Ubisoft verkürzt uns die Wartezeit auf das nächste „richtige“ Assassin’s Creed-Spiel mit einem ungewöhnlichen Jump and Run-Ableger. Und der ist überraschend gut!
Sind wir uns ehrlich: Für den landläufigen Europäer sehen Chinesen nicht nur gleich aus, sie klingen auch so. Wodurch es Gamern, die noch dazu mit einem Namensgedächtnis gesegnet sind, das es gerade noch mit der religiösen Kopfbedeckung der Pastafaris aufnehmen kann, nicht gerade leicht gemacht wird, der intrigengeschwängerten Story am chinesischen Königshofe des frühen 16. Jahrhunderts zu folgen.
Um folgende Schlagwörter spinnt sich also das sehr grobmaschige Netz dieser Geschichte: da sind die Tiger (ein Geheimbund hinterhältiger Eunuchen, die eigentlich Templer sind und in Wahrheit die Geschicke Chinas lenken), die beinahe ausgelöschten Assassinen (sie spielen aufgrund des Titels selbstredend die Hauptrolle), der Hauptcharakter Shao Jun (deren Meister und sie haben Verbindungen zum Assassinen Ezio Auditore, dem Helden aus Assassin’s Creed 2) und möglicherweise hat irgendwer zwischendurch gebratene Ente bestellt – wir können uns aber auch irren.
Alles dreht sich irgendwie um eine geheime Holzschatulle, die uns von den Tigern entwendet wird und der wir quer durch China hinterherjagen. Die Urgestalt des McGuffins also. Oder etwa doch nicht?
Doch! Oder nicht? Egal. So viel kann zur Story jedenfalls gesagt werden: Sie spielt in Assassin’s Creed Chronicles: China in Wahrheit nur eine recht untergeordnete Statistenrolle.
Malerisches China
Der düstere Wasserfarbenlook der Zwischensequenzen – vertonte, kunstvoll animierte Standbilder – wird auch im Spiel selbst fortgeführt. Und so hebt sich der erste Ausflug der Serie in den ostasiatischen Raum nicht nur durch seine 2D-Spielmechanik, sondern auch optisch von seinen Vollpreis-Geschwistern ab. Während Assassin’s Creed Chronicles: China auf den ersten Blick also eher an einen alten Prince of Persia-Teil erinnert, finden Fans sämtliche Versatzstücke wieder, für die die Assassin’s Creed-Serie bekannt ist. Da sind die Aussichtspunkte, an denen die Übersichtskarte synchronisiert wird und von denen wir begleitet von Adlergeschrei den „Leap of faith“ in den Heuhaufen wagen. Da gibt es den Adlerblick, der uns farblich die Gesinnung der NPCs anzeigt. Da sind die Menschengruppen, in denen wir vor dem Feind unentdeckt untertauchen können. Und da ist der typische flirrend weiße Raum, der Animus, der aber nur im Menü und in den kurzen Tutorial-Sequenzen präsent ist. Das ist auch durchaus in Ordnung, da von den meisten Spielern ohnehin oft bekrittelt wurde, dass einen die Szenen mit Desmond Miles in der Gegenwart in den letzten Ablegern der Serie mehr aus der Spielwelt rissen, als sie eigentlich Nutzen hatten.
Killing Floor
Im Assassin’s Creed-Universum einen Platformer zu installieren ist auf den zweiten Blick gar nicht so ungewöhnlich; sind die ursprünglichen Spiele ja nicht unbedingt etwas komplett anderes, nur eben in einer dreidimensionalen Welt.
Wie man an das Spiel herangeht lässt einem Assassin’s Creed Chronicles: China grundsätzlich offen. Wie beispielsweise im letzten Splinter Cell gibt es am Ende jedes Levels eine Bewertung in drei Kategorien: Schatten, Assassinin und Kriegerin. Während man in erster Kategorie Punkte sammelt indem man die Gegner geschickt und unbemerkt umschleicht und nur die Haupt- und Nebenziele eliminiert, werden Assassinen-Punkte für unbemerkte Kills verliehen, während die Punkte in der Kategorie Kriegerin an die Berserker gehen, die sich einfach durch das Level schnetzeln.
Um tatsächlich alle Gegner umschleichen zu können ist gutes Beobachten der Umgebung gefragt. Ein Abchecken der Laufwege über das Adlerauge ist hier ebenso hilfreich wie Ablenkungsmanöver mit den Gadgets, die wir mit uns tragen. Neben simplem Pfeifen lassen sich Gegner mit Geräuschpfeilen ablenken oder durch Knallkörper kurzfristig betäuben.
Um abschätzen zu können, ob wir von Widersachern gesehen werden oder nicht, ist deren Blickfeld dauerhaft sichtbar eingeblendet. Außerdem warnt ein Symbol über deren Kopf vor, wenn die Wache kurz davor ist sich umzudrehen.
Wer hier gut beobachtet, kann sich ein perfektes Timing zurechtlegen um ungesehen von Versteck zu Versteck zu huschen. Hierfür dienen Abhänge, Türen, Fenster, Säulen, Gebüsche und ähnliches. Gerade in späteren Levels entscheiden hier oft Sekundenbruchteile und Millimeter über das Gelingen eines Manövers. Das macht das Spiel für Perfektionisten ebenso interessant und fordernd wie für Spieler, die lieber den einfacheren Weg des versteckten Attentats gehen.
Doch auch hier ist Vorsicht angesagt. Wachen, die das Geschehen beobachten oder einen Leichnam auffinden werden sofort Alarm geben und im schlimmsten Fall Verstärkung rufen. Sich einfach durchzumetzeln ist also gar keine so leichte Aufgabe. Wer im Dunkeln agiert und die toten Körper schnell versteckt ist demnach klar im Vorteil.
Steuerung
Selbst wer verdammt gut mit Stäbchen essen kann läuft bei der Tastatursteuerung Gefahr, sich die Finger zu verknoten. Wie für Spiele des Genres üblich wird also die Bedienung mittels Gamepad empfohlen.
Für den Kampf stehen uns genretypisch Blocken und Angreifen in schneller, leichter und der behäbigeren schweren Variante zur Verfügung. Letztere verursacht nicht nur mehr Schaden sondern ist auch bei Gegnern mit Schild Voraussetzung um dieses zerstören zu können. Blocken verwenden wir um beispielsweise Schwerthiebe abzuwehren und später auch zu kontern und um Geschossen wie Wurfsternen auszuweichen.
Mit dem Digitalkreuz wählen wir unsere Sekundärwaffen, also die oben genannten Ablenkungsmanöver oder Wurfmesser, die wir mit den Schultertasten abschießen können. Die Trigger verwenden wir zum Laufen und zum geduckten Schleichen.
Im Spielverlauf erlernen wir immer neue Manöver. So können wir uns mit dem Greifhaken an Holzdecken entlanghangeln, die Feinde aus dem Sprung heraus oder im Rutschen eliminieren, sowie bestimmte Schleich- oder fatale Tötungsmanöver erlernen. All das spielt sich sehr eingängig und ist schön animiert. Vor allem die Finishing Moves lassen das Assassinen-Herz höher schlagen.
Je nach Punktezahl erweitern wir außerdem unsere Lebensleiste und unser Inventar. Um einen hohen Score zu erreichen ist es nicht nur wichtig unentdeckt zu bleiben und Nebenziele zu erfüllen, auch das Sammeln von mal mehr, mal weniger versteckten Animusscherben oder Truhen mit Schriftrollen, die die Hintergrundgeschichte genauer erläutern, hilft hier ungemein.