Es war eine lange Reise, die wir mit Geralt von Riva unternommen haben, lang und wunderbar ereignisreich. Jetzt, da uns die 100% im PSN-Profil freudig zuwinken und wir langsam wieder in der Realität ankommen, fühlen wir uns endlich dazu befähigt, ein Urteil über diesen Koloss zu fällen. Dass das dritte Abenteuer des Hexers uns insgesamt voll und ganz überzeugen konnte, dürfte bei der momentanen Berichtlage wenig wundern. Allerdings sind auch die Jungs von CD Project Red nicht unfehlbar. Wo die großen Stärken, aber auch die kleinen Schwächen des Hexers liegen, erfahrt ihr hier.
Es war einmal...
... in einer vom polnischen Autor Andrzej Sapkowski geschaffenen Welt. Dort lebten nach der Sphärenkonjunktion viele Wesen nebeneinander – einige friedlich, andere... nicht. Menschen, Zwerge, Elfen, Monster – alles, was das Fantasy-Herz begehrt. Die zerstörerische Wut der Monster in all ihren Formen und Arten war allerdings eine große Gefahr. Um ihr etwas entgegenzusetzen, wurden die Hexer ins Leben gerufen; Menschen, die schon in der Jugend eine harte Schule bestehen müssen. Eine Schule, die ihren Geist und ihren Körper auf ihre Bestimmung vorbereitet: das Töten von Monstern. Die Fähigkeiten dieser besonderen Krieger übersteigen die von normalen Menschen bei weitem. Außerdem verfügen sie über ein profundes und tiefes Wissen über Monster und die Jagd nach ihnen. Einer dieser Hexer, der schon besonders viele Abenteuer bestritten hat und sogar unter seinesgleichen als Legende galt, war Geralt von Riva...
Wackerer Recke auf der Suche
Und den spielen natürlich wir. Wer die Vorgänger gepielt hat, kann seine Speicherstände importieren (auch auf der PS4), ansonsten werden die vergangenen Abenteuer kurzerhand simuliert und schon geht's los.
Die Story beginnt damit, dass Geralt und sein Lehrmeister Wesemir auf der Suche nach einer alten Freundin sind: Yennefer von Vengerberg. Es sind unruhige Zeiten, denn das Reich Nilfgaard hat einen handfesten Krieg vom Zaun gebrochen und gestorben wird derzeit allerorts. Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, ist auch noch Cirilla, leibliche Tochter des nilfgaardischen Kaisers und Ziehtochter Geralts, spurlos verschwunden.
Klar, dass Papa-Hexer das gar nicht so cool findet, zumal Klein-Ciri nicht nur auf persönlicher Ebene wichtig für Geralt ist, sondern als Trägerin des Älteren Blutes auch eine Macht in sich trägt, die Welten verändern kann. Auch Papa-Kaiser sieht ein, dass die Situation alles andere als lustig ist. Und so beauftragt er zuerst Yennefer und in weiterer Folge auch Geralt, seine Tochter wiederzufinden – was sich die beiden natürlich nicht zweimal sagen lassen.
Eine Nadel im Heuhaufen
So durchstreifen wir also die Lande auf der Suche nach unserer Ziehtochter – erst Velen, dann Novigrad, später dann die neu hinzugekommene Inselgruppe Skellige. Und jeder dieser Landstriche bietet Spielmaterial für dutzende Stunden!
Da sind zum einen die vielen Collectibles wie versunkene Schätze oder Monsternester. Die sind zwar ganz nett, allerdings nach einer Weile doch recht generisch – vor allem, wenn man sich deren Unzahl vor Augen hält. Stören tun die Dinger aber auf keinen Fall, hin und wieder nimmt man gerne ein schickes Schwert oder einen handlichen Harnisch mit, wenn man auf dem Weg zu einer Queste quasi dran vorbeireitet.
Das Stichwort „Quest“ ist aber eigentlich das, was The Witcher III ausmacht. An jeder Ecke schreit eine Jungfrau in Nöten oder ein armer Händler um Hilfe. Und genau hier wird die Spieltiefe vom Witcher überdeutlich: Jede einzelne Quest ist mit derartig viel Liebe und Detail gestaltet, dass man gar nicht anders kann, als Stellung zu beziehen. Die Geschichten dahinter sind lang und oft kommt seitenweise Text dazu (den man nicht durchackern muss, es doch zu tun hat aber diverse – nicht nur atmosphärische – Vorteile). Mal klären wir einen seltsamen Mord auf, mal organisieren wir die Inneneinrichtung für ein Kabarett. Es könnte kaum abwechslungsreicher sein!
Während wir also auf Ciris Spuren wandeln und dabei Zauberinnen, Dopplern, Bettlern und was weiß ich noch allem helfen, wird bald klar, dass unsere Ziehtochter auf der Flucht ist. Und dass sie von der Wilden Jagd, einer dunklen Jagdgemeinschaft, verfolgt wird. Und dass das wirklich kein Spaß ist.
Hex Hex!
Bis wir aber dann irgendwann mit der Wilden Jagd konfrontiert werden, vergehen etliche Stunden. Und dabei steigt unser Charakter natürlich im Level auf. Die Möglichkeiten unser Alter Ego zu verändern sind wie alles bei The Witcher III recht vielfältig, allerdings in einer Hinsicht deutlich anders, als man das von anderen Rollenspielen kennt. Es gibt nämlich fast keine neuen Fähigkeiten zu erlernen. Die nennenswertesten sind die fünf magischen Hexer-Zeichen, die wir im Kampf schnell zwischen zwei Schwerthieben einsetzen können. Die verfügen über einen Alternativmodus. Fast alle anderen trainierbaren Upgrades verstärken lediglich die Stats von Geralt – höhere Chance auf kritische Treffer, mehr Schaden mit leichten Angriffen usw. Das hat zwar durchaus seinen eigenen Reiz, ein wenig mehr Brimborium hätten wir uns aber trotzdem gewünscht.
Von den über 70 Upgrade-Möglichkeiten können wir dann im Endeffekt zwölf ausrüsten – unterteilt in Kampf, Zeichen, Tränke und allgemeine Verbesserungen. Außerdem bietet unser Hexer-Körper noch Platz für bis zu vier Mutagene, die unsere Fähigkeiten noch weiter ausbauen.
Ansonsten spielen sich die Kämpfe sehr flüssig. Unser Repertoire aus Kampfmanövern besteht aus leichten und schweren Angriffen, den fünf Zeichen Aard, Axii, Igni, Quen und Yrden, diversen Bomben und Tränken und unserer Armbrust. Wer auf höheren Schwierigkeitsstufen spielt, wird allerdings nicht daran vorbeikommen, sich schon vor dem Kampf Gedanken darüber zu machen, wie man die nächste Konfrontation möglichst in einem Stück übersteht. Dabei hilft das Bestiarium, in dem wir neben einem Fließtext über das Monster (in dem hin und wieder auch nützliche Tipps zu finden sind) auch dessen Schwachstellen finden. Also schmieren wir unsere Klinge vor dem Kampf mit Ölen ein, legen die richtigen Armbrustbolzen zurecht und verwenden vielleicht noch den letzten verbleibenden Skillpunkt für ein besonders nützliches Zeichen. Das macht uns nicht nur das Leben leichter, sondern sorgt auch dafür, dass wir uns so sehr als Hexer empfinden wie es nur geht.
Die Technik dahinter
… ist mit Sicherheit das allergrößte Manko am Witcher. So gelungen das Artdesign allerorts ist – Berge, Wasser, Wälder und Städte sehen fabelhaft aus – so sehr hapert es daran, alles flüssig abzuspielen. Immer wieder gibt es kleinere Ruckler und auch Kantenflimmern fällt uns häufig auf. Das ist gerade für Konsoleros – wir testeten die PS4-Version – soweit nichts neues und würde auch bei uns nicht extrem ins Gewicht fallen, aber dass auf einmal die Köpfe aller Menschen einige Meter neben dem zugehörigen Korpus fliegen (siehe Screenshot) oder die Animation für's Rennen nur mehr ab Knie und Ellenbogen körperaufwärts funktioniert, das sind schon recht gravierende Mängel. Zwar ist beides nur einmal vorgekommen, deshalb ist auch das verschmerzbar, aber solche Dinge sollten eigentlich gar nicht passieren. Auch nicht, dass ein Steak fünf Meter über dem Lagerfeuer in der Luft hängt.
Dafür stimmt beim Sound wirklich alles. Der Soundtrack untermalt die fantastischen Welten perfekt und drückt ordentlich, wo er gefälligst zu drücken hat. Die Synchronsprecher liefern sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch einen hervorragenden Job ab und beseelen die ohnehin schon sehr tiefen Charaktere noch weiter.