Science Fiction-Autoren faszinieren uns schon seit geraumer Zeit mit scheinbar unwirklichen Phantastereien. Vieles was Menschen vor Jahrzehnten ersponnen haben ist heute real geworden oder in abgewandelter Form in unserem Alltag eine Selbstverständlichkeit. Sie gaben uns oftmals neben ihren Zukunftsvisionen auch kritische Stimmen mit an die Hand, indem sie auf ethische oder menschheitsbedrohende Gefahren hinwiesen. Das neueste Werk aus dem Hause Ubisoft beschäftigt sich mit einer dieser Zukunftsvision genauer, quasi spielerisch. Eine, die schon sehr nah und akut geworden ist: Dem gläsernen Mensch.
Die jüngste Generation postet, twittert und chattet jedes kleinste Detail ihres Lebens im WorldWideWeb und auch Ältere nutzen die Vorzüge und Annehmlichkeiten sozialer Netzwerke, den einfachen Informationsaustausch im Web und die schnelle Kommunikation via Instantmessanger. Was aber, wenn kriminelle Energien wie beispielsweise der Hauptcharakter Aiden Pearce, verwirrenderweise der Protagonist des Spiels, mit wenigen Zeilen Quellcode im Vorbeigehen unsere Bankkonten leer räumen oder auf die Sicherheitssysteme unseres Hauses zugreifen könnten? Was, wenn sich findige Hacker nur so zum Spaß das Ziel setzen einen ganzen Häuserblock lahm zu legen, weil ihnen gerade danach ist? Genau diese Fähigkeiten besitzen wir im heuer vorgestellten
Watch Dogs; verblüffend und faszinierend, spaßig, überzogen und doch unglaublich beängstigend, wenn man das Spiel als eine durchaus plausible Zukunft betrachtet.
Auf Raubzug in der Hotellobby
Bei unserem Job im Mirage, einem Luxushotel, gibt es auf einmal Probleme. Während wir uns in der Lobby Zugang zu allen möglichen Informationsschnittstellen schaffen, stört uns ein anderer Hacker und scheucht die Wachen auf. Da bleibt nur die unkoordinierte und übereilte Flucht anzutreten. Trotzdem, der fremde Eindringling hat es geschafft unsere Identität aufzudecken und will uns aus dem Weg haben. Der Auftragskiller, der für diesen Part engagiert wird, bringt Aidens Auto auf dem Highway zum Überschlag. Aber nicht Aiden stirbt, sondern seine kleine Nichte, die an diesem Tag mit im Auto saß. Das Motiv für die Geschichte ist gewoben: Ganz altmodische Rache. Also machen wir uns auf, den anderen Hacker aus der Nacht im Mirage ausfindig zu machen und um ihn zur "Rede" zu stellen.
Hauptsache der Akku ist voll
Gespielt wird in Chicago und wir können uns jederzeit an jeden Punkt der Stadt bewegen. Das unterscheidet
Watch Dogs von anderen Spielen seiner Art, bei denen die Kartenabschnitte der Stadt meist erst mit fortschreitender Story freigeschaltet werden. Dafür ist die Stadt allerdings nicht so riesig.
Von Haus aus ist Aiden schon ein sehr passabler Hacker. Mit unserem Handy lässt sich einiges an Unfug treiben. Beispielsweise die Kontrolle über Kameras übernehmen, um den Raum nach potentiellen Gegnern abzusuchen. Aber auch Auto-Alarmanlagen lassen sich auslösen oder Gabelstapler und Tore bewegen, um Wachpersonal zu verwirren. Im Lauf des Spiels erhalten wir für den Abschluss der Hauptgeschichte und etwaige Nebentätigkeiten als „der Rächer“, eine andere Interpretation eines Bat- oder Spiderman, Erfahrungspunkte und somit Level-Ups, die wir in einem recht umfangreichen Skilltree einsetzen können. Dabei ist es uns freigestellt wann und welche Talente Aiden mit an die Hand gegeben bekommt. Zur Auswahl stehen Verbesserung im Bereich Kampf, Hacken, Vehikel und Selbstgebasteltes. Sehr richtig gehört, unsere Hauptfigur ist in der Lage mit diversen gesammelten Gegenständen sehr nützliche Dinge zu fertigen. Beispielsweise können wir aus einem elektronischen Bauteil eine Art Haftsignalgeber bauen, den wir an der Wand platzieren können, um ihn dann anzusteuern wenn die patrouillierende Wache den Blick gezielt gen Wand richten soll, damit wir vorbei schleichen können. Es gibt aber auch Arzneien oder eben Sprengkörper, die wir fertigen können sobald wir das Talent erlernt haben.
Im Wesentlichen ist
Watch Dogs ein um diese Tools erweitertes Baller- und Schleichspiel. Möglichst unauffällig und unter Zurhilfenahme der Umgebung versuchen wir Wachen oder Gangster auf den Stützpunkten oder in ihren Verstecken auszuschalten, um uns dann auf der Suche nach Information ungestört umsehen zu können.
Zum allgemeinen Zeitvertreib gibt es noch einige Minispiele. Klassiker aber auch echte Innovationen fanden in dem Spiel Platz. Zum einen können wir versuchen unser Geld beim Poker zu vervielfältigen oder uns von einem Hütchenspieler ausnehmen lassen, auch einige sehr interessante Schachherausforderungen sind im Spiel enthalten. Neu sind die Cash Runs, die Handyshooter und die digitalen Trips. Bei den Cash Runs laden wir ein künstliches Interface über den Bildschirm. In diesem Interface sind Münzen und Monster in der normalen Umgebung angezeigt. Unsere Aufgabe: Dem Pfad der Münzen gegen die Zeit folgen ohne die Monster zu berühren. Sehr cool! Die Handyshooter arbeiten ebenfalls mit einem künstlichen Interface. Hierbei entstehen Monster aus Portalen, die wir abschießen müssen. Gelingt es uns mehrere Wellen zu überstehen, erhalten wir mehr Punkte. Bei erfolgreichem Abschluss einiger Minispiele erhält Aiden zusätzliche einmalige Fähigkeiten, es lohnt sich also mal die Zeit anderweitig zu verbringen. Und die digitalen Trips… ein Trip eben, den man selber erlebt haben muss.
Highend-Technik als Thema, nur nicht für uns Spieler
Nun zu dem Punkt, wo
Watch Dogs fürchterlich Federn lassen muss und es sich von einem echt guten zu einem durchschnittlichen Spiel mit kreativen Ansätzen selbst degradiert: die technische Umsetzung.
Erfahrungsgemäß sind Sound und Grafik mit ein paar Worten sachlich abgedeckt, deshalb diese vorweg: Der Klang sticht zu keinem Zeitpunkt besonders positiv heraus, aber es gibt auch wenig Negatives zu sagen. Außer vielleicht, dass die Fahrzeugsounds (insbesondere bei Motorrädern) etwas unglücklich klingen und dass die Hintergrunduntermalung ab und zu so laut ist, dass wir die Dialoge schwerlich verstehen. Aber gut, man will ja nicht kleinlich sein. Die Grafik ist da eher ein zwiegespaltener Vertreter. Die Welt sieht soweit super aus. Auch die Hauptfigur ist tiptop gezeichnet; noch nie hab ich einen so realistischen Umhang an einem Charakter gesehen, sehr stylisch! Dagegen wurde bei den Texturen aller Nebenfiguren, ergo jedem NPC in der Stadt und bei den Fahrzeugen deutlich gespart. Insbesondere die Minibilder, die auf unserem Bildschirm auftauchen wenn unser Profiler aktiviert ist, sind äußerst unschick. Aber auch das macht das Spiel nicht wirklich kaputt. In einem Satz zusammengefasst: Es ist okay, aber bei dem Wirbel um das Spiel hab ich zukunftsweisenderes erwartet.
Deshalb weiter zum eigentlichen Flaschenhals (oder sollte ich direkt schon vom Strick sprechen?!) : Das Handling.
Watch Dogs ist sehr gut vergleichbar mit Spielen wie
Assassin's Creed 4 - Black Flag oder
Saboteur, zwar sind unsere Klettermöglichkeiten eingeschränkter, aber das Open World- und Freerun-Prinzip ist das gleiche. Freerun… jaaa… leider haben wir immer mal wieder unpassierbare Buchsbaumhecken, Gartenzäune die zwar von der einen aber nicht von der anderen Seite überwindbar sind oder einen 30cm hohen Palettenstapel von dem wir uns formschön abrollen müssen, damit der Cash Run unnötigerweise noch ein wenig spannender wird.
Dazu kommt eine Welt, die sehr seltsam auf uns reagiert. Passanten kreischen laut auf und rufen uns charmante, aufmunternde Worte wie „Freak“ oder „Spinner“ hinterher wenn wir ohne jegliche Berührungen mit der Umgebung rennen! Gut Sport scheint für die Erregung öffentlichen Ärgernisses zu sorgen. Wie ist’s denn beim Ducken? Das geht gar nicht! Um uns an Objekte in der Stadt ranschleichen zu können bleibt das Ducken unumgänglich, der eine oder andere Zivilist meint den Fall mit einem Kommentar wie „bestimmt Drogen!“ aber geklärt.
Als Anmerkung für den folgenden Nörgelabsatz: Mir lag zum Test die PC Version vor und auch wenn ich einen Xbox-Kontroller angeschlossen habe, benutz ich selbigen eigentlich nur um Spiele wie
Fifa 14 zu spielen. Jedenfalls, die Steuerung mit Tastatur und Maus erwies sich mehr als einmal als äußerst unglücklich. Das Fahren von Fahrzeugen auf anspruchsvollem Niveau, um beispielsweise die Polizei abzuhängen, war nicht möglich. Natürlich, Gas und Bremse funktionieren, aber eine Tastatur kennt nur „an“ und „aus“ und das hat im Spiel äußerst unschöne Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Nächster Dorn im Auge, das Waffenrad (übrigens auch für die Kontroller-Steuerung). Um uns für die richtige Waffe oder das passende Gadget entscheiden zu können, haben wir ein Waffenrad. Simpel auszuwählen sind nur die Positionen auf den Kompassachsen, die Bereiche dazwischen erwischt man mit der Maus nur mit Glück, mit dem Stick schon eher, aber da mehrere Gadgets auf einem Slot liegen und wir dort noch scrollen können und beim Scrollen gern wieder abrutschen, eher gar nicht.
Was hab ich vergessen? Richtig, ein weiteres Highlight zu den Passanten in Kombination mit der Steuerung. Wir ziehen unsere Waffe durch einen einfachen Mausklick, das geht fix, aber auch gelegentlich unbeabsichtigt. Manch ein Mitbürger fühlt sich nach einem kurzen Aufschrei „Der hat eine Waffe“ genötigt die Polizei zu rufen, wenn wir zeitgleich irgendwo geduckt sitzen, ist’s direkt ganz vorbei. Wollen wir das verhindern, können wir den Anrufer kurzerhand umlegen, dann ruft direkt der nächste an, weil Mord und so, und den legen wir dann auch um, und dann… ja, oder wir laufen gleich fünf Minuten weg; alles nur weil man einmal die Maustaste gedrückt hat, unfassbar lästig!