachvollziehen. Auf der einen Seite sind tatsächlich beide Spiele nicht viel mehr als ein großes Quick Time Event, auf der anderen Seite wurde daraus nie ein Geheimnis gemacht. Heavy Rain und Beyond: Two Souls wurden immer als interaktive Dramen oder spielbare Filme beworben, genau das sind sie auch und darin sind sie verdammt gut – Punkt.
Beim Remastering wiederum wurde nicht mehr gemacht, als das Messer anzulegen. Kein noch so kleiner neuer Inhalt, exakt das selbe Spiel, nur etwas aufgeschönt: schärfere Texturen, schönere Staub- und Lichteffekte, das Übliche eben. Verglichen mit zum Beispiel der Uncharted: The Nathan Drake Collection ist zwar hier weniger passiert, man sieht aber vor allem bei Heavy Rain durchaus einen deutlichen Unterschied zum Original. Und Beyond: Two Souls hat ja ohnehin schon immer fantastisch ausgesehen.
Festhalten kann man auf jeden Fall: Die Faszination Quantic Dreams funktioniert nach wie vor hervorragend. Wer mit dieser Art von Spiel etwas anzufangen weiß (in den letzten Jahren ist das Genre ja durch diverse Telltale Games-Titel deutlich salonfähiger geworden) und die PS3-Klassiker noch nicht kennt, sollte hier jedenfalls unbedingt zugreifen!
Redaktionelle Wertung:
Spieleranzahl: 1 bis 2
Preis: 50 Euro
Erscheinungsjahr: 2016
Entwickler: Quantic Dreams
Publisher: Sony Computer Entertainment
Erschienen für: PlayStation 4
Getestetes System:
PlayStation 4
Genre: Adventure
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