Larian Studios, ein kleines Entwicklerstudio aus Belgien, scheint ein Faible für Spiele mit Drachen zu besitzen, denn es hat schon andere Titel in der Drachenwelt Rivellon zu verantworten. Dazu zählt Divine Divinity, ein Hack & Slay aus dem Jahr 2002, das den Start der Drachenreihe darstellt. Danach folgten mit Beyond Divinty (2004) und der Trilogie Divinity 2: Ego Draconis (2009) vier Rollenspiele. Jetzt werden abermals neue Gameplaywege beschritten, denn
Divinity: Dragon Commander ist ein Echtzeit-Strategiespiel, das auch in Rivellon beheimatet ist, aber die schon bekannte Welt hat einen deutlichen Steampunktatsch bekommen und nimmt sich nicht mehr so ernst. Das merkt man immer mal wieder an den Anliegen der verschiedenen Charaktere an Bord der Raven, unserem Kommandoschiff. Achja, und die Hauptfigur, unser Drache, hat einen Raketenrucksack auf dem Rücken.
Story
Gemeuchelte Könige, die ein Weltreich hinterlassen und deren Kinder sich um jedes Stückchen Land am liebsten zerfleischen wollen: Sowas ist nicht neu. Wenn eines der Kinder aber ein Bastard ist und einen Drachen zur Mutter hat, wird's spontan interessanter. So schlüpft man in die Rolle dieses Drachenhalbbluts, um die Geschwister zu vertreiben und das Reich unter sich als neuem Kaiser zu einen. Dabei müssen einige politische wie militärische Entscheidungen getroffen werden, um die Stabilität unserer Ländereien auf Dauer gewährleisten zu können.
Spielprinzip
Wie schon angesprochen ist
Divinity: Dragon Commander offiziell ein Echtzeit-Strategiespiel. In Wahrheit ist es schwer möglich, diesen Titel einem Genre klar zuzuordnen. Zum einen bietet es Teilbereiche eines Rundenstrategiespiels, dann eben der Part mit den Echtzeitschlachten und noch eine gute Prise eines klassischen Rollenspiels, bei dem es darum geht, sich die Belange seiner Untergebenen anzuhören, um dann Entscheidungen zu treffen, die den weiteren Verlauf des Eroberungszuges stark beeinflussen können.
Dreh- und Angelpunkt all unserer Unternehmungen ist die Raven, ein Luftschiff, das durch die macht eines Dämonens in der Luft gehalten wird. Die Raven bietet Platz für sechs Bereiche des alltäglichen Lebens eines handelsüblichen Großherrschers: die Brücke, den Sitzungssaal, die Schenke, die königlichen Gemächer, die Werkstatt und im weiteren Spielverlauf das Gemach unserer Königin. Ausgehend von der Brücke unseres Kommandoschiffs können wir uns die komplette Weltkarte anzeigen lassen, Truppen rekrutieren, Gebäude, die tatktische Vorteile liefern, in unseren eroberten Gebieten bauen, Einheiten verschieben oder den Gegner mit unseren Truppen angreifen, indem wir unsere Einheiten einfach zum Rundenende ins Feindesland stellen. Der Ausgang des Aufeinandertreffens wird gemäß einer Einheitenstärken/-schwächenmechanik kalkuliert. Es gibt insgesamt 13 verschiedene Land-, Luft- und Seeeinheiten mit verschiedenen taktischen Anwendungsbereichen. Dazu können wir gegen ein Honorar einen von den eigenen vier Generälen für das Gefecht anwerben. Die Generäle haben verschiedene Fähigkeiten, die die Chancen auf Erfolg erhöhen können.
Wenn man nicht wünscht, dass die Schlacht errechnet wird, darf man einmal pro Runde in Gestalt des Drachenheerführers die Geschicke unserer Truppen in den angesprochenen Echtzeit-Strategieschlachten leiten. Dabei müssen auf den Schlachtfeldern vorgefertigte, zum Start der Partie neutrale Stellungen mit unseren Truppen eingenommen und ausgebaut werden. Nach und nach gilt es dann den Gegner zu vertreiben, bis wir die Kontrolle über die komplette Karte haben. Um unsere Einheiten zu unterstützen, dürfen wir die Gestalt des Drachen annehmen und verheerenden Schaden am Gegner anzurichten. Sollten die eigenen Einheiten in der Schlacht knapp werden, können wir an den ausgebauten Standpunkten neue produzieren. Allerdings nur so lang, wie die örtliche Bevölkerung uns neue Rekruten zugesteht. Das wiederum ist abhängig von unseren politischen Entscheidungen.
Es kommt im hohen Rat, bestehend aus Untoten, Elfen, Zwergen, Echsen und Imps, gelegentlich zu Abstimmungen. Solche Anliegen werden immer mal wieder von den einzelnen Ratsmitgliedern vorgetragen. Beispielsweise schlägt der Zwerg Sir Falstaff von Silberader ziemlich zu Beginn des Spiels die Einführung einer Wehrpflicht vor. Wir sind dann angehalten per Daumenzeig zu entscheiden, ob wir dafür oder dagegen sind. Diese Entscheidungen wirken sich sowohl auf unser Reich als auch auf die Zuneigung der Völker aus. Die Wehrpflicht ist so gar nicht im Sinne der friedliebenden Elfen und der liberal eingestellten Echsen, dafür bejubeln die anderen drei Parteien unseren Entscheid. Haben wir uns für die Einführung entschieden, wird fortan für Einheiten ein Rabatt von 20% gewährt. Es gilt also immer klug abzuwägen, wie man sich entscheidet, zumal wir so direkt die Finanzen und Forschungskosten unseres Reiches beeinflussen können. Aber auch die Unterstützung einzelner Völker sollte man nicht in Gänze verspielen, denn das führt dazu, dass wir bei den Echtzeitschlachten keine oder nur wenig Rekruten vom ansässigen Volk zugesprochen bekommen und aufgrund mangelnden Nachschubs das Gefecht aufgeben müssen. Auch unsere vier Generäle kommen immer wieder persönlich auf uns zu und fordern unsere Unterstützung für ihre Sache ein. Dabei müssen wir mit ebenso viel Feingefühl ihre Anliegen behandeln, denn solche Entscheidungen können sowohl die Zuneigung der fünf Völker als auch die Entwicklung ihrer militärischen Fähigkeiten beeinflussen.
Wer bis hierhin meinen Erläuterungen folgen konnte, den darf ich schonmal beglückwünschen. Leider muss ich zu dem eng verwobenen System des Spiels noch ein paar weitere Erläuterung ergänzen. In
Divinity: Dragon Commander haben wir drei Arten von Ressourcen: Gold, Forschung und Spielkarten. Gold und Forschungspunkte werden uns von eroberten Ländern Runde für Runde in unterschiedlicher Höhe geliefert. Mit Gold werben wir Einheiten auf der Strategiekarte an. Mit Forschung treiben wir die Entwicklung unserer Kriegsmaschinen voran oder verbessern die Fertigkeiten unserer Drachengestalt. Die Spielkarten hingegen klingen im ersten Moment vielleicht ein wenig seltsam. Jedenfalls erhalten wir aufgrund unserer politischer Entscheidungen eben solche, um noch individueller auf die verschiedenen Situationen bei der Erschließung neuer Territorien reagieren zu können. Dazu kommen drei Arten von Gebäuden: Zauberturm, Taverne und Parlament, die wir in unseren Ländern gegen Gold kaufen können und uns ab Zeitpunkt ihres Erscheinens alle drei Runden neue Karten aus verschiedenen Rubriken erhalten lassen. Anhand solcher Karten können wir gegebenenfalls feindliche Gebäude zerstören, die Bevölkerung bestimmter Territorien dezimieren oder erhöhen, in Kämpfen Söldner auf dem Schlachtfeld erscheinen lassen oder für einen Kampf einen bestimmten Einheitentyp verbessern.
Geschafft! Alle Facetten von
Divinity: Dragon Commander wurden erfolgreich beleuchtet. Aufgelockert wird das spielerische Alltagsgeschäft vor allem durch die sehr starken einzelnen Charaktere und die passende Steampunkwelt. Jeder auf der Raven hat eine glaubwürdige und einzigartige Persönlichkeit, der sie bis zum Ende des Spiels authentisch folgen. Dabei liefern die vollvertonten Monologe einiges an Witz und Charme. Auch immer neue Auflagen der Rivellon Times, die das Politgeschehen nicht ganz so ernst abbildet, tragen zum Ambiente gelungen bei.
Noch ein paar allgemeine Worte zur Umsetzung. Auch hier ist das Spiel nicht so leicht auf einen Nenner zu bringen. Die Charaktere, das Schiff, die Atmosphäre und der Klang des Spiels sind durchweg überzeugend. Dagegen sind die Echtzeitschlachten optisch nicht das Highlight des Jahres. Hier wurden sichtbare Abstriche in der Entwicklung gemacht. Die Ansicht und die Steuerungen sind zweckdienlich, Punkt. Das ist aber zu verschmerzen, da diese Kämpfe (zumindest bei meiner Spielweise) nur einen kleinen Teil des Spiels ausmachen. Die Bedienungsmöglichkeiten auf der Strategiekarte sind intuitiv und schnell erlernt. Probleme scheint das Spiel aber mit kleinen Rucklern zwischen den Rundenwechseln zu haben und auch, wenn man an Bord der Raven von einem Raum in den nächsten wechselt, stockt schonmal das Bild.