Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Völker zahlreiche Male von den Anfängen des Ackerbaus bis in das Atomzeitalter geführt, aber jetzt ist unsere Erde verlebt und wir müssen damit beginnen neue Welten in anderen Sonnensystemen zu bevölkern. Dieses Thema ist alles andere als frisch und schon seit Jahren Materie der Sci-Fi Literatur oder aber Stoff von Hollywood-Filmen. Auch
Firaxis hat sich schon 1999 mit
Sid Meier’s Alpha Centauri in genau das gleiche Territorium gewagt wie heute, damals allerdings mit überschaubarem Erfolg. Mit
Civilization – Beyond Earth kommt exakt 15 Jahre später der erneute Spin-Off-Versuch des erfolgreichen
Civilization V.
Was für eine bizarre grünblaue Welt? Kommt mir so bekannt vor…
Das Setting bietet schon vor Spielstart einiges an Neuerungen. Der Planet und seine Gestaltungsmöglichkeiten sind da noch sehr nahe an erdähnlichen Bedingungen, dagegen bieten eher die ‚Völker‘ und andere wählbare Startboni einen neuen Ansatz. Wo man sich einst auf die Seite eines Volksführerideals aus irgendeiner Epoche geschlagen hat, bekommt man jetzt die Aufgabe einen von aktuell acht Sponsoren zu wählen. Sie stehen für ein ideologisch verbundenes Kontinental-Konglomerat und unterstützen unser Siedlungsvorhaben mit einem oder auch zwei nützlichen Boni. Das allein wäre nur eine themengetreue Analogie zum Vorgänger. Deshalb debütieren drei weitere Startboni: Die Kolonisten, das Raumschiff und die Fracht. Das bedeutet konkret: Wir können beispielsweise vor Spielstart bestimmen, ob unsere Siedlungsniederlassungen mit zusätzlicher Wissenschaft oder Produktion gegründet werden soll. Ob wir von Beginn an einige strategischen Ressourcen auf der Karte angezeigt bekommen oder ob wir mit 100 Energie (ehemals Gold) starten möchten. Und ob wir mit einem Bautrupp starten möchten oder vielleicht direkt mit einer erforschten Technologie. Das sind nur einige der insgesamt 15 verschiedenen Auswahlmöglichkeiten.
Sollte man neu bei Civilization sein, hilft einem der Singleplayer Modus sehr gut weiter, denn hier drängt sich von Beginn an ein Tutorial-Bot in den Vordergrund und beleuchtet so ziemlich jede Handlungsmöglichkeit in Schrift und Ton.
Endlich auf dem Spielplan angekommen, werden sich Veteranen schnell zurechtfinden. Es bleibt bei der Hexagon-Aufteilung. Flüsse, Grasland, Ebenen, Wüste, Sümpfe und Wälder sowie eine Startstadt, ein Erkunder und ein Bautrupp. Sie sind allesamt vertraut, auch wenn die optische Aufmachung ein wenig abgeändert wurde. Alles wirkt satter und versinkt in einem Tiefgrün mit Blaustich; schwer zu beschreiben. Eigentlich klar, dass man zunächst an bewehrten Konzepten festhält. Aber schon in den folgenden Runden kommen Überraschungsmomente, die zumindest in den ersten Partien ein wenig überfordern können. Warum bekommt mein Erkunder Schaden? Wer zur Hölle soll diesen Tech-Tree durchblicken? Quests? Ruinen? Orbitaleinheiten? So viele neue Ressourcensymbole? Aliens! Und gleich so viele… Aber alles der Reihe nach.
Dass extraterrestrisches Leben in dieser Spielumsetzung nicht fehlen würde, war den meisten wohl gleich klar. Die hiesigen Lebensformen unterscheiden sich wesentlich von den einstigen Barbaren, die ebenfalls einfach irgendwo auf der Karte heimisch waren. Erstens gibt es wesentlich mehr Alieneinheiten, sowohl in ihrer Art als auch in der Menge. Zweitens agieren sie meist neutral, es sei denn man kommt einem ihrer Nester zu nahe. Und drittens: Es gibt schon zu Spielstart Alieneinheiten mit denen wir uns erst deutlich später messen können/sollten, wie zum Beispiel der Meerdrache oder der Tunnelwurm (im Übrigen beides Einheiten mit deutlichen Konsequenzen für unsere Siedlungen).
Mit den Aliens kommt auch das Miasma. Eine gasförmige Substanz, die unseren Einheiten steten Schaden pro Runde zufügt, sollten sie auf den Miasma-Feldern verweilen. Ein allgegenwärtiges Problem, das insbesondere das Verbessern der Geländefelder durch die eigenen Bautruppen erheblich erschwert.
Die eigentliche Herausforderung (auch nach einigen Partien) ist der neue Technologie-„Baum“. Die einst chronologisch verständliche Anordnung der Technologien von Stonehenge bis zum Raketenstart ist für eine Zivilisation der Zukunft eben nicht sinnvoll. Stattdessen sind unsere Forschungsprojekte ringförmig aufgeschlüsselt. Völlig neu dabei sind Affinitätsforschungen. Es gibt einige Forschungen, die eine Affinitätsverbesserung für die Bereiche Harmonie, Reinheit und Vorherschafft ermöglichen. Das Ausrichten auf eine dieser Affinitäten kann zum technologisch geprägten Spielsieg führen. Sie bilden demnach neben der Vorherschafft (Militär) und dem Kontakt (Wirtschaft/Technologie) drei der fünf Möglichkeiten, die Partie für sich zu entscheiden.
In puncto Komplexität schließt sich das Quest-Feature nahtlos an die Technologiematrix an. Quests klingen zunächst mal nach einem spannenden Novum. Einige der Quests sind abhängig von den Ereignissen auf der Strategiekarte und bilden überwiegend eine direkte Analogie zu den Stadtstaataufgaben von
Civilization V. Der andere Teil (und das ist der Großteil) erscheint als Auswahlfenster für eines von zwei einmaligen und dauerhaften Features für die in den Städten bereits errichteten Gebäude. Und dahin ist die Spannung, die bei dem Wort „Quest“ aufgekommen ist. Stattdessen ist das Maß an Gebäudebonivielfalt und Kombinationsmöglichkeiten, das man anhand der Tech-Matrix vielleicht noch absehen konnte, somit unverhofft exponentiell gestiegen. Die größte Schwierigkeit: Es sind zwar in jeder Partie die gleichen Entscheidungsmöglichkeiten, aber der Zeitpunkt ist nicht steuerbar und wenn die Erfahrung nicht ausreicht, kann man auch nirgendwo nachlesen, welcher Ausbau wie verbessert wird. Hammerharte Gedächtnissportaufgabe für Vielspieler!
Kernmechanik des Spiels ist aber in jedem Fall die Affinität. Ihr folgen drei neue, immens wichtige Ressourcen: Xenomasse, Schwebsteine und Firaxit sowie zahlreiche Boni beim Voranschreiten zu höheren Affinitätsstufen. Ebenso lassen sich Spezialeinheiten wie beispielsweise ein Schwebepanzer oder ein Xenoschwarm, mit einmaligen Werten und Fähigkeiten ausbilden, wofür man wiederum die neuen Ressourcen benötigt (und nicht gerade wenig!). Wie bei Civilization üblich gibt daher das Startareal ein wenig die Spieltaktik vor.
Dadurch, dass die Standardeinheiten sich ebenfalls nicht mehr chronologisch nachvollziehbar entwickeln können (Bsp.: vom Bogenschützen zum Armbrustschützen), wurde die Einheitenaufwertung kurzerhand ebenfalls mit der Affinität verbunden. Ein angenehmes Feature! Hat man einmal sein Heer mit Basiseinheiten zusammengestellt, muss man lediglich den Fortschritt einer Affinität forcieren, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben und die bestehenden Truppen dann mit Spezialeinheiten ergänzen.
Entscheidend für die Ausrichtung der Spielstrategie sind aber die neuen Gebäude, die sowohl eine gewisse Stufe einer Affinität verlangen als auch oftmals ein paar der besonderen Waren binden. Dafür sind die Gebäude aber auch alles andere als Standard. Beispielsweise erhält man für Firaxit erhebliche Forschungssteigerungen, wohingegen sich Schwebsteine für eine deutlich größere Produktion in den Städten verwenden lassen. Aber keine Panik, man entscheidet sich meist erst um Runde 80 bis 100 final welche Affinität man verfolgen möchte. Bis dahin sind die meisten Forschungen lediglich Grundsteine zum Erfolg.
Ganz neu sind wohl nur die Orbitaleinheiten. Am besten lassen sie sich vielleicht als geostationäre Geländeverbesserungen auf Zeit umschreiben. Es gibt zahlreiche Satelliten die verschiedene Boni für 10, 20, 30 oder 60 Runden auslösen, wenn sie über einem Areal gestartet werden. Davon unterstützen einige die Produktion der Geländeverbesserungen über denen sie stehen, indem sie zum Beispiel den Ertrag von Energie oder Produktion im Einflussbereich aufwerten, andere verstärken Stadtwerte oder die eigenen Truppen auf ähnliche Art und Weise.
Zukunfts-Ghandi sprich zu uns!
Am heftigsten springt die direkte Ähnlichkeit zu
Civilization V sicherlich in Sachen Grafik ins Auge. Klar hat man versucht Einheiten, Geländefelder und Gebäude auf einem anderen Planeten zu inszenieren. Ein Quantensprung ist’s aber sicher nicht geworden. Wie schon angesprochen wirkt das Spiel im Wesentlichen nur satter. Grüner. Irgendwie ist ein bisschen blau auch immer dabei, sogar bei den Wüstenfeldern. Man versteht so gut, dass man sich nicht mehr auf unserer Erde befinden sol. Abhängig von der gewählten Affinität verändern sich im Spielverlauf die Städte und die Standardeinheiten. Auch die Avatare der verschiedenen Sponsoren verändern sich in ihrer optischen Aufmachung mit dem Affinitätsfortschritt. Das war es aber auch im Großen und Ganzen im Vergleich zum Vorgänger, der jetzt auch schon vier Jahre alt ist. Da wär mehr drin gewesen.
Dafür kann ich am Klang nichts Schlechtes finden. Soundtrack und Spielgeräusche liefern ein passendes Bild. Der Aufwand hierfür ist bei einem solchen Spiel natürlich um einiges geringer als für ein vollvertontes Rollenspiel, dennoch ist es sehr begrüßenswert, dass auf Kleinigkeiten wie zum Beispiel die Sprach- & Akzentumsetzung der Sponsoren geachtet wurde, was vor allem im Einzelspieler atmosphärisch zum Tragen kommt.